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Experte: "Hildmann bot Michael Wendler vermeintlich einfache Antworten"

Schlagersänger Michael Wendler.
Schlagersänger Michael Wendler.Bild: www.imago-images.de / Christoph Hardt
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Verschwörungsmythen-Experte zu Wendler: "Hildmann bot ihm vermeintlich einfache Antworten"

12.10.2020, 09:58
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"Ich will als Held sterben", sagte jüngst der Schlagersänger Michael Wendler laut seinem Manager, Markus Krampe. Wendler, der zuletzt vor allem Schlagzeilen machte wegen seiner Fehde mit Comedian Oliver Pocher, seiner Beziehung mit der 19-jährigen Laura Müller, der von Insolvenz und Gerichtsverfahren zerrüttet war, wollte wohl noch einmal strahlen.

Die Leiden des alten Wendler schienen kein Ende zu nehmen – deswegen tat er nun einen drastischen Schritt, den die einen belächeln, die anderen für bedenklich halten: Er verließ offiziell die "DSDS"-Jury und meldete sich zeitgleich zu Wort mit kruden Verschwörungsmythen. Deutschland verstoße mit seinen Corona-Maßnahmen gegen die Verfassung, die Medien seien gleichgeschaltet, die "ganze Wahrheit" gäbe es auf seinem Telegram-Kanal.

Damit geht der Wendler einen Weg, den vor ihm schon der Musiker Xavier Naidoo und Vegan-Koch Attila Hildmann gegangen sind, mit dem der Wendler laut seines Managers vor Kurzem noch stundenlang telefoniert haben soll. Ab da sei Krampe nicht mehr zu Wendler durchgedrungen.

Auch manche Promis glauben an Verschwörungen

Dass einige wenige an Verschwörungmythen glauben, ist weder neu noch ein besonderes Merkmal prominenter Menschen. "Laut aktuellem Forschungsstand müssen wir davon ausgehen, dass ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerung hierzulande an den ein oder anderen Verschwörungsmythos glaubt", sagte der Tübinger Professor Michael Butter, einer der führenden Experten für Verschwörungsmythen, bereits im Juni im Interview mit watson. Prominente halten sich "vermutlich nur stärker zurück, solches Gedankengut in der Öffentlichkeit zu äußern".

Tendenziell seien Menschen anfälliger für Verschwörungsmythen, wenn sie ein "Gefühl der Machtlosigkeit" haben, so Butter. Statistisch gesehen seien das häufiger Männer als Frauen und häufiger Menschen aus bildungsfernen Kreisen als Akademiker. Auch wer "schlecht mit Ambivalenzen umgehen" kann, wird "empfänglicher für Verschwörungsmythen".

"Dass auch Künstler wie Michael Wendler in Verschwörungsmythen abstürzen können, kommt leider nicht überraschend", sagt Michael Blume gegenüber watson. Der Religionswissenschaftler ist Beauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg gegen Antisemitismus und klärt über Verschwörungsmythen auf, unter anderem auch in seinem Podcast "Verschwörungsfragen".

Die Corona-Krise verunsichert zusätzlich

Einen Grund, weswegen Wendler ausgerechnet jetzt in offensichtlich wirre Ideologien abdriftet, sieht Blume auch in der Corona-Krise: "Die Covid19-Pandemie verunsichert uns alle bis in existenzielle Ängste."

Mit diesen Ängsten sei Wendler nicht allein, der Grat zwischen Besorgnis aufgrund einer medizinischen sowie wirtschaftlichen Krisenlage und dem Abdriften in scheinbare Wahrheiten, die ein unterkomplexes Weltbild zeichnen, ist schmal. Das haben die Anti-Corona-Demonstrationen der vergangenen Monate bewiesen, bei denen teils Anhänger rechter Gruppierungen sowie Impfgegner neben Menschen liefen, die in den Maßnahmen gegen das Virus eine Bedrohung ihrer finanziellen Existenz sahen.

Wie schon erwähnt, können auch persönliche Krisen eine Hinwendung zu Verschwörungsmythen bewirken: "Bei Herrn Wendler kommen ein Bankrott und Gerichtsverfahren hinzu", sagt Blume. Und in diese kritische Lage grätsche nun auch noch ein Vegan-Koch rein, der sich zunehmend radikalisiert und gleichzeitig allzu simple Lösungen für allzu komplexe Probleme präsentiert: "Verschwörungsgläubige wie Attila Hildmann boten ihm nun vermeintlich einfache Antworten, Gemeinschaft, Feindbilder."

Eine globale Krise, finanzielle Engpässe, ein Konflikt mit der Justiz: Mitleid mit dem Wendler muss niemand haben, darum geht es auch nicht. Sein Fall zeigt eher, wie leicht es geschehen kann, an der Wegzweigung die falsche Abbiegung zu nehmen – und sich dann in den Wirren zu verrennen. "Die Psychologie von uns Menschen ist zerbrechlich", sagt Blume. "Der Umgang mit Krisen ist für niemanden locker und egal." Ob der Wendler sich von seiner Krise erholt, bleibt abzuwarten.

ZDF enthüllt überraschend hohe Aufklärungsquote von "Aktenzeichen XY... Ungelöst"

Bereits seit 2002 präsentiert Rudi Cerne die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... Ungelöst". Das Format gibt es allerdings bereits seit 1967. Millionen Menschen sitzen regelmäßig vor dem Fernseher, wenn Verbrechen- oder Vermisstenfälle Thema werden. Dabei arbeitet der Sender eng mit den jeweiligen Kriminalstellen zusammen. Darüber hinaus wird das TV-Publikum um Mithilfe gebeten.

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