In der ARD dürfte man am Montag mit sich selbst sehr zufrieden gewesen sein. Denn selten ist den Programmplanern die Ansetzung einer Dokumentation besser geglückt als bei "Der Bayern-Boss: Schlusspfiff für Uli Hoeneß".
In der Doku blicken die Journalisten Johanna Behre, Juan Moreno und Tim Klimes auf die Höhen und Tiefen des Lebens von Uli Hoeneß zurück. Sie beschreiben Hoeneß Karriere auf dem Platz als "Aufstieg wie ein Gewaltmarsch". Der Kämpfer Hoeneß und sein unbändiger Wille – ein Muster, das sich auch nach seinem Abschied vom aktiven Fußball fortsetzte.
Mit 27 übernahm Hoeneß den Managerposten beim krisengeschundenen FC Bayern: Innerhalb von einem Jahr machte Hoeneß aus einem "Krisenklub ohne Zukunft ein Unternehmen, das zuverlässig Siege produziert", heißt es in der ARD-Doku. Hoeneß, der Kämpfer: Als Einziger überlebte er 1982 einen Flugzeugabsturz, kroch blutüberströmt aus dem Wrack.
Die ARD-Dokumentation beschäftigt sich auch mit der wohl größten Krise im Leben von Uli Hoeneß: Im Frühjahr 2014 wurde Hoeneß zu dreieinhalb Jahren wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Der Bayern-Manager hatte 28,5 Millionen Euro an Steuern hinterzogen.
Hoeneß stürzte in diesen Tagen umso tiefer, weil er in den Jahren vor der Affäre immer mehr das Rampenlicht der Öffentlichkeit gesucht hatte. In diversen Talkshows gab Hoeneß seine Meinung zu fußballfremden Themen zum Besten – am liebsten natürlich zur besten Sendezeit. In der ARD-Doku heißt es: "Aus dem bayerischen Ärgernis wird der kernige Botschafter des Anstands" und "Hoeneß hatte zu allem eine Meinung."
Karl-Heinz Rummenigge, selbst Vorstandsvorsitzender bei den Bayern, erinnert sich in der Dokumentation: "Als er so oft aufgetreten ist, habe ich mir gedacht: Ich weiß nicht, ob er sich damit einen Gefallen tut, weil Uli Hoeneß für die Medien und die Öffentlichkeit ein unglaublich polarisierender Mensch war.'"
Mit der "Steueraffäre Hoeneß" stürzte der Bayern-Manager dann tief. Hoeneß sagte in der ARD über die Zeit: "Ich habe einen riesigen Fehler gemacht. Mit meiner Selbstanzeige, spätestens als die Hausdurchsuchung bekannt wurde, war Polen offen, das war klar. So verrückt, das jetzt klingen mag, die Zeit im Gefängnis war nicht so schlimm wie die Zeit zwischen der Bekanntgabe der Hausdurchsuchung dem Prozess."
Er erinnert sich an den damaligen Medienrummel: "Wenn meine Frau mit dem Hund spazieren war, ist sie von zwei, drei Kameras begleitet worden." Rummenigge meint: "Ich hab Uli Hoeneß selten sprachlos erlebt, aber damals in der Zeit, das war die bitterste Stunde, die er in seinem Leben erlebt haben muss."
In der ARD-Dokumentation findet sich niemand, der ein böses Wort über den verurteilten Steuerhinterzieher findet. Auch BVB-Boss Hans-Joachim Watzke, der in der Liga zu den größten Rivalen der Bayern zählt, spricht von Hoeneß' Steuerbetrug und einem "großen Fehler".
Die Wörter "Straftat", "Steuerhinterziehung" oder "Steuerbetrug" kommen auch Hoeneß' designierten Nachfolger als Bayern-Präsident, Herbert Hainer, nicht über die Lippen.
Der Steuerhinterzieher Hoeneß kommt in der ARD-Dokumentation recht gut weg: Die Reporter nennen ihn "Vorzeige-Häftling", der in der Sendung von "über 5000 Briefen" Fanpost berichten darf, die er im Gefängnis bekommen habe. Oder auch von kleinen Geschenken seiner Mitinsassen während der Haftzeit.
Dass Hoeneß 2014 ein bemerkenswert mildes Urteil erhielt, erwähnen die Journalisten nicht. Um die sportlichen Qualitäten von Uli Hoeneß, der in den vergangenen fünfzehn Jahren ganze 13 Trainer ihr Glück mit der Profimannschaft versuchen ließ, ging es in der Dokumentation dann auch nicht mehr.
Dafür durfte Hoeneß in der ARD in einem Nebensatz unkommentiert die Verstrickungen von Bayern-Urgestein Franz Beckenbauer in der Sommermärchen-Affäre 2006 beiseite wischen.
Am Montagabend war in der ARD ein Mann zu sehen, dem es gelungen ist, nicht nur sein Image im FC Bayern, sondern in der ganzen Liga zu kontrollieren.
Die Journalisten ließen Hoeneß, der dem Aufsichtsrat der Bayern erhalten bleibt, über den sportlichen Dingen schweben: "Ein anderes Land, eine andere Zeit. Vielleicht auch das ein Grund für den Rückzug." Hoeneß so, heißt es in der ARD-Dokumentation, sei "ein Mann, den man am besten im Widerspruch versteht".
Stimmt.
Nur hätte man Hoeneß ruhig auch mal mit den vielen Widersprüchen seiner beruflichen Laufbahn konfrontieren können:
Am Ende der Dokumentation sind Archivbilder zu sehen: Der junge Bayern-Manager Hoeneß tritt ins gleißend helle Licht. Unscharf ist das Bild. Schmeichelhaft. Es dürfte Hoeneß gefallen haben.