Studenten-Oscar-Gewinner Tobias Eckerlin kritisiert das deutsche Publikum
Aus über 3000 Beiträgen hat die Oscar-Academy die Gewinner:innen ermittelt – und Tobias Eckerlin ist einer von ihnen. Mehr als drei Jahre arbeiteten der Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg und sein Team an "A Sparrow's Song".
Der Animations-Kurzfilm basiert auf einer wahren Geschichte und handelt von einer Witwe, die inmitten des Zweiten Weltkriegs unter ihrer Trauer leidet. Schließlich findet sie einen verletzten Spatzen, den sie pflegt, und dadurch neue Hoffnung und Lebensfreude schöpft.
Was der Film für Tobias bedeutet, was er sich von der Auszeichnung für seine Karriere erhofft und welche Kritik er an der deutschen Filmlandschaft hat, verrät er im Interview mit watson.
Watson: Wie war es, dieses Event zu erleben und dort diesen Preis auch noch in Gold verliehen zu bekommen?
Tobias Eckerlin: Die Tage in New York waren wirklich unglaublich. Die Verleihung selbst war natürlich der Höhepunkt. Es war ziemlich spannend, aber auch aufregend, vorn mit den anderen Gewinner:innen zu sitzen und die einzelnen Platzierungen zu verfolgen. Als dann klar wurde, dass wir Gold gewonnen haben, war ich total euphorisch und habe direkt zu meinem Kernteam geschaut, das ja mit mir nach New York gekommen war und bei der Verleihung im Publikum saß. Wir hatten wirklich überhaupt nicht damit gerechnet, Gold zu holen. Das war ein unglaublicher Moment! Viele Gefühle auf einmal, aber vor allem: Freude.
Was denkst du, war der ausschlaggebende Punkt für den Erfolg des Films?
Ich glaube, der Film hat auf mehreren Ebenen gewirkt. Zum einen inhaltlich: Die Geschichte, die Umstände und auch die Themen, die der Film anspricht, sind sehr vielschichtig und aktuell. Ich denke aber auch, dass die Inszenierung und das Timing besonders sind: die effiziente und minimalistische Erzählweise, das Produktionsdesign rund um die Hände, das Licht und die Animation. Ich bin überzeugt davon, dass der Film in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes ist.
Was bedeutet dir der Film?
Ich habe das Gefühl, auf menschlicher Ebene etwas Sinnvolles in die Welt gegeben zu haben, weil es eine sehr erzählenswerte und wichtige Geschichte ist. Und auf der anderen Seite, weil man natürlich auch ein Stück seiner Sicht auf die Welt mit anderen Menschen teilt. Auch beruflich ist dieser Film eine Art Visitenkarte, die zeigt, was meine Handschrift ist.
Alle Preisträger:innen können mit ihren Filmen auch in den Kurzfilm-Sparten beim Oscar 2026 mitmachen. Hast du die Hoffnung, dass du bei den Oscars ebenfalls eine Chance haben wirst?
Ich versuche, das ganz entspannt zu sehen. So weit zu kommen, wie wir jetzt gekommen sind, ist schon ein außergewöhnlicher Erfolg, mit dem wir überhaupt nicht gerechnet haben. Ob es nächstes Jahr bei den regulären Oscars klappt, wird sich zeigen. Ich glaube schon, dass wir einen besonderen Film geschaffen haben, aber natürlich gibt es auch viele andere tolle Filme im Wettbewerb. Wir warten einfach ab, aber freuen uns auf jeden Fall auf das, was kommt.
Hast du bereits Pläne, in welche Richtung du nach dem Studium gehen willst? Verändert der Award etwas daran?
Der Award verändert meine Pläne nicht direkt, aber er erhöht natürlich die Chancen, dass ich sie umsetzen kann. Ich möchte weiterhin in der Regie bleiben und Filme realisieren. Die Anerkennung durch die Academy öffnet neue Türen, und man kommt in Gespräche, die vorher vielleicht nicht möglich gewesen wären. Jetzt geht es für mich darum, das nächste Projekt anzugehen, für mich idealerweise einen Langfilm.
Du hast in deiner Dankesrede gesagt, du hoffst, mit einigen der Anwesenden in Zukunft zusammenzuarbeiten: Ist eine Hollywood-Karriere ein Thema?
Grundsätzlich ist die Filmbranche ja sehr international und kollaborativ, daher bin ich da für alles offen und gehe mit den Chancen, die sich ergeben. Einer internationalen Karriere bin ich nicht abgeneigt. Gleichzeitig glaube ich aber auch, dass sich in Europa und Deutschland in den nächsten Jahren spannende Entwicklungen ergeben werden, und ich habe auch großes Interesse daran, diese mitzugestalten und voranzutreiben.
Was muss man in Deutschland tun, um ein erfolgreicher Nachwuchsregisseur zu werden?
Das ist eine komplexe Frage, und es gibt nicht den einen Weg, den man gehen muss. Der Weg in die Regie ist ein sehr individueller Prozess, genauso wie das Filmemachen selbst. Neben Leidenschaft für das Thema, kommt es vor allem auf Folgendes an: Durchhaltevermögen, eine hohe Frustrationstoleranz, Empathie und Reflexionsvermögen.
Was genau meinst du damit?
Durchhaltevermögen und Frustrationstoleranz erklären sich von selbst: Einen Film zu machen, ist ein langer Prozess voller Rückschläge und erfordert viel unerwartete Problemlösung. Dranzubleiben ist schon ein großer Teil des Erfolgs. Mit Empathie meine ich zum einen das Einfühlungsvermögen für eine Geschichte, ihre Charaktere und die Welt, aber auch für das Publikum. Zum anderen gehört es dazu, Empathie für das Team und die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, zu haben. Eine Vision zu haben, ist nur ein Teil der Regie, mindestens genauso wichtig sind Teamführung und Diplomatie. Dafür braucht es wiederum viel Reflexionsvermögen. Und ehrlicherweise hat es ab einem gewissen Punkt auch einfach mit etwas Glück und dem richtigen Zeitpunkt zu tun.
Wie bewertest du die Filmförderung in Deutschland, gerade auch von Nachwuchstalenten? Hat es in den vergangenen Jahren eine Entwicklung gegeben?
Da "A Sparrow’s Song" im Rahmen meines Studiums entstanden ist, hatte ich bislang eigentlich noch keinen direkten Kontakt zur Filmförderung und kann daher noch keine fundierte Meinung dazu äußern. Grundsätzlich finde ich es aber sehr wichtig, dass es Filmförderung gibt, denn sie ermöglicht es, Filme zu realisieren, die etwas freier von den Zwängen des Marktes entstehen können. Filme gehören, wie andere Kunstformen auch, zu einer funktionierenden Gesellschaft.
Und konkret auf Animationsfilme bezogen?
Hierzulande wird Animation meist noch als Medium für Kinder wahrgenommen. Das ist zwar ein wichtiger und wertvoller Aspekt, aber Animation kann so viel mehr sein. Ein Blick nach Frankreich oder in die USA zeigt, dass Animationsfilme dort ganz andere Möglichkeiten haben. Besonders in Frankreich genießen Animation und Kunst im Allgemeinen einen deutlich höheren Stellenwert in der Gesellschaft. Wenn man sich die aktuelle Entwicklung ansieht, merkt man, dass Animation international ganz vorn mitspielt und entsprechend auch in Deutschland neu gedacht und gesehen werden sollte.