Jeder kennt Google Maps. Wir alle haben schon einmal vor dem Urlaub gecheckt, wie weit das Hotel vom Strand entfernt ist oder haben uns einfach nur unser Haus von oben angeschaut. Aber habt ihr auch schon einmal von Terravision gehört? Dann geht es euch wahrscheinlich wie den meisten Menschen. Das wird die Serie "The Billion Dollar Code", die seit dem 7. Oktober neu bei Netflix zu sehen ist, jetzt ändern.
Diese beruht auf einer wahren, fast unglaublichen Geschichte: 1994 entwickeln Berliner Studenten der Universität der Künste und Mitglieder des Chaos Computer Clubs ein Programm, mit dem man mit Hilfe von Satellitenbildern auf jeden Punkt der Erde zusteuern konnte. Elf Jahre später stellt Google mit Maps ein ganz ähnliches Programm zur Verfügung. Haben sie den Code von Terravision gestohlen? Die Berliner Entwickler verklagen Google daraufhin wegen Verletzung des Patentrechts. Wie dieser David-gegen-Goliath-Kampf ausgeht, erfahrt ihr in der Miniserie.
Watson hat mit Marius Ahrendt gesprochen, der in der Serie den Hacker Juri Müller spielt. Dieser entwickelt gemeinsam mit dem dem Kunststudenten Carsten Schlüter Terravision. Im Interview erzählt der Schauspieler, wie es für ihn war, seine erste große Netflix-Serie zu drehen, warum er zehn Kilo für seine Rolle zugenommen hat und wie er sich dabei fühlte. Zudem verrät er, wo die Serie gedreht wurde. Spoiler: nicht in Berlin!
watson: Hast du Gemeinsamkeiten mit deiner Rolle Juri Müller? Wenn ja, welche?
Marius Ahrendt: Ich konnte das Schüchterne und Zurückhaltende sehr gut nachempfinden, weil ich mich selbst etwas eingeschüchtert gefühlt habe. "The Billion Dollar Code" ist das erste große Projekt dieser Art für mich und ich wollte natürlich unbedingt zeigen, dass ich zu Recht besetzt worden bin. In den ersten Tagen war ich so aufgeregt, dass ich froh war, dass ich noch nicht so viel Text hatte. Das hat sich dann aber auch schnell gelegt. Im Großen und Ganzen würde ich aber sagen, dass Juri und ich nicht viel gemeinsam haben. Ich kann beispielsweise überhaupt nicht Programmieren. (lacht)
Hattest du schon vor der Serie Ahnung vom Thema oder schon einmal von Terravision gehört?
Gar nicht! Das erste Mal habe ich davon im Drehbuch gelesen, als ich mich auf das Casting vorbereitet habe. Ich war total begeistert, weil ich finde, dass es eine Geschichte ist, die man kennen sollte.
Hast du die echten Vorbilder der Geschichte kennengelernt?
Die Produzenten hatten Kontakt mit den Leuten, die die Geschichte wirklich erlebt haben. Wir Spielende zunächst nicht, ich habe sie jedoch auf der Premiere kennenlernen dürfen. Dort haben wir uns darüber ausgetauscht, wie sie die Serie finden.
… und?
Sie waren sehr begeistert und dankbar, dass wir ihre Geschichte auf den Bildschirm bringen und sie nun erzählt wird.
Wie unterscheidet sich denn die Serie von der echten Geschichte?
Die Figuren, die wir spielen, sind nur inspiriert von den echten Akteuren, so zum Beispiel mein Charakter, der ein Zusammenspiel aus zwei bis drei echten Menschen ist. Genauso Leonard Scheichers Figur Carsten. Zugunsten der Geschichte wurden die wahren Begebenheiten verändert und dramatisiert.
Wie war es, für Netflix zu drehen?
Wir mussten unter großen Herausforderungen mitten während der Corona-Pandemie drehen. Es gab deswegen große Einschränkungen zu unserem Schutz, doch Netflix und die Produktion haben alles daran gesetzt, dass wir bestmöglich arbeiten können. Beispielsweise wurden wir regelmäßig getestet. Man hat gemerkt, dass sie alle von dem Projekt überzeugt sind und es erfolgreich umsetzen wollen.
Im TV-Zweiteiler "Altes Land" hast du die junge Version des Schauspielers Peter Kurth gespielt und in "The Billion Dollar Code" stellst du die junge Version von Mišel Matičević dar…
Das ist meine Schublade. (lacht) Ich war ehrlich gesagt überrascht, dass ich für "The Billion Dollar Code" unter anderem wegen meiner Ähnlichkeit zu Mišel angefragt wurde. Ich habe das nicht gesehen, aber anscheinend alle anderen. Es wurde jedoch auch viel an meinem Aussehen verändert. Ich habe entsprechende Kostüme, eine Perücke, eine Brille und sogar eine falsche Nase bekommen. Außerdem habe ich zehn Kilo zugenommen.
Wie war das, so viel für eine Rolle zuzunehmen? Wolltest du das Gewicht danach wieder loswerden?
Ich wollte es auf jeden Fall wieder abnehmen. Das Zunehmen war in Absprache mit der Regie passiert und auch Mišel und ich haben uns gemeinsam überlegt, wie wir die Rolle umsetzen wollen: sowohl inhaltlich als auch körperlich. Deshalb haben wir uns darauf geeinigt, dass wir für die Figur zunehmen. Für das Spiel hat es mir geholfen, doch privat habe ich mich damit unwohl gefühlt. Als der Dreh vorbei war, habe ich auch versucht, so schnell wie möglich alles wieder abzunehmen. Ich habe es aber noch nicht ganz geschafft.
Das war ja ein ganz schöner Einsatz für die Rolle!
Es hat aber Spaß gemacht, denn es war das erste Mal, dass ich mit so einer Anfrage konfrontiert war. Beim Theater ist so etwas nicht möglich, da spielst du bis zu acht Stücke parallel und kannst dich nicht für eine spezielle Rolle so körperlich verändern. Ich habe es eher als spannende Herausforderung wahrgenommen und auch den Mehrwert für die Rolle und das Projekt gesehen, deshalb hatte ich damit kein Problem. Und ich hatte natürlich das naive Denken, dass ich noch jung bin und das Gewicht schnell wieder runterkriege (lacht).
Wie war es, im "Berlin der Neunziger" zu drehen? Wie wurde das umgesetzt?
Die Serie wurde komplett in Budapest gedreht. Ursprünglich war geplant, dass wir in verschiedenen Ländern und Orten drehen. Aber wegen der Corona-Pandemie und den Reisebeschränkungen haben wir alles in Budapest umsetzen müssen. Ich finde, das hat sehr gut funktioniert. Wir haben viel im Studio gedreht, aber hatten auch Außendrehs in der Stadt. Da hat das Team gute Plätze gefunden, wo man wirklich annehmen kann, dass es sich um das Berlin der Neunziger handelt. Ich bin ja selbst erst in den Neunzigern geboren und weiß von daher nicht, wie es war, aber ich habe mich auf das Team verlassen. Von meinem Empfinden her funktioniert es super.
Auf die Zusammenarbeit mit welchem deiner Kollegen bei "The Billion Dollar Code" hast du dich am meisten gefreut?
Ich habe mich am meisten auf Leonard Scheicher gefreut, mit dem ich ja auch die meiste Zeit verbracht habe. Wir kannten uns vorher schon ein wenig und durch den Dreh konnten wir uns dann noch besser kennenlernen. Es war es eine große Freude, mit ihm zusammenarbeiten zu können.
Was war der witzigste Moment beim Filmen?
In einer Szene schmeißen wir eine Party in unserem Büro, bewerfen uns mit allen möglichen Sachen und rangeln. Das haben wir bei 35 Grad im Hochsommer gedreht und ich habe eine Perücke und eine falsche Nase auf. Wir mussten Wintersachen tragen, um die Zeit richtig darzustellen und ich merke, dass ich alles herunterschwitze. Ich konnte natürlich nicht meine Haare und meine Nase festhalten, merkte aber, wie alles rutscht. Ich habe nur gehofft, dass man es in der dunklen Einstellung nicht sieht, aber am Ende des Takes waren die Perücke und die Nase ab. Das wieder anzubringen hätte anderthalb Stunden gedauert. Am Ende haben wir es zum Glück bei dem Take belassen.
Spielst du lieber vor der Kamera oder Theater?
Es hat beides seine Vorteile und ich finde es auch schwer zu vergleichen, da es so verschiedene Formen der Kunst sind. Es ist ein Luxus, dass ich mir von der Couch aus so ein breites Repertoire an Genres anschauen kann. Total schön! Und ins Theater zu gehen, hat etwas Heiliges, finde ich. Man setzt sich für zwei Stunden hin und schaut Leuten zu, wie sie auf der Bühne agieren. Es entsteht dort ein besonderer Bann, in den ich gerne gezogen werde.
Was hältst du als Schauspieler und Person, die in der Öffentlichkeit steht, von Social Media? Ist es wichtig für deine Karriere?
Ja, ist es. Ich kann mich darüber promoten und es bestmöglich für meine Zwecke nutzen. Social Media bietet für Schauspielerinnen und Schauspieler ein riesiges Potenzial, denn man kann sich selbst unglaublich gut vermarkten. Man muss nur aufpassen, dass man sich nicht nur darüber definiert und sich nicht selbst anhand der Klicks bewertet.
Macht es dir denn Spaß, dich in den sozialen Medien darzustellen?
Ich finde es erschreckend, was es manchmal für eine Befriedigung ist, zu sehen, wie viele Likes ein Bild oder wie viele Klicks eine Story bekommen hat. Ich bin da eher zwiegespalten und habe mich auch lange dagegen gewehrt, Instagram zu benutzen. Obwohl ich den Mehrwert natürlich sehe. Ich wollte einfach nicht darin gefangen sein. Ich nutze es jetzt seit einem Jahr und merke auch, dass es etwas bringt. Es hat also auch seine Vorteile.
Was denkst du persönlich: Hat Google den Code von Terravision gestohlen?
Ich bin natürlich für den Underdog Art+Com beziehungsweise Terravision. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sollen aber selbst entscheiden, ob es eine Verletzung des Patentrechts war – oder eben nicht.