Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt haben für einen Höhepunkt im Streit zwischen RTL und ProSieben gesorgt.Bild: screenshot/ProSieben
Analyse
09.05.2020, 20:0109.05.2020, 19:59
Während der Corona-Krise ist auch im TV vieles etwas anders. In Polit-Talks sitzen die Gäste weit auseinander, Publikum ist in den großen Shows, egal ob zuletzt bei "The Masked Singer" oder aktuell bei "Let's Dance", nicht zugelassen. Und selbst einige Film- und Serienproduktionen mussten pausieren. Und in all diesem Chaos liefern sich nun auch noch die Sendergrößen RTL und ProSieben einen erbitterten Zoff in den sozialen Netzwerken.
Am Mittwochabend nun der Höhepunkt: Nachdem Joko und Klaas am Vorabend in ihrer Show gegen ProSieben gewonnen hatten, durften die beiden Entertainer 15 Minuten live im TV senden, was sie wollten. Und die beiden nutzten ihre Sendezeit zur maximal denkbaren Provokation gegen RTL.
Nachdem RTL kurzerhand eine Corona-Sondersendung um 20.15 Uhr ins Leben gerufen hatte, verkündete Klaas live: "Das, was RTL kann, das können wir hier bei ProSieben schon lange." Deswegen rief er ein "ProSieben-RTL-Special zu Corona aus."
Joko und Klaas zeigten sich im Anschluss dabei, wie sie 15 Minuten lang RTL schauten. Kein Witz: Der ProSieben-Kameramann hielt auf einen TV-Bildschirm drauf, auf dem RTL lief. Was zur Folge hatte, dass der ProSieben-Zuschauer das verpixelte RTL-Bild zu sehen bekam – inklusive kleinem Fenster rechts unten, in dem die Gesichter von Joko und Klaas zu sehen waren.
Joko und Klaas filmen RTL ab und strahlen das live bei ProSieben aus:
So sah das dann aus bei ProSieben:bild: screenshot
Die beiden kommentierten die RTL-Sondersendung, fingen schließlich sogar an, zu trinken. RTL dürfte die ganze Aktion gewiss nicht gefallen haben. Auf Twitter kommentierte der Sender nur knapp: "Das Original ohne nervige Einblendungen unten in der Ecke gibt's nur bei uns."
Doch das ist nur der Höhepunkt eines tagelangen Hickhacks der beiden größten privaten TV-Sender. Angefangen hatte alles offenbar mit Sonja Zietlow. Die Dschungelcamp-Moderatorin war nämlich zur Überraschung der Zuschauer Teil der ProSieben-Erfolgs-Show "The Masked Singer". Dass ausgerechnet sie unter der Hasen-Maske zum Vorschein kam, sorgte für verblüffte Reaktionen im Netz.
Dschungelcamp-Moderatorin Sonja Zietlow war Kandidatin bei "The Masked Singer". Nach der Enthüllung brach ein Twitter-Zoff zwischen RTL und ProSieben aus.Bild: ProSieben/Willi Weber; Screenshot Twitter
Auf Twitter feierten die Fans den Coup und auch ProSieben konnte sich einen kleinen Seitenhieb auf den Sender-Konkurrenten nicht verkneifen. "Bei RTL wird sicher gejubelt", hieß es in dem Tweet, denn mittwochs würden die Kollegen ja auch immer einschalten. Gemeint war damit die Sat.1-Sendung "Promis unter Palmen", die selbst in der Berichterstattung von RTL regelmäßig Thema war.
ProSieben schnappt sich RTL-Protagonisten
RTL ließ das natürlich nicht unkommentiert: "Natürlich schalten wir ein, wenn ihr mal ein funktionierendes Reality-Format habt. Wir haben es ja lange genug vorgemacht."
Und so ging es in den vergangenen Tagen immer wieder, mittlerweile aus unterschiedlichen Gründen, hin und her. Dass sich ProSieben in jüngster Vergangenheit immer wieder bekannte RTL-Gesichter schnappt, dürfte dem Kölner Sender nicht schmecken.
Erst vergangenen Samstag trat Jorge Gonzales, mittlerweile vor allem als "Let's Dance"-Juror bekannt, gegen Thomas Hayo bei "Schlag den Star" an. Und auch bei "Big Brother" waren neben den Normalo-Bewohnern mit Menowin Fröhlich ("DSDS") und Serkan Yavuz ("Bachelor in Paradise") ausschließlich einstige RTL-Gesichter zu sehen. Der letzte ProSieben-Coup, der RTL wirklich wehgetan haben dürfte: Jenke von Wilmsdorff kehrt dem Sender den Rücken und wechselt zum Münchner Konkurrenten!
Jenke von Wilmsdorff arbeitet nicht länger mit RTL zusammen. Bild: imago images / imago stock&people
Doch sind es tatsächlich die Verpflichtungen dieser Protagonisten, die den Zoff ursprünglich ausgelöst haben? Oder vielleicht eher der Streit um die Senderechte für "The Masked Singer", die vergangenes Jahr nicht an RTL, sondern an ProSieben gegangen sind?
Medienexperte Tobias Hochscherf hat da eine ganz andere Vermutung. Er sagt gegenüber watson, dass die beiden Sender zwar Wettbewerber seien – auch in Bezug auf bekannte Moderatoren und Entertainer –, die größte Konkurrenz lauere jedoch an anderer Stelle. Nämlich bei den Streamingdiensten Amazon, Netflix, Disney+ und weiteren Anbietern.
Medienexperte: Streit zwischen RTL und ProSieben wirkt inszeniert
Auch wenn "Live-Formate, bekannte Stars und Spielshows immer noch ein Markenzeichen der Sender gegenüber der neuen Konkurrenz aus dem Netz" seien, wie Hochscherf watson sagt, müssen die Sender erfinderisch werden, um dagegenhalten zu können. Da kommt ihnen so ein kleiner Twitter-Streit natürlich ganz gelegen.
"Der Streit sorgt dafür, dass über die Angebote der Privatsender gesprochen wird, sie bestimmen die Agenda und lenken die begrenzte Aufmerksamkeit der Nutzerinnen und Nutzer auf das eigene Programm – und damit weg von den neuen Serienhits der Streamingportale."
Prof. Tobias Hochscherf
Auf Hochscherf "wirkt der Streit doch sehr inszeniert". Denn "Frau Zietlow – wie viele andere Fernsehprotagonisten auch – hat keinen Exklusivvertrag mit RTL, auch wenn sie primär mit diesem Sender assoziiert wird". Für eine gekonnte Inszenierung spricht laut dem Medienexperten auch noch etwas anderes:
"Die lockere, mitunter flapsige und spontane Art der Tweets und Posts zeigt hier auch, dass sehr versierte Social-Media-Redakteure der Sender agiert haben. Die verstehen ihr Handwerk, treffen den richtigen Ton, bauen die richtigen Hashtags und Links ein. Damit waren auch die Bedingungen der großen Reichweite innerhalb der sozialen Netzwerke gegeben."
Sender haben alles richtig gemacht
Konflikte garantieren immer Aufmerksamkeit. "Sie lenken unser Interesse auf mediale Ereignisse, die sich vom Gros der Berichterstattung abheben", erklärt Hochscherf. Das sei auch schon beim Konflikt von Oliver Pocher und Michael Wendler das Erfolgskonzept gewesen. "Der Streit der beiden Entertainer hat es RTL ermöglicht, eher langweilige Spielshows erfolgreich zu platzieren. Der Streit um Sonja Zietlow nützt damit beiden Sendern", sagt Hochscherf. Dass dann auch noch die meisten großen Nachrichtenportale und Zeitungen den kleinen Zoff der Sender aufgegriffen haben, kommt den Sendern natürlich auch noch doppelt entgegen.
Hochscherf meint: "Die Sender haben hier unter PR- und Marketinggesichtspunkten alles richtig gemacht." Denn während früher nämlich überall über das Fernsehprogramm vom Vorabend geredet wurde, habe das Fernsehen seine Position als sogenanntes "Einschaltmedium", wie der Medienexperte sagt, längst verloren. "Es ist zum Begleitmedium geworden, das allenfalls Teilöffentlichkeiten anspricht. Es sei denn, es gibt Ereignisse, Skandale und Streit. So wie in diesem Fall."
Am Ende kann man also vor den Sendern und deren Social-Media-Redakteuren nur den Hut ziehen. Sie haben in einer Zeit, in der sich eigentlich alles um die Corona-Krise dreht und kaum ein anderes Thema Platz hat, einen verdammt guten Job gemacht.
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