"Ich bin zu 60 Prozent schwerbehindert, weil ich eine bipolare Erkrankung habe", erzählt Tessa Bergmeier direkt an Tag eins der diesjährigen Staffel von "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!". An Tag zehn musste sie als dritter Promi das Dschungelcamp verlassen.
Zuvor war sie bereits kurz nach Einzug in das Camp zuerst mit Jolina Mennen wegen der Bettenverteilung aneinandergeraten und dann mit Claudia Effenberg. Die behauptete, eine "Behinderung" zu haben, weil sie von der Wanderung in das Camp Schmerzen am Fuß hätte und dementsprechend aktuell gehbehindert sei.
Tessa entgegnete daraufhin, dass es sie störe, wenn der Begriff "behindert" "so Laisser-faire" benutzt würde, da sie selbst eine Behinderung habe.
Doch was bedeutet eine bipolare Störung für Betroffene und wie kann eine Teilnahme an einem TV-Format, wie dem Dschungelcamp, dadurch beeinträchtigt werden? Hat ihr Verhalten letztlich auch dazu geführt, dass sie das Camp jetzt verlassen musste? Watson hat mit Prof. Dr. Stefan Röpke, Chefarzt der Oberberg Fachklinik Berlin-Brandenburg und Oberberg Tagesklinik Kurfürstendamm und Experte für bipolare Erkrankungen, darüber gesprochen.
"Eine bipolare Störung äußert sich durch manische und depressive Phasen", erklärt Röpke im Gespräch mit watson. In ersterer benötige man vor allem wenig Schlaf, schmiede viele Pläne, habe zahlreiche neue Ideen. Allerdings nur in der leichten Form davon, der Hypomanie. In dieser Phase fühlen sich die Betroffenen oftmals noch annähernd normal, beschreibt Röpke.
Das könne allerdings ganz schnell ins Unrealistische umschlagen. "Man gibt viel Geld aus, macht Reisen – deutlich über dem, was man normal machen würde." In Extremfällen müssten Patienten dann sogar zu einer Therapie gezwungen werden, da sie sich selbst in Gefahr brächten, sagt Röpke. Man könne sich nämlich in einer manischen Phase unter Umständen sein gesamtes Leben zerstören, sich hoch verschulden, den Job kündigen, Beziehungen beenden.
Dann folgt die depressive Phase. In dieser Episode der Erkrankung würden sich Patienten noch am ehesten freiwillig in Therapie begeben, erklärt Röpke.
Bipolar bedeutet im wörtlichen Sinne: zwei Pole. Jedoch auch wiederum nicht. Denn zwischen manisch und depressiv gebe es eben auch dieses "fast gesund", erklärt der Experte.
Diese Phasen können unterschiedlich lang sein und unterscheiden sich von Patient:in zu Patient:in. Mal Tage, mal Monate, mal Wochen. Außerdem verläuft die Erkrankung auch unterschiedlich schwer. Was wiederum dazu führt, dass Schwerbehinderten-Ausweise mit unterschiedlicher Ausprägung ausgestellt werden.
Tessa erzählte an Tag eins im Dschungelcamp ebenfalls davon, dass sie zu 60 Prozent schwerbehindert sei. Das führte zu vielen Fragezeichen bei Claudia Effenberg und einigen anderen Campern. Denn oftmals wird eine Schwerbehinderung von Außenstehenden mit einer körperlich sichtbaren Einschränkung verbunden.
In den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen findet sich jedoch auch eine Regelung für bipolare Störungen. Demnach liegt die Schwere der Behinderung bei 30 bis 50 Prozent, wenn es sich um ein bis zwei Phasen pro Jahr über mehrere Wochen hinweg handelt. Ab 60 Prozent schwerbehindert gelten Personen mit bipolarer Störung, deren manische und depressive Phasen häufiger als ein bis zweimal im Jahr wechseln.
Schwerbehindert deshalb, weil sich die Betroffenen in einer manischen Phase keinen normalen Strukturen anpassen können. Röpke erklärt:
"Sie können keinem Beruf mehr nachgehen, ecken an, haben viele Konflikte mit engen Bezugspersonen." Als Partner oder Partnerin einer Person in einer manischen Phase könne man das nicht aushalten, sagt der Experte.
Tessa ist Mutter von zwei Kindern. 2015 und 2019 brachte sie ihre Töchter zur Welt. Ob sie aktuell in einer Beziehung ist, ist nicht bekannt. "Als alleinerziehende Mutter in einer manischen Phase ist es extrem schwer", meint Röpke. Oftmals sei man nicht mehr in der Lage dazu, seine Kinder adäquat zu erziehen. Hier seien Betroffene sehr auf die Unterstützung der Familie angewiesen, die sich meist große Sorgen um die Person mache.
Allerdings könne man den Krankheitsverlauf mit Medikamenten zum Teil aussteuern, erklärt der Experte.
Doch wie verhält es sich beispielsweise bei Berufen, die vor einer Kamera ausgeübt werden, wie der einer Moderatorin oder wenn man, wie beispielsweise Tessa, Teil einer TV-Show ist? Diese Personen können ein solches Projekt, bei dem die Teilnahme vertraglich geregelt ist, nicht einfach so absagen.
"Die Phasen kündigen sich im Voraus an", sagt Röpke. In sehr seltenen Fällen könnten Betroffene zwar von einem Moment auf den anderen in eine andere Phase fallen, die meisten Personen hätten jedoch ein bis zwei Phasen im Jahr. Mehrere Wochen oder Monate lang eine manische, eine depressive Phase und den Rest des Jahres eine Phase, in der man annähernd normal agiert.
Deshalb gilt:
So auch im Fall von Tessa. Denn ihre Freundin und Begleiterin Lotta offenbarte kürzlich im offiziellen Podcast zum Dschungelcamp: "Tessas Erkrankung ist rezessiv." Das bedeute, dass sie momentan keine Symptome hat. Früher habe Tessa vor allem Manien gehabt und keine Depressionen. "Durch Therapien und Medikamente ist sie momentan praktisch geheilt, aber es kann immer wieder ausbrechen", sagte Lotta.