Egal, wie man zu Cathy Hummels steht: Mit Björn Höcke hätte man die Influencerin vor ein paar Tagen nicht mal entfernt in Verbindung gebracht. Aber seit Donnerstag leben wir in einer anderen Welt.
Anfang der Woche fiel das Urteil in einem Prozess gegen den AfD-Politiker Björn Höcke. Dieser hatte im Mai 2021 in Sachsen-Anhalt eine Rede mit den Worten geschlossen: "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland". Wegen der Verwendung der SA-Parole "Alles für Deutschland" wurde Höcke zu einer Geldstrafe verurteilt.
Zwei Tage später schrieb Cathy Hummels unter einen Werbe-Post bei Instagram mit Bezug auf die Fußball-EM 2024: "Das wird ein grandioses Erlebnis. Alles für Deutschland!" Hummels entschuldigte sich und löschte ihren Post umgehend.
Natürlich sind diese Fälle nicht vergleichbar und dennoch hängen sie eng zusammen. Es sind dieselben Worte, geäußert von zwei vollkommen unterschiedlichen Personen des öffentlichen Lebens in zwei vollkommen unterschiedlichen Themenwelten. Und dennoch, gerade deshalb, birgt die Unbedarftheit von Hummels Zündstoff.
Denn die AfD und Björn Höcke kündigten bereits an, in Berufung gehen zu wollen. Und Höcke erkannte das Potenzial des Shitstorms um Hummels. In einem Social-Media-Post gab er an, die Influencerin anzeigen zu wollen, um "die Absurdität des Urteils gegen mich zur Kenntlichkeit zu entstellen".
Der Fall Cathy Hummels kommt Höcke und der AfD entgegen. Die Frage ist, wie sehr und in welchen Bereichen er dem rechtsextremen Politiker helfen kann. Könnte die Debatte um Hummels womöglich sogar Auswirkungen auf den Ausgang des Berufungsprozesses haben?
Gegenüber watson schätzt Rechtsanwalt Christian Solmecke das Verhältnis zwischen den beiden Fällen ein.
Solmecke hebt ausdrücklich die unterschiedlichen Kontexte hervor, in denen die Wörter gefallen sind. "Voraussetzung einer Bestrafung nach § 86a Abs. 1 StGB ist, dass der Täter das Wesen des von ihm verwendeten verbotenen Kennzeichens kennt oder billigend in Kauf nimmt." Bei Höcke, einem Oberstudienrat für Geschichte und Vorsitzenden einer Landtagsfraktion, sei diese Voraussetzung gegeben. Bei Hummels nicht.
Cathy Hummels habe die Worte "Alles für Deutschland!" lediglich im Rahmen einer "banalen" Werbung zur Fußball-EM verwendet. "Dennoch", so Solmecke, "ist die Aussage von Cathy Hummels maximal unglücklich und deplatziert, besonders vor dem Hintergrund des medial heiß diskutierten Falles von Björn Höcke."
Vermutungen über direkte juristische Auswirkungen auf den Fall Höcke zerstreut Solmecke: "Zwar hat Höcke Revision gegen das gegen ihn ergangene Urteil des Landgerichts Halle eingelegt. Der Bundesgerichtshof prüft das Urteil jedoch nur auf Rechtsfehler." Der Rechtsanwalt ergänzt:
Da ist aber immer noch die Dimension der öffentlichen Debatte, die Höcke und der AfD womöglich ohnehin wichtiger ist. Höcke profitierte wohl ohnehin von dem Prozess, vermutete etwa der Jurist Thomas Fischer im "Spiegel".
Der Vorsitzende Richter erklärte in der Verhandlung, der Politiker habe mit der Verwendung der verbotenen SA-Parole Grenzen testen wollen. Letztlich ging es ihm wohl um eine Verschiebung der Grenzen des Sagbaren und die Verdünnung der deutschen Erinnerungskultur.
Cathy Hummels wurde dabei womöglich zur Unterstützerin, wenn auch versehentlich.
Solmecke glaubt: "Da Höcke stets beteuert hat, nicht gewusst zu haben, dass es sich bei 'Alles für Deutschland' um eine SA-Losung handelt, kommt ihm die Äußerung von Hummels für seine Argumentation nun sicher sehr gelegen."
Jetzt kommen wir wieder zu den vollkommen gegensätzlichen Kontexten, in denen die Worte gefallen sind. Höcke könnte eben genau von der Unbedarftheit Cathy Hummels' und der oberflächlichen Glitzerwelt Instagram profitieren:
Es wäre eine ironische, bittere Pointe auf diesem ohnehin bizarren Fall.