Florentino Perez hat in seinem Leben schon einige spektakuläre Deals eingefädelt. Zwischen 2000 und 2006 machte der Präsident seinen Fußballklub Real Madrid dank der jährlichen Verpflichtungen der größten Fußball-Stars zu den "Galaktischen". Im Sommer 2009 landete der Bauunternehmer dann den nächsten Coup und verpflichtete mit Cristiano Ronaldo und Kaká zwei der damaligen Top-3-Spieler der Welt. Doch in den vergangenen Transferphasen agierten die Spanier eher zurückhaltend, zudem riss Corona ein riesiges Loch in die Vereinskassen. Die aktuellen Einnahmeverluste bedrohen auch weitere europäische Top-Vereine.
Also plante Perez gemeinsam mit Andrea Agnelli, dem Präsidenten von Juventus Turin, das nächste große Ding: die Super League. Ein geschlossener Wettbewerb nur für die absoluten Spitzenmannschaften des europäischen Fußballs. Jede Woche ein europäisches Top-Spiel. Der Traum eines jeden Fußballfans. Das dachten zumindest die beiden Präsidenten. Sie dachten aber natürlich auch an die horrenden TV-Erlöse und neuen Marketingmöglichkeiten, die ihnen die Super League bieten sollte.
Kleiner Spoiler: das Projekt scheiterte innerhalb von nur 48 Stunden seit Verkündung krachend. Die Schadenfreude am Dienstagabend und Mittwochvormittag war riesig, nachdem bekannt wurde, dass sich immer mehr Vereine aus dem Vorhaben wieder zurückziehen. Der Druck der Fans und selbst der Politik wurde einfach zu groß. Das heißt aber nicht, dass es demnächst neue Anläufe zu einer Super League geben wird.
Spieler lehnten das Vorhaben ab, Star-Trainer wie Pep Guardiola und Jürgen Klopp machten ihre Abneigung deutlich und vor allem die Fans protestieren lautstark und für die Bosse der Vereine aus England, Spanien und Italien unübersehbar. In Liverpool verbrannten die Anhänger beispielsweise Trikots ihres vermeintlichen Herzensvereins.
Der Tenor mancher Kommentare: Der Fußball wurde gerettet und kann nun wieder in eine hoffnungsvolle Zukunft blicken, in der traditionelle Wettbewerbe wie die nationalen Ligen und die Champions League von Klub-Eigentümern, Scheichs und Präsidenten die angemessene Wertschätzung erfahren.
Naja, fast. So einfach ist es leider nicht. Die Investoren und Scheichs wollen mit dem Fußball weiterhin Geld verdienen. Ob in einer elitären Liga, durch die nationalen TV-Einnahmen oder durch Prämien in der Champions League ist ihnen vollkommen egal.
Schließlich machte Reals Präsident Perez bereits deutlich, wie hoch der Schuldenberg der "Königlichen" ist: "2024 werden wir nicht mehr existieren", sagte er im spanischen Fernsehen. Gut, dass sich Real in dieser Lage die Dienste von David Alaba leisten kann, der selbst dem finanziell gut aufgestellten FC Bayern zu teuer war. Borussia Dortmunds Stürmerstar Erling Haaland für mindestens 100 Millionen Euro nicht zu vergessen. Ach, Angreifer Kylian Mbappé (Marktwert 160 Millionen Euro) soll auch nach Madrid kommen.
Hätten sich die zwölf Top-Klubs nicht so amateurhaft in Sachen Kommunikation, Timing und Wirkung ihres Putschversuchs angestellt, könnte man meinen, die ganze Nummer sei von FIFA und UEFA am Reißbrett durchgeplant gewesen. Jetzt sind die Fans beruhigt, die Verbände konnten an ihren zweifelhaften Ruf aufpolieren und selbst die zwölf vermeintlichen Top-Klubs gehen als Sieger aus diesen Diskussionen hervor.
Die UEFA konnte sich mit ihrer Champions-League-Reform, die durch ihr Ausmaß nur knapp hinter der Super League anzusiedeln ist, als Retter des Vereinsfußballs präsentieren. Die FIFA (!) konnte klarstellen, dass sie die wahren Werte des Fußballs vertrete und drohte den abtrünnigen Klubs mit "Konsequenzen". Je öfter man diesen Satz liest, desto absurder wird er. Man denke nur an die Bestechungsskandale um Ex-Präsident Blatter oder die anstehende WM in Katar.
Die Fans bekamen durch ihre lautstarken Proteste das Gefühl, doch gehört zu werden. Ihr Eindruck: Im Milliardengeschäft Fußball zählt also doch noch die Meinung des kleinen, treuen Fans, der seit Jahrzehnten seinem Klub die Treue hält.
Und selbst Paris Saint-Germain – das seit Jahren mit Milliarden aus Katar unterstützt wird – kann nun offen betonen, wie wichtig dem Klub der nationale Wettbewerb ist. Auch, wenn sie dort eigentlich konkurrenzlos sind.
Auch die zwölf Klubs konnten sich geläutert geben, für ihren "Fehler" um Entschuldigung bitten und der Fußball-Welt den Eindruck vermitteln, dass sie verstanden hätten, worum es geht.
Vom Tisch ist die Super League trotz der Rückzieher der Klubs noch nicht. Im Gegenteil: Bei einem weiteren Versuch wird der Aufruhr nur nicht so groß sein. Dass die vorher eher leere Androhung: "Wir gründen eine Super League mit allen europäischen Top-Teams", schnell wahr werden kann, dürften jetzt alle mitbekommen haben.
Zumal die Klubs über einige Ecken am Ende doch das bekommen, was sie am Ende wollen: mehr Geld. Es war ein cleverer Schachzug zu verkünden, dass die US-Investmentbank JPMorgan die Super League mit 3,5 Milliarden Euro unterstützen würde. So versprach UEFA-Boss Aleksander Ceferin im Rahmen der Champions-League-Reform ebenfalls zusätzliche Einnahmen im dreistelligen Millionenbereich.
Die zwölf Klubs, sofern sie denn in der Königsklasse vertreten sind, nehmen die zusätzlichen Prämien durch die Champions-League-Reform gerne mit und werden im Hintergrund an den richtigen Stellschrauben für ein Update der Super League drehen. "Wir werden die angemessenen Schritte erwägen, um das Projekt umzugestalten", gaben die Organisatoren am Mittwoch bekannt.
Das war definitiv nicht der letzte Versuch, diese elitäre Liga zu gründen. Es muss schließlich zusätzliches Geld her, wenn jedes Jahr neue Stars für noch mehr Spektakel sorgen sollen. Egal, ob Fans im Stadion sind oder nicht. Florentino Perez kennt sich damit bestens aus.