Die Mitglieder des TuS Ricklingen werden beim Spiel gegen Costa Rica am Donnerstag (20 Uhr) ganz genau hingucken. Denn es könnte ein ganz besonderer ehemaliger Nachwuchsspieler des Klubs in die Weltmeisterschaft eingreifen: Niclas Füllkrug, der im letzten Gruppenspiel nicht starten wird, sondern erst auf der Bank sitzt.
Bis er zwölf Jahre alt war, spielte der deutsche Angreifer beim Amateurklub im Stadtteil von Hannover. Das Highlight: In der F-Jugend schoss er in einer Saison 162 Tore. Damit sorgte er sogar im Fan-Forum von Hannover 96 für Furore. Dort gibt es einen Eintrag von 2006, in dem von einem "wirklich großen Talent" geschrieben wurde. Manfred Kling, Vorsitzender des TuS Ricklingen erzählte jüngst gegenüber fussball.de: "Sein Talent war offenkundig. Er hat seine Mannschaft oft im Alleingang zum Sieg geschossen."
Im Alleingang wird Füllkrug das DFB-Team gegen Costa Rica zumindest nicht zum Sieg schießen. Dafür ist das Leistungsniveau im Profi-Geschäft und besonders bei einer Weltmeisterschaft zu hoch. Dennoch ist die deutsche Nationalmannschaft auf Tore angewiesen, um ins Achtelfinale einzuziehen.
Um in die Runde der letzten 16 Mannschaften einzuziehen, muss das Team von Bundestrainer Hansi Flick gewinnen und zeitgleich darauf hoffen, dass Spanien im Parallelspiel gegen Japan gewinnt oder punktet.
Bei einem Unentschieden von Spanien müssten Füllkrug und Co. mit mindestens zwei Toren Unterschied gegen Costa Rica gewinnen – spätestens bei diesem Szenario könnte der Torjäger enorm wichtig werden und eingewechselt werden. Dabei sah es lange gar nicht danach aus, als hätte Niclas Füllkrug überhaupt eine Chance darauf, zu einer WM nominiert zu werden.
2012 debütierte Füllkrug in der Bundesliga für Werder Bremen, konnte sich aber zunächst nicht durchsetzen. Nach einer Leihe nach Fürth wechselte er für zwei Jahre nach Nürnberg in die 2. Liga, ehe er mit Hannover 96 in seiner ersten Saison den Aufstieg schaffte und zwei Jahre Bundesliga spielte. Danach zog es ihn zurück zu Werder Bremen.
Immer wieder legte ihn auch sein Körper lahm. Er hatte bereits drei Knorpelschäden im Knie, dazu einen Kreuzbandriss und mehrere kleinere Verletzungen. In seinen zehn Profi-Jahren war er laut der Datenbank "Transfermarkt.de" insgesamt 940 Tage verletzt. Also fast drei Jahre. Trotzdem kämpfte er sich immer zurück. Vermutlich waren es aber die ganzen Verletzungen, die ihn zurückwarfen und ihn erst danke einer enormen Leistungssteigerung im vergangenen Jahr zu einem Spätzünder in der Nationalmannschaft machten.
Exakt vor 365 Tagen stürmte Füllkrug noch für Werder Bremen in der zweiten Liga, stand Ende November 2021 nach 14 Einsätzen bei gerade mal vier Treffern – keine Bilanz, mit der Stürmer normalerweise in den deutschen WM-Kader kommen. Dazu kam noch eine kurzfristige Suspendierung von drei Tagen nach einem Wortgefecht mit Bremens Sportdirektor Clemens Fritz.
Doch danach startete Füllkrug durch. In den weiteren 19 Partien in der 2. Bundesliga traf er noch 15-mal, war mit insgesamt 19 Saisontoren und acht Vorlagen maßgeblich am Bremer Aufstieg beteiligt.
In der aktuellen Spielzeit knüpfte er an die Vorsasion mit zehn Treffern in 14 Spielen an. Dadurch brachte er sich in den Fokus von Bundestrainer Hansi Flick und wurde ohne vorherigen Einsatz im DFB-Trikot mit zur WM genommen.
Aber nicht nur die sportlichen Werte sprechen für Füllkrug. Auch außerhalb des Platzes ist er für das DFB-Team enorm wichtig. Auf einer Pressekonferenz sagte Co-Trainer Danny Röhl, dass Füllkrug ein "absoluter Teamleader" sei: "Trotz, dass er das erste Mal dabei ist, geht er voran. Er ist kommunikativ, bringt sich voll mit ein. Er tut der Mannschaft gut, gibt viel Energie rein. Das war uns bei der Auswahl wichtig."
Bei den sportlichen und menschlichen Qualitäten stellte sich vor dem entscheidenden Gruppenspiel gegen Costa Rica allerdings viele Fragen zur deutschen Aufstellung: Spielt Füllkrug von Beginn und verdrängt Müller auf die Bank? Hält Flick an Müller fest und plant Füllkrug als Edeljoker? Oder sieht sich Flick sogar gezwungen, voll auf die Offensive zu setzen und sowohl Füllkrug als auch Müller starten zu lassen? Um es kurz zu machen: Er spielte nicht von Beginn an. Obwohl die Meinungen der Experten auseinander gingen.
ZDF-Experte Christoph Kramer hat eine klare Meinung. Er hätte auf Füllkrug UND Müller gesetzt: "Deutschland wird viel Ballbesitz um die Box haben. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass beide spielen. Mit dem aktuellen Lauf muss Füllkrug spielen und Thomas Müller ist immer da und würde ein Tor 'reinmüllern'."
Per Mertesacker, ebenfalls ZDF-Experte konnte sich allerdings vorstellen, dass Müller zunächst auf der Bank sitzen würde: "Der würde sich auch auf die Bank setzen und dann in 25 Minuten effektiv sein," erklärte der Weltmeister von 2014. Am Ende sollte keiner der beiden Recht haben. Müller startete und Füllkrug nahm auf der Bank Platz.
Bundestrainer Hansi Flick hatte sich vor dem Spiel nicht in die Karten gucken lassen. Sowohl auf der Pressekonferenz als auch im Interview mit dem ZDF wich er der Frage aus, sprach allerdings davon, dass sich das Trainerteam fortlaufend Gedanken mache und sich Fragen stellen würde.
Dem ZDF erklärte er diese Fragen so: "Ist es gut, wenn er von Anfang an spielt? Oder wenn er reinkommt? Es ist alles noch nicht abgeschlossen. Er hat gezeigt, weshalb er dabei ist. Die Entschlossenheit bei dem Tor gegen Spanien war klasse. Genau das brauchen wir auch."
Kling, der Vorsitzende von Ricklingen, hatte zu der ganzen Diskussion eine klare Meinung. Obwohl Füllkrug in seinem Verein ausgebildet wurde, hatte er schon vor Bekanntwerden der Aufstellung gesagt: "Ich würde ihn nicht von Beginn an bringen, sondern, wie gegen Spanien, später in die Partie werfen." Damit sollte er recht haben.