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Paralympics 2024: Wer hinter den Medaillen der deutschen Schwimmer steckt

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Mira Maack holte bei den Paralympics in Paris eine Medaille für Deutschland. Bild: imago images / Ralf Kuckuck
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Paralympics 2024: Wer hinter den Medaillen der deutschen Schwimmer steckt

27.09.2024, 08:14
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"Das ist alles eine große Blase und ich glaube, zwei bis vier Wochen nach den Paralympics redet wieder keiner drüber", erklärt Schwimmtrainer Matthias Ulm an einem sonnigen Nachmittag im August in einem Berliner Café. Gut 1000 Kilometer entfernt schwimmen in Paris gerade Mira Maack und Elena Krawzow um paralympische Medaillen – und holen am Ende tatsächlich einmal Bronze und einmal Gold für Deutschland.

Wenige Wochen später wird es Fotos von Ulm und Maack auf Instagram geben, die allerdings nur knapp 1000 Follower:innen erreichen. In einer Menge aus jubelnden Kindern und Erwachsenen werden die Schwimmer:innen aus Paris darin am Berliner Flughafen empfangen. "Ich bin sozusagen der Durchlauferhitzer dafür, dass die Leute dann irgendwann so was erleben können", schmunzelt Ulm im Gespräch mit watson.

Er hat Maack einst selbst trainiert. Klingt bis hierher nach einer schnell auserzählten Geschichte über den Leistungssport. Ist es aber nicht. Denn "um wirklich Leistungssport treiben zu können, brauchen wir einfach viel mehr Unterstützung und Zeitaufwand", betont Mira Maack gegenüber watson. "Vor allem von den Trainern."

Integration im Leistungssport: Berliner Schwimmteam als Pilotprojekt?

Was sie damit meint, ist nicht etwa fehlendes Interesse vonseiten der Trainer:innen. "Der normale Trainer im Leistungssport – wenn er seinen Job wirklich ernst nimmt – ist 50 bis 60 Stunden in der Woche beschäftigt", betont Ulm. Die Folge: Für viele angehende Trainer:innen ist beispielsweise der Lehrerjob attraktiver, die Abwanderungsquote beträgt ihm zufolge knapp 50 Prozent.

Matthias Ulm selbst leitet seit mehr als 20 Jahren den Berliner Stützpunkt für Para-Schwimmen, seit 2008 gibt es das Berliner Schwimmteam. Der Vereinswebsite zufolge handelt es sich dabei um das "erfolgreichste integrative Trainingszentrum für paralympisches Schwimmen in Deutschland".

Aber wie genau funktioniert Integration im Bereich Individualsport, wo es doch eigentlich vor allem um Wettbewerb, Konkurrenzdenken und eben "das liebe Geld" geht?

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"Wir bieten den Sportlern Wege in unsere Gesellschaft, die sie ansonsten als beeinträchtigte Menschen in unserem Land einfach nicht bekommen", erklärt Matthias Ulm mit einer gewissen Wut in der Stimme. Im Berliner Schwimmteam kann schwimmen, wer will, ob Menschen mit oder ohne Behinderung, und auch solche, die etwa für die Paralympics gar nicht zugelassen werden.

Denn Menschen mit Autismus etwa oder auch Personen mit einer Hörbehinderung erfüllen die Minimalanforderungen für den paralympischen Sport nicht. Eine Mitgliedschaft in Sportvereinen wird diesen Menschen aber ebenso häufig verwehrt.

Auch Mira Maack berichtet, dass zu Beginn ihrer Laufbahn als Schwimmerin generell kaum Vereine für Para-Schwimmen zur Verfügung standen. Durch aktive Werbung und Infoveranstaltungen an Förderschulen hat das Berliner Schwimmteam sich hier über die Jahre ein scheinbar einzigartiges System aufgebaut.

Seit Jahren setzt sich das Berliner Schwimmteam daher dafür ein, auch andere Vereine zu motivieren, parallel zu anderen Kursen auch Gruppen für Kinder mit Beeinträchtigungen anzubieten. "Aber das ist leider noch die Ausnahme", erklärt Ulm.

Förderung im Para-Sport: "eine Katastrophe"

Der Grund hierfür ist einerseits der erhöhte Betreuungsaufwand in einem System, das seit der Corona-Pandemie ohnehin schon überlaufen ist. Für eine Gruppe aus Menschen mit verschiedensten Beeinträchtigungen bräuchte es mindestens zwei Trainer:innen, eigentlich auch noch Begleitpersonen für einzelne Athlet:innen sowie ein gesamtes Team inklusive Physiotherapeut:innen.

Aber allein beim Berliner Schwimmteam lässt das die finanzielle Lage nicht zu. "Für das, was wir tun, haben wir derzeit durch staatliche Stellen ungefähr einen Finanzierungsanteil von 40 bis 60 Prozent", erklärt Ulm. Für den Rest ist der Verein auf Spenden, meist vonseiten der Familien der Sportler:innen angewiesen.

Denn Partner in der Wirtschaft zu finden, ist demzufolge "mit dem deutschen Sponsorensystem eine Katastrophe". Feste Sponsoren hat das Team nur einen einzigen, verschiedene Stellen helfen zudem regelmäßig mit Sachspenden.

Genau hier zeigt sich dann auch, was bei den Paralympics oft untergeht: Wahre Integration erfordert eine Menge Herzblut. "Natürlich sind wir in dem System alle ein bisschen hirnverbrannte Idealisten", meint Matthias Ulm. Sein Antrieb ist aber eigentlich ein anderer: "Ich will die Hymne hören, die sportliche Leistung steht immer ganz vorn."

"Aber um Sportler überhaupt auf das Niveau von einer Elena oder einer Mira zu bringen, muss ich den Sportler erst in vielen anderen Bereichen ermächtigen", erklärt er weiter. Denn im Vergleich seien die gesellschaftlichen Herausforderungen für Menschen mit Behinderung deutlich größer als jene im Para-Sport per se.

Den Blick auf die Dutzenden Autos gerichtet, die an diesem Sommertag an dem Café vorbeifahren, findet Matthias Ulm hierfür auch eine Begründung. "Jedem Menschen ist bewusst, dass wir nur einmal über die Straße gehen und nicht aufpassen müssen, dann betrifft uns das auch", sagt er, hinter ihm heult fast wie auf Knopfdruck der Motor eines Sportwagens auf.

"Der Paralympische Sport braucht immer noch mehr Aufmerksamkeit und dafür brauchen wir auch mehr Unterstützung durch die Medien", unterstreicht indes Mira Maack. In Bezug auf den Förderungsbedarf spricht sie allerdings vom olympischen wie vom paralympischen Sport. Das Wort Integration hat man eben beim Berliner Schwimmteam tatsächlich verstanden.

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