
Kurz mal Durchatmen: das berühmte Ben-Affleck-Meme im Anime-Stil.Bild: Justine Moore (X) / Open AI
Analyse
X feiert drei Tage lang eine Studio-Ghibli-Party. Es entstanden mithilfe eines OpenAI-Updates teilweise faszinierende Bilder. Aber warum kriegt man beim Betrachten so eine fiese Gänsehaut?
28.03.2025, 16:0728.03.2025, 16:07
Der X-Feed sah Mitte der Woche aus wie ein Rückblick auf das gesellschaftliche und popkulturelle Zeitgeschehen der vergangenen 25 Jahre – aber im Anime-Stil. Dem Internet wurde ein neues KI-Spielzeug geschenkt.
Und das Internet hatte Spaß. Die Beschenkten erzeugten erstaunliche Ergebnisse. Wobei: Wer ist hier eigentlich der Erzeugende? Wer leistet die kreative Arbeit bei der Erschaffung der Anime-Version des Distracted-Boyfriend-Memes? Hat die KI-Evolution gerade das nächste Plateau überschritten?
Studio-Ghibli-Filter: Was ist da schon wieder los?
Am Dienstag stellte OpenAI seinen, eigenen Angaben zufolge, "bisher fortschrittlichsten Bildgenerator" vor. Er ist integriert in die KI-Plattform GPT-4o. Der KI-Bildgenerator verfügt, so heißt es, über ein "natives multimodales Modell, das präzise, akkurate und fotorealistische Ergebnisse liefert", zitiert "Variety".
Man kann sich mit entsprechenden Befehlen (Prompts) also fiktive Bilder produzieren lassen, die wie echt aussehen. Das war schon vorher möglich, nur eben wohl nicht in dieser Qualität.
Für das Fotorealistische interessierten sich die ersten Nutzer:innen des Updates aber ohnehin eher weniger. Sie entdeckten stattdessen GPT-4os bemerkenswertes Talent, berühmte Zeichentrick-Stile nachzubilden und auf existierende Motive zu legen. Also eine Zeichentrick-Version der Realität zu schaffen.
Der Studio-Ghibli-Stil setzte sich in diesen Versuchsspielen schnell als beliebtestes Format durch, unter anderem gegen "South Park". Das japanische Animationsstudio steckt hinter den Klassikern "Chihiros Reise ins Zauberland" und "Mein Nachbar Totoro".
Ein paar originale Beispiele für den Ghibli-Stil:

"Mein Nachbar Totoro" (1988)Bild: www.imago-images.de / Mary Evans Picture Library

"Der Junge und der Reiher" (2023)Bild: Studio Ghibli/GKIDS
Der Wiedererkennungswert von Studio Ghibli ist enorm und wohl nur vergleichbar mit Disneys Zeichentrick-Stil, von dem das Studio sich allerdings zugunsten moderner Animationstechniken löste.
Der Ghibli-Stil zeichnet sich durch Achtsamkeit, Reduktion und Langsamkeit aus. Er vermittelt Ruhe, japanischen Zen. Die Filme selbst transportieren vor allem humanistische Werte.
Diese zarten Aromen wurden in der vergangenen Woche vom Zynismus und der Ironie der Meme-Kultur verbittert.
Virales Ghibli-Filter-Meme: witzig oder bedenklich?
Reichweitenstarke Accounts auf X setzten GPT-4o und den prägnanten Ghibli-Style auf ikonische Bilder an, die ihrerseits hohe Wiederkennungswerte mitbringen, also in erster Linie Memes.
Ja, es stimmt. Man musste nicht viel mehr tun, als ein berühmtes Meme wie das hier durch den GPT-Filter zu jagen, um hunderttausende Likes zu farmen.
Was irgendwann natürlich ausartete ...
... und die Spaßgrenzen erst dehnte.
Und dann sprengte.
Bevor schließlich der X-Account des Weißen Hauses, Regierungssitz von US-Präsident Donald Trump, sich auf vulgäre Weise in den Ghibli-Trend schaltete und damit dessen Ende einläutete. Die Uncoolen machen den Witz jetzt auch, der Spaß ist vorbei.
Was aber eben keineswegs bedeutet, dass KI an sich wieder weggeht. Vielmehr zeigt der neueste Hype, dass komplizierte Fragen auf den Kulturbetrieb zukommen, die schon bald beantwortet werden müssen.
Ghibli-Filter: Was lernen wir daraus, wie geht es weiter?
Es entstanden nicht nur Bilder, sondern auch ganze Videos aus dem Filter, etwa ein "Herr der Ringe"-Trailer im Ghibli-Stil. Und wie gut das alles aussieht ... Das ist schon ein bisschen gruselig. Natürlich entsteht hier erstmal nichts substanziell Neues. Die KI ahmt Vorhandenes nach und remixed es.
Dieser X-Nutzer kritisiert den viralen Ghibli-Trend dennoch als "Werbung für ein Plagiat-Programm". "Diebstahl" durch OpenAI werde von "Idioten" bejubelt.
Muss man also Copyright-Richtlinien und Grundsätze geistigen Eigentums auf ChatGPT-(Re)Kreationen anwenden? Sollte man ihr, also der KI, die bereits existierende Kunst derart bereitwillig für Lernmodelle überlassen? Muss man den rasant wachsenden Bewegungsradius von KI einhegen?
Von den Verantwortlichen selbst sind Beschränkungsbemühungen natürlich nicht zu erwarten. OpenAI-Gründer Sam Altman machte sich bei X lustig über den aktuellsten Trend – und hat jetzt selber einen Ghibli-Avatar im Profil.
Die Widerstandslinie radikalisiert sich aktuell vor allem unter den Kreativen selbst. Tony Gilroy ist der Autor und Showrunner der gefeierten "Star Wars"-Serie "Andor". Gilroy hatte zuletzt angekündigt, die Drehbücher der zweiten Staffel nicht zu veröffentlichen. Denn: "Warum sollte man den verdammten Robotern mehr helfen als man muss?"
Inmitten des Hypes um den Ghibli-Filter griffen viele Medien auch ein altes, vermeintliches Anti-KI-Zitat von Ghibli-Gründer Hayao Miyazaki aus dem Jahr 2016 auf. Es lässt sich nicht genau rekonstruieren, worauf sich seine Sätze beziehen: auf den Inhalt eines KI-Videos oder das Wesen von KI an sich. Oder beides.
Aber man kann das in der aktuellen Debatte ja trotzdem mal so stehen lassen: "Ich bin zutiefst angewidert. Wenn ihr wirklich gruselige Sachen machen wollt, könnt ihr das tun, aber ich würde diese Technologie niemals in meine Arbeit einbauen wollen."
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Mit "Terra X – Wettlauf um die Welt" wurde gerade erst eine Reality-Show ins Programm des ZDF genommen. Am 23. April startete die Sendung zur Primetime. Am selben Tag gingen alle Folgen in der Mediathek online.