Seit dem 12. Mai lief in New York der Prozess gegen Sean "Diddy" Combs. Der Rapper war jahrzehntelang einer der einflussreichsten Rapper und Unternehmer in den USA. Seine Karriere wird von schweren Anschuldigungen überschattet, wegen der er sich zuletzt vor Gericht verantworten musste.
Ihm wurden Sexhandel, organisierte Kriminalität und andere Straftaten vorgeworfen. Die Anschuldigungen bestritt er jedoch und plädierte auf nicht schuldig. Ursprünglich stand eine lebenslange Haftstrafe im Raum. Diese wird mit Blick auf das Urteil nicht eintreffen, denn die Geschworenen sprachen ihn von den schwersten Vorwürfen frei.
Er wurde jedoch in Anschuldigungen in Zusammenhang mit Prostitution schuldig gesprochen. Das waren die am wenigsten schwerwiegenden Anklagepunkte. Rechtsanwalt Christian Solmecke, Partner von der Medienrechtskanzlei WBS Legal, erklärt gegenüber watson, was das Urteil vor allem für Sean Combs bedeutet.
Christian Solmecke beantwortet zunächst die Fragestellung, ob das Urteil als Erfolg für Sean Combs bezeichnet werden kann. Er sagt: "Ja, das Urteil muss als juristischer Erfolg für Sean Combs gewertet werden. Die Jury hat ihn von den schwerwiegendsten Anklagepunkten – Menschenhandel und organisierte Kriminalität – freigesprochen." Und weiter:
Cassie Ventura und eine Ex-Freundin, die vor Gericht unter dem Namen "Jane" auftrat, schilderten detailliert, was sie in der Zeit mit Sean Combs erlebt hätten. Jane beispielsweise, die von 2021 bis 2024 eine Beziehung mit dem Rapper geführt habe, gab an, sie sei regelmäßig zu "Freak Offs" – also exzessiven Sexpartys – gezwungen worden.
Auch Sängerin Cassie machte schockierende Angaben und sprach von jahrelanger Gewalt und sexuellen Übergriffen durch den Musikproduzenten. Solmecke betont mit Blick darauf, was das Urteil für die Zeuginnen aussagt, die den 55-Jährigen schwer belastet haben:
Darüber hinaus merkt der Medienanwalt an: "Schaut man sich den Prozess an, ist das ein fatales Zeichen für Opfer von sexualisierter Gewalt und ein enormer Rückschritt für die #MeToo-Bewegung."
Bisher ist das Strafmaß noch nicht bekanntgegeben worden. Dies wird zu einem späteren Zeitpunkt von Richter Arun Subramanian erfolgen.
Welches Strafmaß allerdings zu erwarten ist, schätzt Christian Solmecke so ein: "Ihm droht nicht mehr lebenslänglich, was sicher das Wichtigste für ihn ist. Sean Combs wurde in zwei Punkten schuldig gesprochen, worauf jeweils bis zu zehn Jahre Haft drohen."
Und weiter: "Ihm drohen nun also bis zu 20 Jahre Haft, allerdings ist es denkbar, dass der Richter entscheiden wird, dass er die Strafen zeitgleich absitzen darf. Dies würde die Gesamthaftzeit nochmals deutlich reduzieren." Bis zur Verkündung des Strafmaßes müsse Sean Combs in jedem Fall in Haft bleiben.
Bleibt nun die Frage, warum der Rapper in den schwerwiegendsten Punkten nicht für schuldig gesprochen wurde. Der Medienanwalt erklärt:
Im Fall Combs sei die Jury offenbar nicht vollends überzeugt, dass sich Combs unter anderem des Menschenhandels und der organisierten Kriminalität schuldig gemacht habe, gibt Solmecke zu verstehen. "Hier hat die Verteidigung im Laufe des Prozesses erfolgreich Zweifel gesät", betont er.
Christian Solmecke stellt abschließend fest, wie das Urteil hinsichtlich des US-amerikanischen Rechtssystems zu verstehen ist. "Es zeigt vor allem nochmals eindrücklich, dass sich das US-Rechtssystem in zahlreichen Punkten fundamental von unserem in Deutschland unterscheidet", sagt er.
Zudem merkt Solmecke an: "Gerade das Rechtsinstitut der 'Jury' im US-Strafverfahren ist komplex und zeigt immer wieder auch die Schwächen des Systems aus Laienrichtern auf."
Der Grund: "Eine starke Verteidigung, die es schafft, Zweifel an der Unschuld des Mandanten zu säen, kann einen Freispruch erringen, obwohl die Beweislage eigentlich erdrückend ist." Dies lasse sich letztlich auch auf den Fall Sean Combs übertragen.
Christian Solmecke legt dar: "Im Fall Combs hat die Verteidigung immer wieder hervorgehoben, dass Combs zwar kein netter Mann sei, aber ein Verbrecher sei er deswegen nicht und schon gar nicht der Chef einer kriminellen Bande." Und weiter:
Darüber hinaus führt er über das Anwaltsteam von Sean Combs aus: "Diese konsequente Darstellung hat am Ende dazu geführt, dass die Jury Combs nicht ohne Zweifel als schuldig ansah. In Deutschland, da bin ich mir sicher, wäre der Fall anders ausgegangen."