Daniel Zillmann: Ihn kennt man aus der ZDFneo-Sitcom "Tanken – mehr als Super" und dem Kinofilm "Die Känguru-Chroniken". Bild: Imago Images / Reto Klar
Interview
Als Schauspieler arbeitet Daniel Zillmann jeden Tag mit seinem Körper. Und in seinem Fall ist sein Körper sein Markenzeichen. Er schreibt im "Curvy Magazine" sogar eine Kolumne mit dem Titel "My fabulous life as a fat actor".
Bei seinem neuen Projekt geht es nicht um Optik. Es geht ums Hören. Denn es handelt sich um einen Podcast. "My fabulous Life" heißt er und startet am 18. Januar.
Mit watson spricht der TV- und Kinostar darüber genauso wie über Body Positivity und Fettphobie in der Film- und Fernsehlandschaft.
watson: Du startest im Januar mit deinem Podcast "My Fabulous Life". Gibt es noch nicht genug Podcasts?
Daniel Zillmann: Natürlich gibt es genug Podcasts. Aber ist doch völlig Wurscht, finde ich. Es gibt ja auch jede Woche neue Filme, neue Bücher, neue Songs. Also kann man auch jede Woche neue Podcasts starten.
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Was willst du damit erreichen?
Was mich schon immer gereizt hat, sind positive Geschichten aus dem Leben von Menschen. Ich will die Aufs und Abs erzählen, mich aber dabei konzentrieren auf die Aufs. Weil ich gemerkt habe: Die letzten Jahre waren so anstrengend für die Gesellschaft. Damit man nicht den Mut verliert, nach vorne zu blicken, will ich von Menschen erzählen, die es aus meiner Sicht zu etwas gebracht haben, die inspirieren und die auch einfach Spaß machen.
Entstanden ist der Podcast aus einer Kolumne, die du beim "Curvy Magazine" hattest: "My fabulous life as a fat actor". Spielt das Thema Body Positivity auch im Podcast wieder eine wichtige Rolle?
Es ist ein ganz wichtiges Thema in der Podcast-Folge mit Nicole Jäger, die Bestseller-Autorin und Standup-Comedienne ist und die sich Body Positivity und Fettphobie als wichtige Themen vorgenommen hat.
Am 28. Januar ist Zillmann im Saarbrücker "Tatort" als Kleinganove zu sehen (ARD).Bild: imago images / eventpress
Wie gehst du selbst mit diesen Themen um?
Wenn ich merke, es geschehen Ungerechtigkeiten, muss ich mich dazu äußern, weil es mich sonst kirre macht. Ich bin jetzt fast 43. Und inzwischen habe ich nicht mehr die gleiche Geduld wie früher, als ich oftmals gedacht habe: "Sei froh, dass du überhaupt drehen kannst." Inzwischen habe ich verstanden, dass man unterscheiden muss. Natürlich ist mein Körper eine Marke. Das ist was Schönes. Aber die Grenze zur Diskriminierung ist teilweise fließend.
Welche grenzwertigen Situationen hast du erlebt?
Wenn ich irgendwelche Stunts machen muss oder Kostümproben, die in katastrophalen Szenarien enden, weil die Leute völlig überfordert sind mit meinen Maßen. Dabei bin ich auch kein Riese! Das macht natürlich was mit einem. Das geht selbst mir als Mann so. Weibliche Kolleginnen von mir leiden oft noch mal mehr unter Situationen wie diesen.
Einmal pro Woche unterhält sich Daniel Zillmann in seinem neuen Podcast "My fabulous live" mit seinen Gästen über inspirierende Geschichten.Bild: Privat / linh20kmh
Hast du noch ein Beispiel?
Warum darf zum Beispiel im Normalfall in einem Film immer nur eine Person hochgewichtig sein? Warum nicht drei oder vier, einfach, weil sie gut reinpassen? Oder: Ich hatte einmal eine Erfahrung in einem seriösen Krimi, die ich geradezu als Wake-up-Call empfunden habe. Ich habe einen Polizisten an einem Tatort gespielt, der sich mit dem ermittelnden Kommissar unterhält. Und ich sollte während des Gesprächs ein Sandwich essen. Quasi direkt neben der Leiche.
"Wie oft habe ich in meinen Anfangsjahren als Schauspieler den Klischee-Dicken gespielt, ohne dass ich mich je so gefühlt hätte?"
Wie bist du damit umgegangen?
Ich will noch mal sagen: Das war kein Comedy-Krimi. Und es war auch kein Tarantino-Moment, der es auf eine andere Art auf die Spitze getrieben hätte. Ich habe einfach nicht verstanden, was das sollte. Und da war ich zum Beispiel sehr stolz darauf, dass ich mich am Ende durchgesetzt habe und diese Szene ohne Sandwich gespielt habe.
Ist die deutsche TV- und Filmbranche geprägt von Fettphobie?
Die Leute sind nicht fettfeindlich. Sie machen das oft nicht bewusst. Und dennoch: Wie oft habe ich in meinen Anfangsjahren als Schauspieler den Klischee-Dicken gespielt, ohne dass ich mich je so gefühlt hätte? Da habe ich innerlich irgendwann einen Widerstand gespürt.
Ich musste anfangen, dagegen anzukämpfen, selbst wenn das so im Drehbuch stand. Ich musste der Figur eine Würde, einen Stolz und eine Perspektive geben. Ich fühlte mich damit aber lange allein. Inzwischen habe ich das Gefühl, dass es mehr Menschen sind, die das so sehen und empfinden wie ich. Und das finde ich sehr schön. Wenn das alles nicht nur hohles Geschwätz, sondern echte, gelebte Diversity ist, dann habe ich Hoffnung. Dann könnte die deutsche Film- und Fernsehbranche noch ein bisschen schöner werden.
In welche Richtung entwickelt sich bei dem Thema der Rest der Gesellschaft?
Ich glaube, die Gesellschaft hat total Potenzial, sich weiterzuentwickeln in einem progressiven Sinne. Aber man darf sich keine Angst machen lassen. Und wir müssen miteinander reden. Auch generationenübergreifend.
Aber wie gelingt das?
Ganz ehrlich: Wenn ich mir beispielsweise den Rechtsruck in Italien ansehe, dann macht mir das auch Angst, weil er hier immer stärker wird. Aber dann denke ich ganz bewusst: Nein, jetzt erst recht! Dann wird mein fauler Arsch plötzlich kribbelig. Wir müssen reden und dann müssen wir handeln. Und dann werden wir auch merken, dass es funktioniert. Nur weil ein Tatort plötzlich divers besetzt ist, heißt das nicht, dass auf einmal weniger Leute zugucken. Die Zahl der Zuschauer bleibt gleich. Und nach und nach ändern sich die Sehgewohnheiten. Wir leben nicht mehr in Hänsel-und-Gretel-Land. Deutschland ist mittlerweile anders. Glücklicherweise. Ich habe da grundsätzlich schon eine Hoffnung. Die wird nur zwischendurch immer wieder mal herausgefordert.
Wie erlebst du den Umgang mit dem Thema auf Social Media?
Immer wieder ganz anders als offline, leider. Ist Social Media dann nur das Tool, um sich abzureagieren?
Reagierst du auf Hate Speech auf Social Media?
Wenn es um ein, zwei Kommentare geht und ich das Gefühl habe, da hat jemand einfach Bock, seinen Frust rauszulassen, dann gehe ich da gar nicht drauf ein. Vom Gefühl her sind das dieselben Leute, die auch Fahrradfahrer anbrüllen und die über Klimakleber und übers Gendern schimpfen. Da denke ich oft: "Meine Güte!" Aber da bringt es in den meisten Situationen nichts, in die Diskussion zu gehen, weil es gar nicht mehr um die Sache geht.
"Bei 'Germany’s Next Topmodel' geht es um die Frage, wie schlagen die sich und wie zicken die sich an? Wie viel weinen und wie wenig essen sie? Das ist rein sadistisch."
Es gibt ein paar Shows im deutschen Fernsehen, in denen es vorrangig um die Körper der Kandidat:innen geht. Eine davon ist "The Biggest Loser". Was hältst du davon?
"The Biggest Loser" triggert mich zum Beispiel, wenn ich bei meinen Eltern bin und die das gucken und dann immer so auf mich schielen. Da denke ich dann immer: Bitte mach die Scheiße aus! Prinzipiell finde ich aber, es ist schon für alles Mögliche Platz da. Und so eine Sendung kann dir ja auch Hoffnung geben. Wenn die Kandidat:innen das mit sich ausmachen und freiwillig mitmachen, weil sie abnehmen wollen, es aber von sich aus nicht schaffen – warum nicht? Das ist deine eigene, private Entscheidung.
Auch bei "Germany’s Next Topmodel" geht es um Körper. Immer wieder wird hier kritisiert, die Show vermittle ein ungesundes Körperbild.
"Germany’s Next Topmodel" steht auf einem ganz anderen Blatt. Dass das Körperbild, das hier vermittelt wird, total problematisch ist, ist klar. Aber genauso schlimm finde ich eigentlich: Die Sendung ist geprägt von einer total kapitalistischen, fast schon voyeuristischen Sicht auf die Model-Anwärter:innen. Da geht es um die Frage, wie schlagen die sich und wie zicken die sich an? Wie viel weinen und wie wenig essen sie? Das ist rein sadistisch. Wenn Leute wie hier vorgeführt werden, finde ich das verantwortungslos und mache da sogar einen Bogen drum.