
Niko Kovač hat seinen Vertrag als BVB-Trainer verlängert.Bild: IMAGO images / Noah Wedel
Meinung
Niko Kovač hat seinen Vertrag beim BVB verlängert. Der Zeitpunkt der Verkündung überrascht und birgt aus Sicht des Klubs ein großes Risiko.
26.08.2025, 14:4626.08.2025, 14:46
Nein, von seinem schwarz-gelben Stuhl dürfte am Dienstagvormittag niemand gefallen sein, als der BVB um 10.32 Uhr über seine Kanäle informierte: Niko Kovač hat seinen Vertrag vorzeitig verlängert. Bis zum 30. Juni 2027 hat sich der Trainer an Borussia Dortmund gebunden. Und der Klub an seinen Coach.
"Niko hat sich seiner Aufgabe beim BVB mit Haut und Haaren verschrieben. Er ist ein Fußballfachmann mit klaren Prinzipien, grundehrlich, geradeaus in seiner Kommunikation und belohnt Leistung", wird Lars Ricken, Geschäftsführer Sport, in der Vereinsmitteilung zitiert.
Entscheidender aber ist Rickens zweiter Satz: "Unter seiner disziplinierten Leitung haben wir wieder in die Erfolgsspur gefunden." Er meint natürlich den famosen Lauf im letzten Viertel der vergangenen Saison. Als die Dortmunder 22 von 24 möglichen Punkten geholt haben und so vom elften doch noch auf den vierten Tabellenplatz geklettert sind.
Diese Aufholjagd kommt in der 21 Zeilen umfassenden Pressemitteilung zur Vertragsverlängerung mit Niko Kovač gewiss nicht zu kurz. Gleich zum Einstieg wird sie klar benannt, Ricken verweist auf sie und auch Sebastian Kehl greift sie auf.
Neuer BVB-Vertrag für Niko Kovač seit Saisonende im Gespräch
Und das durchaus zu Recht: Diesen Sprung nach oben hatte den Borussen praktisch niemand mehr zugetraut. Die Anstellung von Niko Kovač hatte im Februar wahrlich nicht die große Euphorie in Dortmund geweckt. Am Ende aber ging der Plan für die Saison auf. Der gebürtige Berliner führte den BVB darüber hinaus noch ins Viertelfinale der Champions League sowie der Klub-WM.
"Was Niko geleistet hat, ist eine der größten Trainerleistungen des BVB", sagte Ricken bereits nach dem Bundesliga-Finale und öffnete damit Tür und Tor für eine vorzeitige Vertragsverlängerung des ursprünglich bis 2026 datierten Kontrakts.

Lars Ricken (l.) ist ein großer Befürworter von Niko Kovač (r.).Bild: dpa / Bernd Thissen
Im Sommer folgten entsprechende Berichte, von einer schnellen Verkündung war aber nicht auszugehen. Die "Sport Bild" vermeldete im Juli etwa, dass sich Niko Kovač und die Dortmunder Chefetage erst im Herbst zusammensetzen wollen.
Der BVB hat auch unter Niko Kovač immer noch Probleme
Nun mutet das Wetter dieser Tage zwar wenig sommerlich an, weder kalendarisch noch meteorologisch sind wir aber schon im Herbst angekommen. In Dortmund hat man also offenbar umgedacht, womöglich war dieser eine Bericht aus dem Juli auch nicht ganz korrekt. Haarspalterei. Viel entscheidender: Der frühe Zeitpunkt der Vertragsverlängerung birgt ein großes Risiko.
Denn in der Rückbetrachtung kommt der BVB zu gut weg. Ja, Niko Kovač hat die Mannschaft stabilisiert, fitter gemacht und mit seiner Präsenz wohl auch sehr den Fokus vom Team genommen. Das hat dem talentierten, verunsicherten BVB-Kader enorm geholfen.
Die Borussia hat zugleich aber auch im besonderen Maße von der stolpernden Konkurrenz profitiert. Mit 57 Punkten war der BVB der schlechteste Bundesliga-Vierte seit 2018 – seinerzeit genügten den Dortmundern sogar nur 55 Zähler für den Einzug in die Champions League.
Ricken hat bereits die Rückkehr zu "attraktivem Fußball" ausgemacht, was suggeriert, dass er bei der Klub-WM ähnlich gerne zugeschaut hat wie das Gros der US-Bürger:innen in den halb leeren Stadien. Beim Fifa-Turnier stolperte der BVB den leichtesten nur erdenklichen Turnierpfad entlang, bis im Viertelfinale mit Real Madrid ein tatsächlicher Gegner wartete.

Offiziell kein Geisterspiel: das Klub-WM-Duell vom BVB und Ulsan HD.Bild: IMAGO images / Imagn Images
Und auch der Saisonstart wirft eher Fragen auf, als dass er die Dortmunder Ambitionen unterstreicht: ein mühsames wie glückliches 1:0 im DFB-Pokal bei Drittligist Essen, dazu ein 3:3 zum Ligastart gegen St. Pauli.
Kreativität, Zentrum, Intensität: Niko Kovač muss Antworten finden
Wie schon so oft in den vergangenen Jahren ist nicht ganz klar, wie der BVB überhaupt tief stehende Gegner bespielen will. Und auf solche treffen die Schwarz-Gelben regelmäßig. Ebenfalls offen: Wie ist denn nun eigentlich die ideale Besetzung im Mittelfeld?
Niko Kovač rotiert hier seit Monaten hin und her, mit Carney Chukwuemeka bekommt er wohl eine weitere kostspielige Option. "Wo sind die Stammspieler?", fragte sich Lothar Matthäus jüngst in seiner Sky-Kolumne ob der anhaltenden Rotation. Der TV-Experte gab dem BVB-Trainer dabei einen Rat mit auf den Weg:
"Kovač darf nicht die ganze Zeit zu viel im Mittelfeld und Angriff wechseln, sondern sollte sich festlegen und diesen Spielern dann Vertrauen schenken."
Der Coach muss Antworten liefern und zeigen, dass er die Dortmunder auch nachhaltig zum Erfolg führen kann. Dass der BVB mehr kann, als Fehler des Gegners auszunutzen. Dass er mehr als die individuelle Klasse eines Serhou Guirassy ist.
Zumal die Intensität, ein oft gepredigter Faktor unter Niko Kovač, ob der kurzen Sommervorbereitung im Laufe der Saison zum Problem fürs eigene Team werden dürfte.
Die Klubbosse glauben daran, dass all das unter dem Deutsch-Kroaten gelingen wird. Bleibt die Entwicklung aber aus, könnte es im Winter oder im nächsten Frühjahr ein teures Erwachen in Form eines weiteren Trainerwechsels mitsamt Abfindung geben.
Dieser Vorschuss an Vertrauen ist zugleich nicht ungewöhnlich beim BVB. Sebastian Kehl erhielt Anfang des Jahres einen neuen Vertrag, obwohl er als Sportdirektor wiederholt den Beweis schuldig geblieben ist, einen ausbalancierten Kader zusammenstellen zu können.
Borussia Dortmund geht mit dieser frühzeitigen Vertragsverlängerung also ein Risiko ein. Aber ob der Plan damit auch zum Scheitern verurteilt ist? Niko Kovač hat uns dieses Jahr schon einmal eines Besseren belehrt.
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