Der Ballon d'Or ging dieses Jahr an den Falschen
Liebe PSG-Fans, Mutter Fatimata oder gar Ousmane Dembélé selbst: Das hier soll kein Frontalangriff werden. Zu groß ist meine Hochachtung vor dem, was dieser begnadete Offensivmann in der vergangenen Spielzeit geleistet hat. Zahlen, Titel sowie Impact sprechen für ihn.
Und welchen Weg er bis zum Montagabend im Théâtre du Châtelet gegangen ist. Vom Supertalent, dessen Bundesliga-Ankunft ich einst mit unbändiger Vorfreude entgegengefiebert habe, über das Problemkind, das mehr Negativschlagzeilen lieferte als Torbeteiligungen. Bis hin zum Unterschiedsspieler, der er heute ist.
Ich will ganz ehrlich sein: Als Dembélé in Paris nun den Ballon d'Or entgegengenommen hat, auf der Bühne seinen schwierigen Karriereweg Revue passieren ließ und dabei von seinen Emotionen überwältigt wurde, hatte auch ich einen Kloß im Hals.
So emotional mich diese Wahl aber auch mitgenommen hat, so herausragend der Franzose in der vergangenen Saison auch performt hat: Dembélé war am Montagabend der falsche Sieger. Den Ballon d'Or hätte sich vielmehr Raphinha verdient.
Dass der Brasilianer in Diensten des FC Barcelona ebenfalls eine famose Saison gespielt hat, erklärt sich praktisch von selbst. Es trifft nahezu auf alle Spieler zu, die es in den erlauchten Kreis der Nominierten schaffen. Doch unter diesen ragt Raphinha aus vielen Gründen heraus.
Raphinha scorte am häufigsten – und immer wieder in Topspielen
Das wohl platteste, aber am einfachsten nachzuvollziehende Argument: Kein Spieler in den Topligen hat im Bewertungszeitraum so viele Torbeteiligungen gesammelt wie der Barça-Star. Da kommt kein Dembélé heran, selbst Tormaschine Harry Kane nicht.
In der Champions League wurde Raphinha Torschützenkönig, als Flügelspieler. Zugleich lieferte er in der Königsklasse die meisten Vorlagen aller Profis. Generell liegt ihm die große Bühne: ein Hattrick gegen den FC Bayern, insgesamt fünf (!) Saisontore gegen den großen Rivalen Real Madrid.
Raphinha hat sich zum Leader aufgeschwungen
Zwei Endspiele gewann er gegen die Königlichen, holte obendrein die spanische Meisterschaft. In einer jungen, von Hansi Flick umstrukturierten Mannschaft ging der 28-Jährige als Leader voran, trug mehrfach die Kapitänsbinde und überzeugte praktisch das ganze Jahr über mit konstanten Leistungen.
Selbst im brasilianischen Nationalteam, das in den vergangenen Monaten so sehr strauchelte, dass die Nation zwischenzeitlich um die WM-Teilnahme bangen musste, konnte er anders als Landsmann Vinícius Júnior im Vorjahr einzelne Glanzpunkte setzen.
In Summe ergibt das ein Gesamtpaket, das 2024/25 kein anderer Spieler zu bieten hatte. Und doch wurde in den letzten Tagen, ja in den letzten Wochen vor der Vergabe des Ballon d’Or nur noch über einen Zweikampf zwischen Dembélé und Raphinhas Teamkollegen Lamine Yamal gesprochen.
Dass Raphinha am Ende tatsächlich nur auf dem fünften Rang landet, ist eine Respektlosigkeit sondergleichen.
Es sagt aber auch viel über die Journalisten aus, die abstimmen durften: Viele scheinen nur die heimische Liga im Blick zu haben und international erst ganz am Ende hinzuschauen, wenn die Titel vergeben werden. Oder vielmehr: Wenn der Henkelpott vergeben wird. So aber lässt sich kaum bestimmen, wer über eine komplette Saison am besten war.
Neymar jedenfalls bringt es in einem Kommentar, den er auf Instagram abgesetzt hat, auf den Punkt: "Raphinha auf dem fünften Platz ist echt ein Witz."
Aber so ist es im Grunde jedes Jahr beim Ballon d'Or, Anlass zum Ärgern gibt es mit einzelnen Platzierungen immer. Es war eben nur selten so eklatant wie mit Raphinha.