
Ziad Gornasa präsentiert eine kleine Auswahl der Trikots in seinem Laden.bild: jan schultz
Vor Ort
Ziad Gornasa ist in Libyen geboren, kam als Kind nach Berlin. Der Fußball hat ihm geholfen, sich zu integrieren. Mit 21 Jahren ebnet er ihm nun den Weg in die Selbstständigkeit. Der Trikotsammler hat einen eigenen Laden eröffnet.
23.03.2025, 14:1924.03.2025, 17:30
Ein klarer Frühlingstag in Berlin bietet zahlreiche Möglichkeiten. Man kann die Laufschuhe wieder aus dem Keller holen, ein erstes Eis in der Sonne genießen oder sich einfach mal wieder mit Freunden im Park treffen. Man kann es aber auch wie die weit über 100 Fußballfans machen, die am Anfang März nach Wilmersdorf getingelt sind und sich dort stundenlang anstellen. Wofür? Für alte Fußball-Trikots.
Denn in der Gasteiner Straße 8 hat an diesem Tag ein neuer Laden eröffnet, der auf die Arbeitskleidung von Fußballprofis spezialisiert ist. Dieses Stück Stoff, das für viele Sammler:innen und Fans längst schon mehr als nur ein sportliches T-Shirt ist.
Ziad Gornasa verkauft in 44Trikots vor allem Vintage-Trikots
Es ist die emotionale Verbindung zum Verein, zu einem Spieler, zu einer bestimmten Zeit. Es ist aber auch hip, denn das Tragen von Trikots im Alltag ist modisch. Blokecore nennt sich der Trend, dem auch Ziad Gornasa verfallen ist.
Ihm gehört der neueröffnete Laden, der auf den Namen 44Trikots hört. Dahinter steckt weder markiges Marketing noch aufwendige Agenturarbeit. "Das ist mein alter PSN-Username", erklärt Ziad im watson-Interview. Dieser wiederum basiert auf seinem Geburtstag.
Der Name ist authentisch wie der Laden selbst. Er ist aber auch etwas zufällig – so, wie der 21-Jährige in dem Business gelandet ist. Eigentlich, so erinnert sich Ziad sehr lebhaft zurück, hatte er immer andere Vorstellungen. Klar, der Fußball sollte es schon sein.
"Am liebsten als Profi, als Kind wollte ich unbedingt im Camp Nou spielen." Da, wo einst Lionel Messi, Xavi oder Ronaldinho zauberten.

Lionel Messi (l.) und Xavi (r.) spielten jahrelang gemeinsam für den FC Barcelona.Bild: epa / Alejandro Garcìa
Mit 13 Jahren holte ihn die Realität ein, ein Schülerpraktikum bei OneFootball lockte ihn stattdessen auf die journalistische Schiene. Nach dem Abitur wechselte er dann aber doch noch einmal das Gleis, entschied sich für ein Studium auf Lehramt.
Ein Auslandssemester führte ihn dabei nach Manchester, ins Epizentrum der Vintage-Trikots. Es war der Funke, den Ziad, bis dahin vor allem passionierter Sammler von Hertha-Trikots, gebraucht hatte:
"In der Uni hatte ein Typ einen Stand und hat unter anderem ein Hertha-Trikot mit Otelo-Sponsor für 50 Pfund verkauft. Ich war felsenfest überzeugt, dass das in Deutschland mindestens 90 Euro kosten würde. Ich hab’s mitgenommen. Über eBay habe ich noch viele weitere Trikots gekauft. Am Ende bin ich mit zwei Koffern zurückgekommen: einer mit meinen Sachen, einer nur mit Trikots aus England. In Deutschland ging die Sucht dann weiter."
Von einem Shop aber war Ziad zu dem Zeitpunkt noch ein gutes Stück entfernt. Stattdessen präsentierte er seine Sammlung, die zu Höchstzeiten 150 Exemplare umfasste, auf Instagram. Mit der Zeit aber häuften sich Anfragen, ob er einzelne Trikots nicht auch verkaufen würde.
Über Vinted stillte er den Hunger der ersten Interessenten, schnell aber erkannte der 21-Jährige die Möglichkeit und baute einen eigenen Onlineshop. Für diesen kaufte er nun gezielt ein, was ihm mehrere Drops und in der Folge gar einen Pop-up-Store in Berlin ermöglichte.
In Libyen geboren, als Kind nach Berlin gekommen
"Das hat am Ende geholfen, um auch meine Eltern zu überzeugen", erinnert sich Ziad an seinen eintägigen Store im Jahr 2024 zurück. "Da sind reale Menschen, die sich für meine Trikots anstellen. Das hat meinen Vater überzeugt, dass ich auf dem richtigen Weg bin."
Seine Eltern unterstützten ihn von da an vollends, auch finanziell. Das ist nicht selbstverständlich, denn Ziad kommt nicht aus einem Haushalt Selbstständiger.
Vor fast 20 Jahren ermöglichte es ein Stipendium der Familie, nach Deutschland zu kommen. Denn eigentlich stammen Ziad und seine Eltern aus Libyen.
"Wir sind nach Berlin gekommen, als ich vier Jahre alt war. Kurz darauf ging der Bürgerkrieg los", erinnert sich der 21-Jährige. Leicht war diese Zeit für ihn im damals noch fremden Land nicht:
"Ich konnte kein Wort Deutsch. Als ich in die Grundschule gegangen bin, war mein Deutsch auch noch nicht so gut. Ohne Fußball wäre es echt schwer geworden, Freunde zu finden. Um Fußball zu spielen, musst du keine Sprache sprechen. Du haust einfach gegen den Ball, man versteht sich und hat Spaß."
Die Zeit verging, die Familie blieb, heute sieht sich Ziad komplett als Berliner. Und das nicht nur, weil Hertha BSC sein Lieblingsklub ist. In seinem Laden ist das nicht zu übersehen. Hinter der Verkaufstheke hängt ein riesiger Stadionplan vom Olympiastadion. "Den habe ich aus einem Fanshop bekommen, da habe ich eine Zeitlang gearbeitet", berichtet der 21-Jährige.
Maximilian Mittelstädt hat schon seinen Ladenbesuch angekündigt
Andere Dinge hat er indes von Flohmärkten, Kleinanzeigen oder aus dem eigenen Inventar: ein blau-weißes Waffeleisen, ein Teddybär oder auch eine Dose für die Zahnbürste.
Einen Ehrenplatz nimmt das Trikot von Maximilian Mittelstädt ein. Der DFB-Profi überreichte Ziad zu Hertha-Zeiten ein Matchworn-Trikot, also ein Shirt, das er während eines Spiels getragen hat. Es hängt gerahmt an der Wand.

Trikots von Maximilian Mittelstädt und Linus Gechter hängen gerahmt an der Wand.bild: jan schultz
Die Verbindung kam im Fanshop von Hertha zustande, Ziads damaliger Chef ist ein Freund des Nationalspielers. "Er war öfter im Fanshop, wir haben uns nett unterhalten und zusammen FIFA-Packs geöffnet", erinnert sich der 21-Jährige.
Ziad hatte aber auch kürzlich Kontakt mit dem DFB-Profi: "Maximilian Mittelstädt kommt auf jeden Fall vorbei. Er hat mir schon zugesagt." An einer Pinnwand soll Platz für etwaige Fotos sein, eine Polaroidkamera liegt bereit.
Und womöglich kommen auch andere Prominente vorbei. Über Instagram hat sich Rapper Finch angekündigt, Moderator Tommi Schmitt folgt 44Trikots auf Social Media ebenfalls.
Der bisherige Andrang kann sich in jedem Fall sehen lassen. Am Eröffnungstag stehen die Schaulustigen über anderthalb Stunden an, vertreiben sich die Wartezeit mit Quizzen, Fachgesprächen und Mitleidsbekundungen ob der jüngsten Ergebnisse von Hertha, Schalke oder dem BVB.
Über 200 verkaufte Trikots: Der erste Tag wischt Ziads Angst weg
Im Laden hat Ziad alle Hände voll zu tun, zum Start aber kann er auf die Unterstützung zahlreicher Freunde zählen. Über 200 Trikots gehen am ersten Tag über die Ladentheke.

Zur Eröffnung mussten Interessenten über anderthalb Stunden anstehen.bild: jan schultz
"Damit decke ich meine Kosten für einen ganzen Monat", erklärt Ziad gelöst. Seine exakte Berechnungsgrundlage möchte er nicht ausführen, Gewinnmargen sind ein gut gehütetes Geheimnis der Branche.
Obwohl ihm die Freude für die Selbstständigkeit mit jedem Wort anzuhören ist, so macht Ziad aus seinen Ängsten auch keinen Hehl: "Ich habe mir sehr viel Druck gemacht. Das Finanzielle hat mir Angst gemacht."
Die Passion aber hat überwogen. Andernfalls, so sagt der 21-Jährige selbst, hätte er auch als Vertretungslehrer arbeiten können. "Das ist weniger zeitaufwendig und weniger riskant."
Mehr als nur ein Laden: Ziad plant zahlreiche Fußballevents
Zeit hat Ziad momentan dank der Semesterferien noch genug. Auf 60 Stunden schätzt er seinen Arbeitsaufwand pro Woche. Wenn die Vorlesungszeit wieder beginnt, will er sich auf 40 Stunden reduzieren.
Für seine Tätigkeit als Jugendtrainer bleibt da keine Zeit mehr, seinen Stundenplan wird er ausdünnen. Abschließen will der 21-Jährige sein Studium aber trotzdem. "Ich will noch einen Plan B haben", sagt er.
Denn sein Trikotladen ist erst einmal auf zwei Jahre ausgelegt. An Plänen mangelt es Ziad dabei nicht. Er berichtet mit leuchtenden Augen von möglichen Quizabenden, Trikotauktionen mit Livestreams und FIFA-Turnieren. Aus dem jungen Mann sprudeln die Ideen wie Wasser aus einem Geysir.
Wo all das hinführt, weiß er selbst nicht. Eine Glaskugel hat sich zwischen all den feinen Dekoelementen nicht versteckt. Ziad aber hat eine klare Vorstellung. "Es ist überhaupt nicht mein Ziel, mich auszuweiten. Langfristig will ich damit nur mein Leben finanzieren. Das ist mein Traum."