Nicht selten wünscht man sich bei einem "Tatort", er wäre schon nach einer Stunde vorbei. Die traditionsreiche Krimi-Reihe begeistert in der ARD selten mit originellen Fällen, häufig schlagen die Ermittlerteams in den letzten Minuten nur noch Zeit tot, bis dann in den finalen Momenten irgendein Täter oder eine Täterin präsentiert wird.
In der neuen "Tatort"-Folge aus Kiel tat der Regisseur dem Publikum einen Gefallen – zumindest schien es für ein paar Sekunden so. Das Duo Borowski (Axel Milberg) und Sahin (Almila Bagriacik) packte nach zwei Dritteln seine Sachen, der gewohnte Abspann lief samt bekannter "Tatort"-Melodie. Häh, schon vorbei? Nein, alles nur ein (gar nicht so schlechter) Scherz.
So lief der "Tatort"-Gag (ohne Spoiler zum Fall): Nach einer Stunde erreichten die Ermittlungen von Borowski und Sahin einen toten Punkt. Sie wähnen sich in einer Sackgasse. Der Fall: Tobias Exner betrog seine Frau Greta mit einer anonymen Internetbekanntschaft. Gemeinsam planten sie den Mord der wohlhabenden Greta. Allerdings verschwindet Tobias, bevor der Plan in die Tat umgesetzt werden kann. Es gibt also keinen Mord und keinen Täter.
Die logische Konsequenz nach 69 Minuten: Auch der Film ist vorbei. In einem Verhörraum unterhalten sich die desillusionierten Borowski und Sahin. "Es ist nicht unsere Aufgabe, uns ein Verbrechen auszudenken, nur, weil wir keine Erklärung für das Verschwinden einer Person haben", meint Borowski.
Seine Kollegin sieht das anders und meint sarkastisch: "Verstehe. Was wir nicht erklären können, ist also nicht passiert. Kein Opfer, kein Verbrechen. Wir haben den Fall gelöst. Super."
Mit dem nächsten Satz kommentiert sie dann die Kamera, die im Verhörraum die Gespräche mit den Zeug:innen und Tatverdächtigen aufzeichnet – und spielt gleichzeitig auf die realen Drehbemühungen des "Tatort"-Teams an: "Läuft die Kamera eigentlich noch?"
Ja, das tut sie, aber warum? Mit den Worten "Das war's, Feierabend" bereitet Borowski dem Spiel ein Ende und schaltet die Kamera aus. Nach 69 Minuten läuft der "Tatort"-Abspann.
Ein paar Sekunden später stellt sich allerdings heraus: Wir befinden uns immer noch im Film. Die Tatverdächtige Greta Exner (Cordelia Wege) schaut einen "Tatort" im "Tatort". Die Handlung geht weiter, aber vier Wochen in der Zukunft.
Beim Publikum erzielte die Szene die erwünschte Wirkung. Bei Social Media reagierten viele Zuschauer:innen komplett verdattert. Insgesamt kam der ironische Witz aber gut an.
Auch Regisseur Andreas Kleinert hatte seinen Spaß mit der Szene, erklärte er im "Stern". Ein "offenes Ende" wie in der Szene könne er sich bei einem "Tatort" vorstellen. Aber dieser Moment sollte nur "so eine kleine Frechheit sein". Er wollte mit dem vorzeitigen Ende ganz bewusst das Publikum provozieren, meint er:
Der "Tatort" lief nach dem Abspann noch knapp 20 Minuten und in diesen lieferten Borowski und Sahin auch eine befriedigende Auflösung – bevor am Sonntagabend zum zweiten Mal der Abspann lief.