Timo Hampel will raus auf den Tennisplatz. "Ich will nicht in Werkstätten sein, nur weil ich eine Behinderung habe. Das ist nicht mein Ding. Ich will raus aus diesem Behinderungskram. Ich will eine Herausforderung", macht der 26-Jährige in der Dokumentation "All Inclusive", die ihn die vergangenen vier Jahre auf dem Weg zu den Special Olympic World Games in Berlin begleitet hat, deutlich.
Seit Samstag schlägt Timo im Einzel und Doppel mit seiner Schwester in Berlin auf. Das Training dafür lief bei ihm seit Wochen auf Hochtouren: In jeder freien Minute spielte er mit Freunden, in seinem Hamburger Tennisverein und mit dem Nationalteam.
Großartige Gedanken um seine kommenden Gegner macht er sich noch nicht. "Wir wollen uns nur auf uns konzentrieren, nicht auf die anderen", sagte er im Gespräch mit watson deutlich.
Und wenn es nach Timo geht, sollen die Wettkämpfe in Berlin nicht die einzigen sein, an denen er teilnimmt.
Auf dem Tennis-Platz wird ihn jedoch zunächst seine Schwester Sina bei den Einzelspielen vom Rand anfeuern, im Doppel stehen sie dann gemeinsam auf dem Feld.
Dabei gibt es lediglich eine Vorgabe. Als Unified Partnerin ohne Beeinträchtigung darf die 23-Jährige keine Bälle spielen, die ihr Bruder nicht auch spielen könnte. Ihr gehe es viel mehr darum, ihren Bruder zu unterstützen, damit er die Punkte selbst machen könne, sagte sie dem Deutschen Tennis Bund.
Für Timo ist es eine schöne Erfahrung, gemeinsam mit seiner Schwester bei so einem riesigen Event zu spielen. "Die Hauptsache ist, dass wir Spaß haben. Sie spielt natürlich auch ziemlich gut Tennis und wir haben ein blindes Vertrauen zueinander", erzählt er.
Dieses Verhältnis ist auch gut in der "All Inclusive"-Dokumentation zu sehen, die das Geschwisterpaar unter anderem beim gemeinsamen Training zeigt. Zudem ist die jüngere Schwester für Timo da, wenn es im Einzel oder mit einem unbekannten Doppelpartner mal nicht so läuft.
Dass ihn die Kamera im Rahmen der Dokumentation vier Jahre lang begleitete, war für Timo kein Problem. Schließlich rief er nach einer Anzeige der Filmemacher in der Zeitung selbst an, um Protagonist des Films zu werden.
Die Zeit sei mitunter zwar anstrengend gewesen, "doch es war toll, wie Timo auch mit Niederlagen vor der Kamera umgegangen ist", lobt seine Mutter Cornelia. "Aber wir wollten auch bewusst die Aufmerksamkeit auf dem Thema Inklusion haben und darstellen, dass es ein Gewinn ist, wenn man Menschen mit Behinderung dabei hat."
Auch Timo ist mit dem Ergebnis überaus zufrieden: "Ich wollte meine Erfahrungen im Sport teilen. Und Inklusion ist ein wichtiges Thema." Wenige Tage vor Beginn der Special Olympics war seine Stimmung vor allem von der Vorfreude auf den Wettbewerb in Berlin geprägt.
"Wir sollten so etwas viel öfter machen. Es sollte viel mehr größere Turniere geben", fordert Timo im watson-Interview. "Endlich liegt die Aufmerksamkeit mehr auf uns – auf Menschen mit Behinderung. Endlich sind wir einmal sichtbar."
Wie wichtig dem Tennis-Ass dieses Thema ist, zeigen auch die Videos auf seinem Youtube-Kanal. Dort geht es natürlich auch um Sport, doch zudem will der 26-Jährige auf das Thema Inklusion in verschiedenen Bereichen aufmerksam machen.
Für neue Videos auf dem Kanal wird während des Wettbewerbs keine Zeit sein. "Wenn die Spiele sind, konzentriere ich mich auf mich", sagt er. Gefilmt wird aber dennoch: "Wenn die World Games vorbei sind, wird es ein großes Youtube-Video von mir geben", kündigt er an.
Dass der Sport auch in seinem beruflichen Alltag eine wichtige Rolle spielt, machte Timo während seiner Jobsuche in der "All Inclusive"-Dokumentation deutlich.
Dort wird schnell klar, dass ihn die reine Büroarbeit nicht erfüllt. Den Job als Veranstaltungsbegleitung bezeichnet er mit einem Lächeln als "fies", da er selbst nicht aktiv sein kann.
Doch mittlerweile hat er einen Beruf gefunden, in dem er aktiv sein, im Büro arbeiten und sich weiter für das Thema Inklusion einsetzen kann. Für das Hamburger Mode-Start-Up Isociety, das ihren Fokus auf Inklusion legt, erledigt er PR- und Büroarbeiten und steht als Model vor der Kamera.
Da ihm das jedoch nicht genug ist, hat er mit seiner Chefin eine Inklusions-Taskforce ins Leben gerufen. Schließlich möchte Timo unbedingt den Hauptschulabschluss machen, doch die Politik verhindert das bisher.
So gibt es in Hamburg ein Projekt, das erforscht, wie man unter den Bedingungen von Trisomie 21 lernt und lehrt. "Doch dafür werden immer wieder Gelder gestrichen. Das macht einen stetigen Lernerfolg schwierig", erklärt seine Mutter.
Etwas, das Timo nicht auf sich sitzen lassen möchte. "Wir werden von den Behörden weggestoßen, daher finde ich, dass die Politik mehr machen sollte." Doch zunächst gilt die volle Konzentration den Special Olympics in Berlin.