Manche sind witzig, manche sind berührend, manche überraschend. Leider gibt es immer wieder auch verletzende Reaktionen auf ein Coming-out. Doch so unterschiedlich die Rückmeldungen darauf sein können: Was einem Outing vermutlich immer vorausgeht, ist eine gewisse Unsicherheit, vielleicht sogar Angst vor dem Moment und dem, was andere sagen könnten.
Kein Wunder. Persönlicher geht es eigentlich nicht. Und dafür braucht es extrem viel Mut.
Vielleicht macht es Mut, zu lesen, dass das auch wirklich jeder:m so geht. Deswegen haben wir bekannte queere Menschen gefragt: Wie war dein Outing – und was war die schönste Reaktion darauf?
"Mit 21 Jahren saß ich mit meinen Eltern in der Küche und outete mich. Meine Mutter atmete einmal tief und nahm mich in den Arm. Gelassener und wertschätzender hätte ihre Reaktion nicht sein können.
So ein unkompliziertes Coming-out wünsche ich allen, leider ist es zu oft immer noch ganz anders. Es braucht ein gesellschaftliches Klima, indem wir einander mit Achtung begegnen und uns gegenseitig so nehmen, wie wir sind. Das ist gelebte Vielfalt. Dazu gehört übrigens auch Respekt davor, unterschiedliche Ansichten zu haben."
"Ich bin im Osten Deutschlands aufgewachsen. Auch wenn ich 1997er-Jahrgang bin und damit die DDR nicht mehr erlebt habe, hatte sich da wo ich aufgewachsen bin, noch nichts wirklich getan!
Schwule gab es nicht und ich hatte somit auch keine Orientierung beziehungsweise kannte ich niemanden in meinem Umkreis, der es war, oder dem ich mich anvertrauen konnte.
Ich wusste eigentlich schon immer, dass ich schwul bin. Schon in der Grundschule stellte ich mir vor, Jungs zu küssen. Seitdem ich denken kann, bin ich schwul. Mein Coming-out war folglich nur eine Frage der Zeit. Doch dieses war aufgrund eines Kommentars meines Vaters, der sich über einen schwulen Arbeitskollegen lustig machte, erst einmal in weite Ferne gerückt.
Damals dachte ich: Mit 18 ziehe ich zu Hause aus, breche den Kontakt zu meinen Eltern ab und lebe dann als schwuler Mann. Der Druck und die Angst vor Verurteilung und fehlender Akzeptanz verzögerte mein Coming-out bis ich 16 war und selbst da half dann etwas zu viel Alkohol.
Im Endeffekt war mein Coming-out das Beste, was mir passieren konnte. Ich habe kaum negative Erfahrungen gemacht und nach anfänglicher Angst meiner Eltern (Schubladen-Denken: schwul = HIV) supporten sie mich bis heute mit ganzer Kraft.
Heute habe ich manchmal sogar das Gefühl, dass mein Vater stolz auf mich ist, weil ich schwul bin. Auch wenn ich ein durchaus positives Beispiel für eine Coming-out-Geschichte bin, werde ich nie vergessen, was für ein ekelhaftes Gefühl es ist, ungeoutet zu leben. Umso wichtiger ist es mir im beruflichen Kontext mehr Sichtbarkeit und Relevanz für queere Lebensgeschichten und -realitäten zu schaffen, damit ein Coming-out für die nächste Generation nicht mehr so eine riesige Sache ist."
"Dass ich bisexuell bin, habe ich bereits gespürt, bevor ich einen Namen dafür hatte. Mein damaliges Umfeld reagierte wenig überrascht, zumal sie mich bereits mit Frauen und Männern Zärtlichkeiten austauschen gesehen haben. Allerdings war das mit Frauen lange Zeit nur auf Partys und nicht ganz nüchtern der Fall.
In einer Kleinstadt geboren und aufgewachsen, kannte ich lediglich die heteronormative Lebensrealität und es fehlte an queeren Vorbildern. Als ich mich während des Studiums als offiziell bisexuell outete, reagierten meine damaligen Freundinnen sehr interessiert und mein männliches Umfeld mit einem Augenzwinkern, was mir das Gefühl gab, fortan eine Sexfantasie für sie zu sein.
Auch die Männer, mit denen ich in den folgenden Jahren bis zu meinem Umzug nach Berlin liiert sein sollte, erhofften sich von meiner sexuellen Orientierung in erster Linie zwanglose Dreier und kommunizierten dies auch mehr oder weniger direkt.
Andere Frauen waren für meine Partner niemals ein Problem, wenn ich andere Männer daten wollte, hingegen schon. Hallo Patriarchat, hallo toxische Männlichkeit! Mittlerweile ist das nicht mehr so. Meine Familie hingegen hätte nicht besser auf mein Coming-out reagieren können: 'Nadine, Hauptsache du bist glücklich!'"
"Kurz nachdem ich im Oktober 1994 meine Ausbildung bei der Bundespolizei begonnen hatte, erhielt ich die erste Ergänzungslieferung für meine Gesetzestext-Loseblattsammlung in den Händen: § 175 StGB aufgehoben. In diesem Moment wurde mir erst so richtig bewusst, dass meine Kolleginnen und Kollegen bis vor Kurzem den gesetzlichen Auftrag hatten, homosexuelle Menschen wie mich strafrechtlich zu verfolgen, wenn wir unsere Zuneigung zueinander offen zeigten.
Zu der Zeit war ich in der Polizei noch nicht geoutet und musste mir überlegen, ob ich bleibe oder mir einen anderen Beruf suchen sollte. Zwei Jahre später hatte ich dann mein Coming-out im Dienst und ich war überwältigt, dass mich die meisten Kollegen so akzeptierten, wie ich bin.
Ich hatte große Angst davor, dass meine Kollegen ablehnend reagieren könnten. Immerhin teilten wir nicht nur unsere Zimmer miteinander, sondern gingen miteinander zum Sport und Duschen, hatten Polizeitraining mit intensivem Körperkontakt und liefen gemeinsam Streife. Einige meiner Kollegen hatten anfangs Vorbehalte, doch viele von ihnen akzeptierten mich wie ich bin.
Der Zusammenhalt und die soziale Unterstützung haben mir viel Kraft gegeben und dieses Gefühl will ich an andere Kollegen und Kolleginnen weitergeben."
"Wenn du queer bist und wie ich als Dragqueen unterwegs bist, hast du mehrere Outings. Meine ersten, die fürs Schwulsein, waren zwischen 12 und 15 Jahren. Damals wurde mir von meinem Umfeld suggeriert, das könnte ich doch noch gar nicht wissen. Ich sei zu jung, ich hätte doch nie mit einer Frau geschlafen. Solche Dinge. Ich wurde nicht ernst genommen. Dabei kostet es so viel Überwindung, über solche Dinge überhaupt zu sprechen.
Mein drittes Outing war dann noch mal vier Jahre später. Das als Dragqueen. Da war meine Mutter dann total begeistert und fragte: 'Wie Olivia Jones?' Und ich meinte: 'Ja, Mama. Nur anders.' Damit war das Thema erledigt. Ich würde mir so wünschen, dass es in Zukunft einfach ganz egal ist, ob wir schwul, lesbisch, hetero oder etwas anderes sind.
Denn wie wir alle wissen, hat die Sexualität nichts damit zu tun, ob du ein guter Mensch bist oder was du beruflich leistest. Und es ändert sich dadurch auch nichts. Es ist kein Komet gelandet, nichts ist explodiert und ich bin dadurch auch nicht mega reich geworden."
Olivia Jones erinnert sich vor allem an den Satz ihrer Oma zu ihrer Mutter, die nach ihrem Coming-out sagte: "'Mach dir keine Sorgen, das ist nur eine Phase.' Zum Glück habe ich sehr früh gelernt, Shitstorms und Gegenwind als Rückenwind zu nehmen."
"Ich habe mich nicht nur einmal geoutet, sondern öfter. Das lag daran, dass mir die Worte fehlten und ich dachte, das einzige Label, was mich beschreibt, sei eben 'lesbisch'. Ich habe mich aber nicht immer nur zu Frauen hingezogen gefühlt und war mehr als verwirrt und alleine. Irgendwann fand ich endlich zu den Vokabeln, die ich brauchte und mein Sein machte einen Sinn.
Geoutet habe ich mich durch meine Musik, durch E-Mails oder Poetry. Vor meiner Schule habe ich meinen Song gesungen und immer gar nicht so viel geredet. Durch mein Sein und meinen Weg habe ich immer versucht, alle mitzunehmen auf meiner Reise und habe nie verlangt, dass andere schon ein Wissen besitzen, welches mir so lange fehlte. Ich wurde sehr positiv und voller Liebe aufgefangen."