"Dachte immer, Sebastian Fitzek wäre 1840 geboren und schon längst tot." Das war ein Kommentar zu einem seiner Videos auf Tiktok. Charmant geht anders.
Dabei ist der Bestseller-Autor auf Social Media mit 261.000 Follower:innen auf Instagram und 81.400 auf Tiktok umtriebiger als viele andere Schriftsteller:innen. Von jungen Menschen wird er mehr gelesen, als diese fiese Bemerkung vermuten lässt. Das wird wohl auch mit seinem neuen Thriller "Das Kalendermädchen" nicht anders sein, der am 23. Oktober 2024 erscheint.
Genau darüber wollen wir mit Sebastian Fitzek aber nicht sprechen. (Das machen alle anderen sowieso.) Im watson-Interview spricht Deutschlands meistverkaufter Autor über die Gen Z, Booktok und seine eigene Planlosigkeit in der Jugend.
watson: Du wolltest als Jugendlicher nicht Schriftsteller werden, sondern Tennisstar. Dann wolltest du Geld verdienen als Schlagzeugspieler in einer Band …
Sebastian Fitzek: ... vor allem, weil ich dachte, dass das bei Frauen gut ankommt.
Und du hast ein Studium der Veterinärmedizin angefangen.
Danach habe ich auch noch Jura angefangen, weil das alle gemacht haben. Ich wusste wirklich gar nicht, was ich wollte. Jura hab ich dann allerdings auch zu Ende studiert.
Heute wird jungen Menschen oftmals vorgeworfen, dass sie nicht wissen, was sie wollen.
Ich kann allen nur raten: Probiert so viel wie möglich aus, bis ihr eure Leidenschaft gefunden habt. Dann werdet darin immer besser. Aber verzweifelt nicht auf dem Weg. Meistens muss man sehr viel üben, bis man etwas wirklich kann.
Über die Gen Z wird immer wieder schlecht geredet. Ein Vorurteil ist, junge Leute seien faul.
Es wurde immer schon über die Jugend geschimpft. Irgendwie scheinen wir immer Gruppen oder Generationen gegeneinander ausspielen zu wollen. Dabei gibt es nicht "die Gen Z". Und in meiner Generation gab es früher genauso viele faule Säcke, ich auch, wie heute unter den jungen Menschen oder eben auch nicht.
Erzähl doch mal, wie faul du warst.
Ein Nebenjob von mir war Wachmann auf Messen, wo ich rumlaufen musste und aufpassen sollte, dass an den Ständen nichts geklaut wird. Das war so eine stupide Arbeit, dass meine Kollegen und ich wirklich jede Gelegenheit genutzt haben, uns im Pausenraum rumzudrücken. Wenn ich später nicht die Gelegenheit gehabt hätte, in meinem Traumberuf durchzustarten, weiß ich nicht, wie zielstrebig ich wäre. Wenn die Leidenschaft nicht geweckt ist, wer reißt sich dann ein Bein aus bei der Arbeit?
Ist es heute schwieriger, erwachsen zu werden?
Ich denke gerade an die Corona-Pandemie, die so vieles unmöglich gemacht hat, was davor selbstverständlich war. Freunde treffen, zusammen lernen, zum Beispiel. Diese Jahre waren ein Schlag ins Kontor. Für alle. Aber aufzuwachen und erwachsen zu werden in dieser Zeit ist noch mal spezieller. Dafür steht diese Generation jetzt ganz gut im Leben.
Gibt es etwas, worum du die junge Generation beneidest?
Junge Menschen haben die Möglichkeit, ohne große Verantwortung und ohne Verpflichtungen, Dinge auszuprobieren. Da sagen ältere oft, "das hatte ich so nie". Dabei stimmt das gar nicht. Ältere Menschen haben die Freiheiten und die Unbekümmertheit der Jüngeren jetzt nicht mehr. Durch den festen Job, wo man pünktlich zur Arbeit erscheinen muss, durch den Kredit, der abbezahlt werden muss oder durch die Kinder, die man zur Kita bringen muss – aber damals hatten sie auch Freiheiten. Das haben sie nur vergessen. Und wenn sie dann jemanden an einem Mittwoch um 10 Uhr im Straßencafé sitzen sehen, dann kocht der Volkszorn hoch.
Viele junge Menschen sind nicht unbeschwert, zum Beispiel weil sie Angst vor einer Klimakatastrophe haben.
Aber sie haben vieles in der Hand, sie können zur richtigen Zeit die richtige Erfindung machen oder die richtige Bewegung gründen. Ich kann jungen Menschen nur raten: Versucht trotz der Klimakatastrophe nicht mit angezogener Handbremse durchs Leben zu gehen. Zwischen Schulabschluss und Gründung einer Familie liegt potenziell die unbeschwerteste Zeit des Lebens.
Deine Bücher finden auch bei Booktok statt. Spielt das eine große Rolle für dich?
Ich finde Booktok wirklich ganz fantastisch. Es heißt immer, im Fernsehen bringt Literatur keine Quote. Das Feuilleton wird auch nicht gelesen. Aber ausgerechnet auf Social Media, bei Tiktok, funktioniert Literatur doch. Weil es da so gemacht wird, wie die Nutzer es brauchen. 2023 wurden 12 Millionen Bücher durch Booktok verkauft, Buchhandlungen sind auch deshalb wieder voll, sagen Buchhändler.
Dabei ist die Rezeption bei Tiktok komplett anders als bei 400-Seiten-Büchern.
Aber Booktok zeigt, dass es kein "entweder oder" ist. Social Media und lesen geht beides: Auf Social Media tausche ich mich aus und es geht blitzschnell. Aber auf ein Buch muss ich mich einlassen, da blende ich alles andere aus. Dass immer mehr junge Menschen beides ergänzend nutzen, finde ich toll.
Du nutzt selbst Tiktok und Instagram. Macht es dir mehr Mühe oder mehr Spaß?
Wenn man Tiktok und Instagram ernsthaft betreibt, steckt da unglaublich viel Arbeit und Mühe drin. Hin und wieder nehme ich ein Video von mir auf als Zeichen, dass ich noch lebe. Aber ich bin nicht der Typ, der jeden Tag was postet – auch wenn ich weiß, dass ich es für den Algorithmus tun müsste.
Wie viele junge Leser:innen hast du?
Im Vergleich zu anderen Autorinnen und Autoren habe ich viele junge Leserinnen und Leser. Ich hatte auf Lesungen auch schon 12-Jährige im Publikum, aber in dem Alter sollte man meine Bücher wirklich noch nicht lesen. Erst im Nachhinein habe ich gelernt, warum ausgerechnet junge Menschen Thriller gerne lesen.
Warum denn?
Weil sie in der Selbstfindungsphase sind, weil sie in der Pubertät oftmals unsicher sind und weil sie lieber jemand anders wären – genau wie Protagonistinnen und Protagonisten in meinen Thrillern. Da findet eine Identifikation statt.
Und warum lesen gerade so viele junge Frauen Thriller und True-Crime?
In Thrillern sind die Opfer oftmals Frauen. Eine mögliche Erklärung ist, dass sich deshalb Frauen auch besonders für die Motivation hinter diesen Verbrechen interessieren. Außerdem haben Frauen im Schnitt eine ganz andere, viel lebhaftere Fantasie als Männer. Sie machen sich lieber ihr eigenes Bild, als sich zum Beispiel mit Filmen ein Bild vorgeben zu lassen. Deshalb lesen auch mehr Frauen als Männer gerne Bücher.
Hast du mal drüber nachgedacht, Thriller von dir zu gendern?
Ich hätte eine diebische Freude daran, jemanden, der hardcore-gendert, mit jemandem zusammenzubringen, der das komplett ablehnt. Wobei ich nicht mag, wie sehr diese zwei Lager sich unvereinbar gegenüberstehen. Ich kann wirklich nicht verstehen, warum man Menschen, die gendern, nicht gendern lassen kann und wenn jemand nicht gendern will, dann ist das auch in Ordnung. Aber in meinen Büchern verzichte ich aus einem wichtigen Grund aufs Gendern.
Was ist der Grund?
Ich bin engagiert in einem Verband für Analphabeten, die mich explizit darum gebeten haben, nicht zu gendern: Weil sie sowieso schon Schwierigkeiten haben, meine Bücher zu verstehen und vermutlich gar nicht mehr klarkommen würden, wenn ich mit Doppelpunkten oder Asterisken arbeite. Ich weiß, es gibt Millionen Menschen, die sich nicht angesprochen fühlen, wenn ich nicht gendere. Und das ist nicht gut. Aber es gibt in Deutschland auch sieben Millionen Analphabeten, die ein Problem haben, wenn ich es tue.
Warum regen sich eigentlich so viele übers Gendern auf?
Es ist verständlich, dass Menschen sich aufregen, wenn es um Sprache geht: Weil es ein Problem ist, mit dem sie umgehen können. Transaktionsbesteuerung im Aktiengeschäft ist dagegen viel komplizierter. Aber beim Gendern kann jeder eine Meinung haben. Je komplizierter unsere Welt wird, desto mehr Diskussionen führen wir über kleinere Themen, die beherrschbarer wirken.