Die letzte Krönung in Großbritannien liegt schon eine ganze Weile zurück. Vor 70 Jahren wurde Queen Elizabeth II. in der Westminster Abbey gekrönt, am 6. Mai ist nun ihr Sohn Charles an der Reihe. Seither hat sich eine ganze Menge verändert, nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Medienlandschaft.
Medienexperte Ferris Bühler erklärt gegenüber watson, warum die Royals auch im Internet-Zeitalter noch so relevant sind und warum Prinz Louis, der zum Meme-Star wird, gut für die Königsfamilie ist.
watson: Warum taugt eine Traditionsveranstaltung wie eine Krönung auch heute noch als mediales Großereignis?
Ferris Bühler: Die Krönung von Queen Elizabeth II. war die erste Krönung, welche 1953 im Fernsehen übertragen wurde. Damals verfolgten über 20 Millionen Menschen den Großanlass live auf BBC, wobei wir beachten müssen, dass es zu dieser Zeit noch kaum Fernsehgeräte in allen Haushalten, geschweige denn in allen Zimmern gab und der britische Palast eine Institution war, die für viele Menschen weit entfernt und kaum greifbar war.
70 Jahre später sieht dies alles anders aus: Durch die heutige Berichterstattung der unzähligen Promi-Magazine, die Serien und Dokus von Streaming-Anbietern sowie durch die sozialen Medien ist die Öffentlichkeit auf der ganzen Welt sehr nahe an den Royals und brennend daran interessiert, was im Palast gerade passiert.
Was hat sich in den letzten 70 Jahren für die Royals noch verändert?
Die britische Königsfamilie ist mittlerweile zu einer der bekanntesten Marken der Welt geworden, vergleichbar mit Apple oder Burberry. Wenn nun ein einzigartiger Höhepunkt wie eine Krönung mit Gästen aus der ganzen Welt ansteht und sogar noch live übertragen wird, so zieht dies das weltweite Interesse auf sich.
Inwiefern beeinflusst es die Planung eines solchen Großevents wie einer Krönung, dass heutzutage im Internet alles in Echtzeit kommentiert und analysiert werden kann?
Die britische Monarchie hat sich in den letzten Jahren stark verändert: War es früher eine geheimnisvolle, magische Institution irgendwo in England, so ist sie heute zu einer Monarchie des öffentlichen Dienstes für die ganze Welt geworden. Dies hat dazu geführt, dass auch das Königshaus medial aufgerüstet hat und sich seiner neuen Rolle und Erwartungen bewusst ist.
Welche Konsequenzen hat das Königshaus gezogen?
Der Palast hat erkannt, dass durch eine enge Kooperation mit den Medien die Berichterstattung positiv beeinflusst werden kann. Verfolgten bei der Krönung von Queen Elizabeth II. nur gerade 20 TV-Kameras den Anlass, so wird heute der ganze Großanlass auf die Bedürfnisse der Medien abgestimmt.
Was bedeutet das konkret?
Dies sieht man alleine bereits, wenn man die Vorbereitungen in den letzten Tagen beobachtet: Abgesperrte Zonen von mehreren Kilometern, die ausschließlich den Medienvertretern aus der ganzen Welt zur Verfügung stehen, spezielle Interview-Zonen für die Gäste und mehrere Medienzentren mit Arbeitsplätzen für über 1.000 Medienschaffende. Die Krönung ist medial größer geplant als die Oscar-Verleihung.
Könnten oder sollten die Royals die sozialen Medien noch mehr nutzen, um so ein Großevent zu vermarkten?
Ich sehe durchaus noch Potenzial in den sozialen Medien der Royals. So könnte der Palast mit eigenen Content-Produktionen die Bevölkerung hinter die Kulissen des Großevents mitnehmen und exklusive Einblicke geben.
Welchen Nutzen hätte das aus Sicht der Königsfamilie?
Der Vorteil dabei ist, dass mit solchem Exklusiv-Content vielen klassischen Medien der Wind aus den Segeln genommen werden kann. Oder anders: Der Palast kann so gezielt Botschaften und Bilder vermitteln und behält dabei stets die Kontrolle. Absehen würde ich hingegen von kommerziellen, bezahlten Kooperationen mit Marken, da dies schnell billig wirken kann und sich die Bevölkerung fragen würde, weshalb dies der Palast nötig hat.
Im Vorfeld wurde spekuliert, dass der Moment, in dem Charles gesalbt wird, ebenfalls live übertragen werden könnte. Wird es dazu kommen?
Auch wenn das Königshaus sehr medienfreundlich geworden ist: Die Salbung ist historisch bedingt ein äußerst intimer Moment, der meiner Meinung nach nicht übertragen werden wird – vergleichbar mit der geheimen Wahl des Papstes, wo niemals eine Kamera dabei war.
Beim Thronjubiläum von Queen Elizabeth II. wurde Prinz Louis zum Meme-Star, sogar der offizielle Account von William und Kate sprang auf den Trend auf. Warum funktionieren die Royals auch im Internet so gut?
Verfolgt eine ältere Zielgruppe die Aktivitäten der Royals mehrheitlich über die klassischen Medien wie beispielsweise das Fernsehen, kommen durch die sozialen Medien immer mehr junge Menschen mit der britischen Königsfamilie in Kontakt. Das hat der Palast mittlerweile erkannt und setzt bewusst auf das Internet.
Im Gegensatz zum Fernsehen, wo die Royals sehr förmlich und klassisch abgebildet werden, erleben wir sie in den sozialen Medien viel näher und persönlicher. Immer mehr Menschen wollen gerade diese bisher unbekannte Seite der Royals kennenlernen. Darum dürften wohl auch künftig viele Videos mit Mitgliedern der Royals viral gehen.
Werden William und Kate ihre Kinder diesmal briefen? Oder ist ein Louis, der viral geht, auch gut für ihre Marke "Wales" und kann deshalb einkalkuliert werden?
Selbstverständlich werden William und Kate ihre Kinder für solch einen Großanlass briefen. Aber Kinder sind am Schluss Kinder und machen, was sie wollen. Und gerade das ist es, was die Menschen weltweit sehen wollen – dass selbst königliche Kinder ganz normale Kinder sind. Das wiederum macht die Marke der Royals nahbar und sympathisch.
Herzogin Meghan hatte schon vor längerer Zeit in einem Interview ein Social-Media-Comeback angekündigt, auch über einen Relaunch ihres Blogs wird spekuliert. Wäre es klug oder eher dumm von ihr, sich dafür nun genau die Woche rund um die Krönung auszusuchen?
Die Krönung wäre ein guter Zeitpunkt für dieses Comeback, da die ganze Weltöffentlichkeit nach England schaut und sie eine wichtige Protagonistin sein wird. Sie könnte jetzt darüber berichten, wie sie diesen einzigartigen Moment erlebt und ihre Follower mitnehmen.