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Pantera: Nazi-Eklat um Metal-Band könnte weitreichende Folgen haben

SO PAULO, SP - 15.12.2022: SHOW PANTERA E JUDAS PRIEST - The band Pantera performed in So Paulo at Vibra So Paulo, south of the capital, with original vocalist Phil Anselmo accompanied by guitarist Za ...
Die Veranstalter von Rock am Ring und Rock im Park haben Konsequenzen im Fall Pantera gezogen.Bild: IMAGO/Fotoarena
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Experte nach Nazi-Eklat um Pantera sicher: "Es werden wahnsinnig viele Bands in den Fokus der Kritik rücken"

25.01.2023, 18:49
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Wie jedes Jahr werden Rock am Ring und Rock im Park auch 2023 mit nationalen wie internationalen Rockstars gespickt sein – diesmal allerdings mussten die Verantwortlichen umplanen, nachdem das Lineup schon weitgehend feststand. Ein Eklat um die Band Pantera schlug hohe Wellen, deren Sänger Phil Anselmo 2016 in betrunkenem Zustand den Hitlergruß gezeigt hatte. Der Veranstalter zog Konsequenzen, die Metal-Formation wurde von beiden Festivals wieder ausgeladen.

Außergewöhnlich war allerdings der Weg dahin: Zunächst wurde sich dafür entschieden, die Band zu halten, nur wenige Tage später folgte die Wende. In einem offiziellen Statement, das auf den Social-Media-Kanälen der Rock-Festivals veröffentlicht wurde, hieß es plötzlich: "In den letzten Wochen haben wir viele intensive Gespräche mit Künstler:innen, unseren Partner:innen und euch, den Festival-Fans, geführt, uns mit der Kritik weiter gemeinsam auseinandergesetzt und uns dazu entschlossen, die Band aus dem Programm zu nehmen."

Der Metal-Experte Prof. Dr. Rolf Nohr von der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig erklärt gegenüber watson, wie das Verhalten des Veranstalters zu erklären ist – und welche Konsequenzen der Skandal noch für die gesamte Metal-Szene haben könnte.

SO PAULO, SP - 18.12.2022: KNOTFEST BRASIL 2022 - The band Pantera was one of the attractions of the first edition of Knotfest Brasil that took place this Sunday 18 at the Anhembi Sambadrome in So Pau ...
Pantera wollen 2023 auch mit Metallica touren.Bild: IMAGO/Fotoarena

watson: Die Rock-am-Ring-Veranstalter kündigten zunächst an, dass Pantera trotz des Hitlergruß-Eklats um Sänger Phil Anselmo auftreten werden, nur wenige Tage später folgte die Kehrtwende. Wie lässt sich das erklären?

Rolf Nohr: Der Veranstalter denkt natürlich ökonomisch, hier geht es um Angebot und Nachfrage. Durch die Band-Reunion und die damit verbundene Aufmerksamkeit ist Pantera erst einmal sehr reizvoll für das Festival, daher war die Verpflichtung nachvollziehbar. Dann aber kippt die Stimmung und der Veranstalter muss im schlimmsten Fall einen Image-Schaden befürchten, wenn er nicht reagiert. Diese wirtschaftliche Perspektive ist aber nur ein Blickwinkel. Auf der anderen Seite kann man fragen: Gibt es darüber hinaus eine Haltung, die nach außen auch glaubwürdig vermittelt werden kann? Darüber lässt sich gerade bei einem riesigen Festival wie Rock am Ring oder auch Wacken lange diskutieren.

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Im Fall von Pantera hat sich sogar die Politik eingeschaltet: Die Grünen in Nürnberg hatten den Rock-am-Ring-Veranstalter zum Handeln aufgefordert …

Als Partei aus dem linken Spektrum ist es durchaus deren Aufgabe, zu sagen: "Lieber Veranstalter, das finden wir bedenklich." Die Grünen denken in so einem Fall nicht marktökonomisch, sondern gesinnungsethisch, und genau das erwartet man von ihnen. Die undankbarste Rolle hat fraglos der Veranstalter. Er muss einerseits wirtschaftlich agieren, hat aber auch einen Markenkern, der "politische" Entscheidungen erfordern kann und so mit dem ökonomischen Faktor in Konflikt gerät.

"Im Metal gibt es keinen klaren ideologischen Kern. Das ist ganz anders als beispielsweise im Punk oder Hip-Hop."

Pantera sind auch als Vorband für die Metallica-Tour in diesem Jahr angekündigt. Ist davon auszugehen, dass die Rock-am-Ring-Entscheidung weitere Kreise zum Nachteil der Band zieht?

Ich bin sicher, dass die Diskussion weitergehen wird. Die Leute regen sich auch nicht erst seit heute über Pantera auf, sondern seit einer ganzen Weile. Der Sänger von Pantera hat sich schon immer mit fragwürdigen Positionen geschmückt, er ist nicht erst seit dem Hitlergruß von 2016 eine streitbare Persönlichkeit. Es gilt aber immer zu differenzieren, was Provokation und was wirklich ernst gemeint ist – und was politische Positionen sind, die ich vielleicht einfach nur deshalb nicht hören möchte, weil sie nicht in mein Weltbild passen.

Dimmu Borgir Oslo, Norway. 24th, June 2022. The Norwegian symphonic black metal band Dimmu Borgir performs a live concert during the Norwegian music festival Tons of Rock 2022 in Oslo. Here guitarist  ...
Black Metal ist ein besonders streitbares Subgenre.Bild: IMAGO/Gonzales Photo

Also machen es sich manche Fans auch zu bequem?

Einige neigen dazu, automatisch zu glauben, dass die Lieblingsband, weil sie in einem bestimmten Genre verortet ist, auch die gleichen politischen Positionen wie man selbst vertritt und sind ganz entsetzt, wenn das nicht der Fall ist. Zum Beispiel gibt es das Klischee, dass Country-Musik sehr konservativ ist, und dann ist man überrascht, wenn sich da zum Beispiel doch mal ein linker Künstler einen Namen macht.

"Es werden nun wahnsinnig viele Bands in den Fokus der Kritik rücken. Die interessante Frage ist aber: Wird die Mehrheit der Fans sich davon stören lassen?"

Metal dagegen wird mitunter immer noch als düster oder sogar satanistisch verschrien. Dem spielt der Eklat um Pantera womöglich sogar in die Karten.

Metal wird oft als per se unpolitisch wahrgenommen, als ginge es nur um eskalierende Partys und Rock ’n’ Roll. So pauschal lässt sich das aber nicht sagen. Es gibt auch Bands, die sich politisch positioniert haben. Und dann sind da Bands wie Slayer, die sich böse und satanistisch geben, aber stark mit Überhöhungen und Ironie arbeiten. Oft lässt sich über Jahre hinweg nicht sicher sagen, was sie ernst meinen und was nur Show ist. Im Metal gibt es keinen klaren ideologischen Kern. Das ist ganz anders als beispielsweise im Punk oder Hip-Hop. Insofern ist es viel "schwieriger", Metal gut zu finden, wenn man den Anspruch hat, klare Botschaften von den Bands geliefert zu bekommen und nicht nur auf Riffs und Melodien achtet.

"Womöglich gibt es eine gewisse Resistenz, die einer Aufarbeitung im Weg steht: 'Wissen wir alles, ist uns aber egal.'"

Ist demnach also davon auszugehen, dass jetzt weitere bekannte Metal-Bands zumindest verstärkt in den Blickpunkt geraten beziehungsweise "überprüft" werden?

Es werden nun wahnsinnig viele Bands in den Fokus der Kritik rücken. Die interessante Frage ist aber: Wird die Mehrheit der Fans sich davon stören lassen? Kommt diese "Cancel Culture" aus der Mitte der Fanbase oder wird sie von außen herangetragen? Letzteres dürfte die Community nicht im Geringsten stören. Im anderen Fall sind die Bands dazu angehalten, Stellung zu beziehen. Eigentlich gibt es ohnehin kaum ein Genre, das sich durch derartige Vorgänge stärker herausgefordert sehen müsste.

Wie genau kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Ich erinnere nur an den gesamten Black-Metal-Bereich, der einerseits als wahnsinnig innovativ gefeiert wurde, der aber andererseits immer von einem völkischen Raunen und neokonservativen Naturbildern durchdrungen war. Zu Letzterem blieb die Szene weitgehend indifferent, obwohl auf der Hand liegt, dass Liberalismus anders aussieht. Womöglich gibt es hier sogar eine gewisse Resistenz, die einer Aufarbeitung im Weg steht: "Wissen wir alles, ist uns aber egal."

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