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DFB-Debakel: Entlassung von Hansi Flick? Das wäre die falsche Entscheidung

20.06.2023, Nordrhein-Westfalen, Gelsenkirchen: Fu
Hansi Flick ist seit August 2021 Nationaltrainer. Aus insgesamt 24 Spielen holte er zwölf Siege, aktuell ist die Kritik an ihm groß.Bild: dpa / Federico Gambarini
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DFB-Debakel: Entlassung von Hansi Flick? Das wäre jetzt die falsche Entscheidung

21.06.2023, 12:06
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Die deutsche Nationalmannschaft steckt in der Krise. Das ist nach dieser Länderspielpause klarer denn je. Niederlagen gegen Polen und Kolumbien und ein Unentschieden gegen die Ukraine sind einfach zu wenig für das Team von Bundestrainer Hansi Flick.

Die Diskussionen um den Bundestrainer werden nun nach der letzten Pleite gegen die Südamerikaner immer lauter. Überhaupt: Die Bilanz der letzten zehn Deutschland-Spiele ist erschreckend. Das Team holte nur drei Siege, die allesamt nicht gegen Fußball-Großmächte waren. Der Beweis: 1:0 gegen den Oman vor der WM, 4:2 gegen Costa Rica in der Gruppenphase und ein 2:0 als Länderspielauftakt 2023 gegen Peru.

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Das sind alles Länder, die – wenn überhaupt – in der internationalen Mittelklasse einzustufen sind. Dazu kamen Niederlagen gegen Japan, Belgien, Polen, Kolumbien und die Unentschieden gegen England, Spanien und die Ukraine. Alles andere als ruhmreich. Und trotzdem wäre eine Entlassung von Hansi Flick die falsche Entscheidung. Abgesehen davon, dass sie auch nicht realistisch ist. Rudi Völler stellte sich bereits vor den 58-Jährigen, der seinerseits einen Rücktritt ausschloss.

Ein Fan-Plakat in der Arena auf Schalke forderte zwar das Ende der Flick-Ära, die bisher noch keine war. Trotzdem ist es richtig, an Flick festzuhalten. Warum?

"Das große Aber: Es gibt aktuell keinen besseren, deutschsprachigen Trainer auf dem Markt."

Zuerst vorweg: Der Bundestrainer hat auch für mich keinen Freifahrtschein. Auch ich bin negativ überrascht, wie schlecht die Nationalmannschaft aktuell spielt und wie wenig sie die Fans emotionalisiert. Vor allem mit der bevorstehenden Heim-EM in einem Jahr im Hinterkopf.

Das große Aber: Es gibt aktuell keinen besseren, deutschsprachigen Trainer – was beim DFB als Voraussetzung gesehen wird – auf dem Markt. Die drei großen deutschen Namen fallen raus. Jürgen Klopp hat vor einem Jahr in Liverpool bis 2026 verlängert. Die Fans der Reds stehen auf ihn. Klopp steht auf die Stadt und den Verein. Die gegenseitigen Liebesbekundungen haben auch nach der enttäuschenden abgelaufenen Saison (5. Platz) nicht aufgehört. Dass der ehemalige BVB-Coach irgendwann DFB-Trainer wird ist möglich, nicht aber vor 2026.

Der zweite deutsche Top-Trainer steht mit Thomas Tuchel seit Ende März beim FC Bayern unter Vertrag. Durch das Ausscheiden im DFB-Pokal und der Champions League hat sein Image zwar leichte Kratzer bekommen, trotzdem ist er tief in die Saisonplanung der Münchner involviert. Ein Engagement als Bundestrainer also wohl auch ausgeschlossen.

Die letzte logische Option liegt mit Julian Nagelsmann auf der Hand. Seit seinem Bayern-Aus Ende März ohne Job, wäre er zumindest frei. Gleichzeitig macht es den Anschein als wolle er zunächst die größten Klub-Trophäen gewinnen. Dass er sich mit 35 Jahren zum Teilzeit-Trainer einer Nationalmannschaft bereiterklärt, halte ich für extrem unwahrscheinlich.

DFB-Team in der Krise: Experimente sprechen für Flick

Seht ihr noch weitere Optionen? Ich nicht. Vielleicht käme Ex-Eintracht-Trainer Oliver Glasner in Frage. Der will aber erstmal eine schöpferische Pause einlegen und in anderen Sportarten hospitieren, bevor er sich eine neue Aufgabe sucht.

Aber nicht nur die Nachfolge-Regelung, die einfach nicht zu klären wäre, spricht für Flick. So komisch das klingen mag: Auch die Experimente sprechen für den aktuellen Bundestrainer. Ja, er hat jetzt drei Mal stur an der Dreierkette festgehalten. Ja, es ging drei Mal absolut in die Hose. Aber: Er hatte es vor der Länderspielpause angekündigt, dass die Spiele gegen die Ukraine, Polen und Kolumbien zum experimentieren sind.

Jetzt muss er die nötigen Schlüsse daraus ziehen: Dass die Viererkette für den aktuellen Kader besser geeignet scheint. Dass eine Nominierung von Niklas Süle oder vielleicht sogar Mats Hummels Sinn ergeben könnte. Dass er der Öffentlichkeit auch noch mehr seine Pläne erklären muss.

"Die Zeit der Experimente wird im September vorbei sein. Die Zeit der Ausreden und Entschuldigungen auch."

Trotzdem ist es mir lieber, Flick experimentiert jetzt und weiß dann bei der EM, dass er im entscheidenden Gruppenspiel oder der K.o.-Runde besser nicht auf Dreierkette umstellt. Der Aufschrei wäre viel größer, wenn die Nationalmannschaft jetzt drei souveräne Partien mit der Viererkette abgeliefert hätte und der Bundestrainer dann beim Heim-Turnier in einem Jahr auf Dreierkette stellen müsste – aus welchem Grund auch immer – und dann kläglich verliert.

Die Kritik, die Flick jetzt erfährt, kann ich nachvollziehen. Zu 100 Prozent. Dennoch werden sich die Positionen des DFB hoffentlich nicht ändern. Aber eine Sache ist klar: In der nächsten Länderspielpause im September zählt es.

Der Bundestrainer selbst kündigte nach dem Kolumbien-Spiel an: "Ab September werden wir uns einspielen, dann werden die Ergebnisse kommen." Die Zeit der Experimente wird gegen Japan (9. September) und Frankreich (12. September) vorbei sein. Die Zeit der Ausreden und Entschuldigungen auch. Liefern die Nationalmannschaft und Flick dann nicht, ist ein Festhalten nicht mehr zu begründen.

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