Treiben "Wicked" und seine Stars Marketing-Spielchen mit Teilen des Publikums? Die Musical-Verfilmung ist einer der größten Blockbuster des Jahres, der erste Teil verschlang ein Produktionsbudget von circa 150 Millionen US-Dollar. Und für das Marketing sollen nochmal 100 Millionen draufgegangen sein.
In der Handlung geht es um zwei Hexen, zwischen denen eine enge Freundschaft entsteht. Angesiedelt ist der Film in der Fantasy-Welt von Oz, in der auch die bekannte Geschichte "Der Zauberer von Oz" spielt. Die Hauptrollen der Hexen Elphaba und Glinda verkörpern Cynthia Erivo und Ariana Grande, die seit Wochen gemeinsam mit ihrem Werk um die Welt touren.
Das Verhältnis zwischen den Figuren ist innig, das betonen die beiden Stars unentwegt – auch die Schauspielerinnen verstehen sich vorgeblich blendend. Nichts soll das umarmende, warme, harmonische Bild des Films untergraben. Und das ist ja auch erstmal in Ordnung, so funktioniert Marketing. Aber womöglich schossen die Beteiligten über das Ziel hinaus.
Bei einem Interview mit dem queeren Magazin "Gay Times" wurden Grande und Erivo gefragt, was sie davon hielten, dass manche Fans romantische Gefühle in die Bindung zwischen den Hexen interpretieren, sie also shippen.
Grande erklärte, ihre Figur Glinda sei womöglich ein wenig "in the closet", was so viel bedeutet wie: Queer, aber noch nicht geoutet. "Man weiß nie. Gib dem noch etwas mehr Zeit."
Grande fährt fort mit einer Beschreibung der Oz-Welt, in der "alle einfach so schön queer sind, und das geht auf die Bücher von L. Frank Baum zurück, in denen das am häufigsten verwendete Wort 'queer' ist." Jeder Tag in der Welt sei eine "Pride-Parade und selbst die Hühner sind homosexuell".
Das mag alles so sein. In Deutschland wurde "Wicked" einem breiten Pressepublikum noch nicht gezeigt, auch im Kino startet der Film erst Mitte Dezember. Relativ sicher kann man jedoch sagen, dass die Hexen in dem Film wohl eher keine lesbische Beziehung eingehen und diese vor der Kamera etwa mit einem Kuss ausleben.
Sollten queere Schwingungen im Film vorkommen, so verbleiben sie vermutlich im Subtext. Daran stört sich die queere Community verständlicherweise. Ariana Grande bereitet diesen Twist im Interview schon vor: "Es ist einfach eine wahre Liebe, und ich denke, das geht über die Sexualität hinaus."
Lesbische Liebe oder doch nur eine innige Freundschaft? Das soll das Publikum mal schön für sich selber interpretieren. Die queere Community kritisiert vermeintlich homosexuell codierte Figuren, die sich in Filmen oder Serien aber nicht explizit homosexuell verhalten (dürfen), mit dem Begriff Queerbaiting.
Queerbaiting entsteht meist dann, wenn große Studios queere Figuren und Szenen abmildern, aus Angst konservative Märkte abzuschrecken.
Die Queerbaiting-Antennen schlugen auch bei Ariana Grandes Äußerungen zum Film aus, berichtet "Daily Mail". Eine Person kommentierte das Interview mit: "Das Queerbaiting gerät außer Kontrolle."
Bei X fragt diese entnervte Person: "Müssen wir das immer wieder machen?"
Sie schreibt weiter: "Es ist das "Wicked"-Musical, es ist schon queer genug, du musst nicht so tun, als hätte eine der Hexen eine lesbische Beziehung off Screen gehabt, aus Angst, dass die Leute dich wegen der mangelnden Repräsentation canceln."
Was man Ariana Grande bei der Kritik zugutehalten muss: Sie wurde explizit nach ihrer Interpretation des Verhältnisses gefragt. Dass ihre Antwort recht offensichtlich in Queerbaiting-Muster fällt, ist unglücklich, aber wohl nicht so kalkuliert, wie ihr nun viele vorwerfen.