"Ruhe in Frieden mit dem Herrn", schrieb Felix Nmecha in seiner Instagram-Story, dazu ein Schwarz-Weiß-Foto von Charlie Kirk. "So ein trauriger Tag. Möge der Herr der Familie Kirk beistehen." Wenig später folgte ein zweiter Post: "Jesus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Die Ermordung eines zweifachen Vaters und Ehemanns, eines Mannes, der friedlich für seine Überzeugungen und Werte einsteht, zu feiern, ist wirklich böse."
Worte des Mitgefühls, formuliert nach dem Mordanschlag auf den rechtskonservativen US-Aktivisten Charlie Kirk, der bei einem öffentlichen Auftritt erschossen wurde.
Zunächst lässt sich an diesen Sätzen schwerlich Anstoß nehmen. Wer Schadenfreude über eine tödliche Gewalttat verspürt, verrät ein fragwürdiges Menschenbild. Es gehört zu einer zivilisierten Gesellschaft, den Tod nicht zu verhöhnen. Insofern wirkt Nmechas Empörung nachvollziehbar: Gewalt darf nicht bejubelt werden.
Doch der Kontext macht den Unterschied. Charlie Kirk war nicht nur das Opfer eines Attentats, sondern ein politischer Agitator. Er vertrat ein Weltbild, das Frauen auf die Rolle der Hausfrau reduziert, Abtreibung selbst nach Vergewaltigungen ablehnt und Transmenschen ihre Existenz abspricht.
Dazu kamen Klagen über einen vermeintlichen "antiweißen Rassismus", Warnungen vor einem "Bevölkerungsaustausch" und Forderungen nach einer ideologischen Säuberung der Universitäten. Kirk war damit keine neutrale Figur, sondern ein Aktivist, der gesellschaftliche Vielfalt nicht als Gewinn verstand, sondern als Gefahr.
Hier liegt der wunde Punkt von Felix Nmecha. Schon bei seinem Wechsel von Wolfsburg nach Dortmund 2023 schlugen Wogen der Kritik hoch, weil er auf Instagram Inhalte geteilt hatte, die als queer- und transfeindlich gedeutet wurden.
Fans liefen Sturm, sogar ein Sponsor meldete Bedenken an. Der Grund lag weniger im Spielerischen als in Nmechas digitalen Spuren. Auf Social Media setzte er "Pride" mit dem Teufel gleich und teilte ein Video des US-Kommentators Matt Walsh, dessen Markenzeichen transfeindliche Tiraden sind.
Der Verein soll daraufhin eine Vertragsklausel installiert haben, die Millionenstrafen vorsieht, sollte Nmecha die eigenen Werte erneut unterlaufen. Er selbst versuchte, die Vorwürfe zu relativieren: Manches sei aus dem Kontext gerissen, er sei Christ, liebe alle Menschen und diskriminiere niemanden. "Ich hoffe, dass die Fans mir die Chance geben, um mich kennenzulernen", teilte er mit.
Doch in den Jahren darauf lieferte er selbst einige Belege, wie wenig Missverständnis im Spiel war. Während der Klub-WM kursierten Videos, in denen neben Nmecha ein Buch mit dem Titel "Understanding the Purpose and Power of Women. God’s Design for Female Identity" zu sehen war.
Es stammt aus der Feder von Myles Munroe – einem Autor, der der LGBTQ-Bewegung vorwirft, die Bürgerrechtsbewegung "gekapert" zu haben, um eigene Forderungen nach Gleichstellung durchzusetzen. Er beschreibt Frauen mitunter als "Rohmaterial", das von Männern geformt werden müsse.
Es gibt berechtigte Zweifel um Nmecha. Und sie verstärken sich: Hat er wirklich verstanden, dass zwischen privatem Glauben und öffentlicher Verantwortung ein Unterschied liegt? Und dass Diskriminierung gegen Minderheiten nicht einfach als Teil seines Glaubens abgetan werden kann?
Nmecha ist kein Privatmann auf einer Kirchenbank, sondern Angestellter eines Vereins, der sich Vielfalt auf die Fahne schreibt und sich kurz vor der Kommunalwahl in Dortmund gegen rechtes Gedankengut positioniert. Jenes Gedankengut, das Charlie Kirk propagierte und dem Nmecha nun öffentlich nachtrauert.
Nochmal: Mitgefühl mag menschlich sein, doch die Verklärung Charlie Kirks ist politisch und fatal zugleich. Sie widerspricht dem Wertekanon, den Borussia Dortmund sich selbst auferlegt hat und mit dem sich der Klub seit Jahren schmückt: Vielfalt, Toleranz, Offenheit.
Wer diese Prinzipien ernst nimmt, kann keinen Spieler halten, der immer wieder Personen ehrt, die eben jene Vielfalt ablehnen.
Genau hier liegt das Problem. Für Nmecha mag der Glaube privater Kompass sein – und das sei gesagt, darf er auch sein – doch in der Öffentlichkeit wird er zur politischen Botschaft, die quer steht zu dem, wofür sein Verein stehen will.
Der BVB muss sich deshalb entscheiden: für seine Werte – oder für Felix Nmecha. Beides zusammen geht nicht.