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Interview

Thriller-Autor Sebastian Fitzek enthüllt, wie er Buch-Ideen entwickelt

Als erster deutscher Autor wurde Fitzek mit dem Europäischen Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet.
Als erster deutscher Autor wurde Fitzek mit dem Europäischen Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet.Bild: hoehn
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Der Horror von Elternabenden: Wie Autor Sebastian Fitzek Ideen aus seinem Leben schöpft

27.04.2023, 11:1827.04.2023, 14:19
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Sebastian Fitzek ist einer der bekanntesten Krimiautoren Deutschlands und steht regelmäßig auf den Bestsellerlisten. Nun hat sich der Berliner Autor an ein humorvolles Buch gewagt – bereits zum zweiten Mal. Nach "Der erste letzte Tag" schrieb Fitzek jetzt den Roman "Elternabend" (16,99, erschienen bei Droemer Knaur). Um seine Krimifans nicht in die Irre zu führen, steht auf dem Cover sogar explizit: "Kein Thriller (Auch wenn der Titel nach Horror klingt!)"

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Watson sprach mit Sebastian Fitzek darüber, wie viel Horror in einem Elternabend steckt, warum man für das Schreiben von Thrillern ein ängstlicher Mensch sein muss und was man dagegen tun kann.

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Watson: Was sagst du zu dem aktuellen True Crime Hype? Fragst du dich da nicht als Thriller-Autor manchmal: Warum denke ich mir überhaupt noch etwas aus?

Sebastian Fitzek:
True Crime gibt es ja schon sehr lange. Mein erster wirklicher Schockmoment war Aktenzeichen XY. Ich habe das viel zu früh gesehen und es hat mich wirklich traumatisiert und als kleines Kind so eingeschüchtert, dass ich irgendwann anfing, meine Ängste in Geschichten zu verarbeiten. Ich hatte schon als 12-Jähriger immer große Angst, entführt zu werden. True Crime hat dazu geführt, dass ich mich mit dem Thriller Genre beschäftigt habe. Dazu sage ich immer, dass die Realität härter ist als das, was wir uns am heimischen Schreibtisch ausdenken. Wir können nicht eins zu eins die Bildzeitung abschreiben oder das, was uns ein Rechtsmediziner erzählt, wiedergeben.

Warum nicht?

Das würde uns nicht geglaubt werden. Das ist zu skurril, zu zufällig, häufig auch zu brutal und zu unverständlich. Der größte Unterschied zur Realität ist: Wir steigen nicht hinter die Motivation der Täter. Genau das versuche ich: Ich höre eine Meldung, lese von Schicksalen und rede häufig mit Opfern. Und dann probiere ich, tiefer einzusteigen in das, was die Schlagzeile nicht bieten kann. Das kommt oftmals in der aktuellen Berichterstattung zu kurz und es ist dann unter anderem die Aufgabe der Fiktion herauszufinden, was dahinter steckt.

Also holst du deine Inspiration für die Romane auch aus dem echten Leben?

Die Realität liefert leider immer die grausamen Vorlagen und wir als Autoren mildern es ab, damit es geglaubt wird. Der Täter interessiert mich selten. Mich interessiert die Psyche der Opfer: Wir alle können Opfer werden, aber die wenigsten von uns werden Täter. Die Frage ist: Wie gehen wir mit einem Schicksalsschlag um? Mich interessiert weniger die Gewalt an sich – wie viele Messerstiche und mit welchem Werkzeug, ist mir völlig egal. Was mich als Autor und als Mensch interessiert, auch als Familienvater, ist: Wie konnte es dazu kommen? Und wie gehen die Hinterbliebenen damit um? Wie ist das Leben danach überhaupt möglich? Das ist der Kern eines psychologischen Thrillers. Das Leben ändert sich von heute auf morgen auf eine grausame Art und Weise. Und jetzt muss man mit dieser Veränderung leben.

Wie gehst du persönlich mit Krisen in der Welt um?

In solchen Situationen erinnere ich mich immer an die Worte meiner Mutter am 11. September. Sie sagte: "Wenn du so etwas siehst, dann achte auf die Helfer. Die Helfer sind immer in der Überzahl." Eine Handvoll Menschen reicht zwar aus, um unsere vernetzte Welt ins Chaos zu stürzen. Aber die Menschen, die professionell helfen, wie Feuerwehr, Polizei oder Krankenhäuser und auch privat helfen, ihre Türen öffnen und spenden, sind immer in der Überzahl. Das heißt, das Gute ist die Regel, das Böse ist die Ausnahme. Und die Beschäftigung mit der Besonderheit darf nicht diesen Blick verstellen.

Wird man nicht ängstlich, wenn man man sich dauernd mit so grausamen Gewalttaten beschäftigen muss?

Ich glaube, man muss ein ängstlicher Mensch sein, um Thriller schreiben zu können. Und dann macht es einen tendenziell etwas ruhiger. Nicht, dass man abstumpft, man ist nach wie vor sensibel und empfänglich ... Mir hat eine Psychologin mal gesagt, problematisch ist es, wenn man kein Ventil hat, um das zu verarbeiten und einordnen zu können. Wir leben in einer medialen Welt, die sich immer auf die Ausnahmen konzentriert. Weil der Flugzeugabsturz eine größere Schlagzeile ist als "Heute wieder alle Maschinen sicher gelandet". Und auch der Serienkiller ist die Ausnahme, ich schreibe über die Ausnahme.

"Das Unbewusste ist immer mein Co-Autor."

Dein Buch "Elternabend" war dein Ventil für die Elternabende, die du als Vater erlebt hast?

Ich probiere zu vermeiden, dass etwas von mir selbst einfließt, wenn ich Bücher schreibe. Aber das Unbewusste ist immer mein Co-Autor. Und im Buch "Elternabend" stecken natürlich viele eigene Erlebnisse, aber ich bin nicht traumatisiert von Elternabenden. Ich mag skurrile Menschen mit merkwürdigen Geschichten, also ist es wirklich Recherche, wenn sich auf ein Mal viele verschiedene Charaktere äußern. Ich erlebe da nicht nur Absurdes und Skurriles, aber eben schon so, dass ich bei vier oder fünf Episoden aus dem Vollen schöpfen konnte, weil ich diese Diskussionen selbst erlebt habe.

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Sebastian Fitzeks Bücher wurden bisher weltweit 15 Millionen Mal verkauft und in 36 Sprachen übersetzt.Bild: dpa / Gerald Matzka

Es hat mich gewundert, dass noch nie jemand den Elternabend in den Fokus gestellt hat, weil das etwas ist, was sehr viele Menschen betrifft. Das Buch könnte auch ein Psychothriller sein, das ist natürlich mein erster Gedanke gewesen, aber sehr schnell merkte ich, das wird wahrscheinlich doch etwas Humoristisches.

Du legst dich beim Schreiben also gar nicht vorher fest, welches Genre es wird?

Ich lasse mich immer von der Idee leiten. Ich war beim Elternabend, auf dem sich beschwert wurde, dass sich ein Elternpaar nie zeigt, obwohl der Sohn ein bisschen auffällig ist und man bestimmte Punkte bereden sollte. Da habe ich gedacht, also wenn sich jetzt irgendeiner dafür ausgeben würde, der hätte leichtes Spiel. Aber wieso sollte er das machen? Da war erst mal die Idee, das könnte ein Thriller-Moment sein. Aber dann dachte ich, komisch wäre es, wenn du nicht auf dem Elternabend sein willst und dann auch noch gezwungen bist, dich als Vater oder Mutter eines Kindes auszugeben, das dir gar nicht gehört. Und aus dieser absurden Situation heraus lässt sich einiges schöpfen.

"Ich muss über Themen schreiben, die für mich relevant sind, ich brauche diese Motivation."

Nimmst du alle deine Ideen aus dem Alltag?

Eine Voraussetzung für Ideen ist, dass man sich nicht zu wohlfühlt, um kreativ zu sein. Langeweile ist super. Früher saß ich in der Bushaltestelle, hab mir die Menschen angeguckt und mir Geschichten über die ausgedacht. Heute sitze ich mit dem Handy in der Hand und lese fremde Geschichten und habe keine Langeweile mehr. Ich muss mich dazu zwingen, das Handy zu Hause liegenzulassen. Und nach dieser Nervosität – mittlerweile ist man ja so richtig Zwangs-gestört, wenn man sein Handy nicht dabei hat – kriegt man Puls, fängt vielleicht an, sich die Gegend anzuschauen. Wenn man in der Zahnarztpraxis wartet, oder wenn man beim Elternabend ist und probiert, dass der Kelch an einem vorübergeht und man nicht Protokoll schreiben muss: Das sind Situationen, daraus kann etwas entstehen.

Wie kam es dazu, dass doch noch so ernste Themen wie Mobbing und Depression in das Buch eingeflossen sind?

Auch da setze ich mich nicht hin und sage, ich habe eine Agenda von Themen oder was ist gerade aktuell und das muss ich jetzt reinbringen. Aber ich bin Familienvater und das ist natürlich ein Thema unter Schülerinnen und Schülern. Gewalt an Schulen ist glücklicherweise bei uns nicht so häufig, aber es kommen trotzdem Polizisten in die Schule, die erklären, wie man mit Mobbing umgeht. Ich muss über Themen schreiben, die für mich relevant sind, ich brauche diese Motivation. Wieso wird jemand verhaltensauffällig? Wieso stört jemand den Unterricht? Wieso bringt jemand jemanden um? Da ist man schnell bei wirklich sehr relevanten Themen wie Mobbing.

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