Unterhaltung
Interview

Heaven Shall Burn: Thüringer Band über ihre Heimat –"bereitet Schmerzen"

Heaven Shall Burn: Die erfolgreiche Metal-Band veröffentlicht ihr neues Album "Heimat", und will damit einen Begriff zurückholen, der von gewissen politischen Kreisen bereits eingenommen und ...
Gitarrist Maik Weichert (Mitte) hat mit watson gesprochen. Bild: Candy Welz
Interview

Heaven Shall Burn: Warum es falsch ist, unpolitisch zu sein

Menschen, die keinen Metal hören, haben mit ihnen keine Berührungspunkte. Für die aber, die es tun, gehören sie zu den größten deutschen Bands. Dabei immer im Fokus: ihre starke Haltung. Mit dem neuen Album "Heimat" setzen die Thüringer ein Zeichen.
27.06.2025, 19:0727.06.2025, 19:11
Mehr «Unterhaltung»

Dieser laute Schreigesang mit derart aggressiver Musik kann doch sicher nur was für eine kleine Randgruppe sein. Aber ... warum landete ihr letztes Album dann auf Platz 1 der deutschen Charts? Und wieso sind sie Headliner auf etlichen Festivals?

Tatsächlich haben es Heaven Shall Burn längst nach oben geschafft. Sie haben in der Szene ganz schön was zu sagen und das nutzen sie auch.

Watson will wissen: Wer sind die Menschen, die dahinterstecken? Was passiert mit dem Heimat-Gefühl, wenn die Heimat nach rechts gedriftet ist – und kann man eigentlich von Metal leben?

"Jeder Mensch bis zur rechten Mitte sollte antifaschistisch sein."

Watson: Bei Nacht steht ihr zwischen Flammen auf der Bühne. Am Tag schlüpft ihr in entgegengesetzte Rollen – ein Doppelleben.

Gitarrist Maik Weichert: Stimmt. Wir haben uns schon vor vielen Jahren entschieden, dass wir keine voll professionelle Band sein wollen. Da kam gerade unser drittes Album, das ein großer Erfolg wurde und wir mussten uns diese Frage stellen.

Warum habt ihr euch dagegen entschieden?

Die Promo-Agenturen fingen schnell an mit diesem: Ihr müsst nach Berlin oder Hamburg ziehen. Von da aus könnt ihr viel besser überall hinfliegen als von eurem Thüringer Wald aus. Schon damals haben wir aber gefühlt, was Kraftklub später in einem Song verarbeiteten: Wir wollen nicht nach Berlin.

Beschreibe dieses Doppelleben mal kurz: Welche Menschen stecken hinter Heaven Shall Burn?

Ich selbst arbeite als Jurist, unser Sänger Marcus ist Intensivpfleger in einem Krankenhaus. Christian, unser Drummer, ist als Pädagoge in Unternehmen involviert, die Produkte für Jugendliche entwickeln. Unser anderer Gitarrist, Alexander, ist Produzent in seinem eigenen Tonstudio, und Eric, unser Bassist, ist Ergotherapeut.

"Es schützt uns davor, in einer isolierten Rockstar-Blase zu verblöden."

Hättet ihr all diese Jobs nicht: Könntet ihr vom Metal leben?

Ja, das könnten wir.

Also macht ihr diese Jobs nicht des Geldes wegen.

Richtig. Es sind Jobs, bei denen es ein Verlust wäre, sie aufzugeben. Wir sehen es als Privileg, dass wir das, was wir lieben, immer bis zu dem Punkt machen können, an dem es noch Spaß macht. Sowohl in der Musik als auch in den anderen Jobs erhöht das die Qualität, weil kein Frust miteinfließt.

Das klingt sehr Rockstar-untypisch.

Ja. Aber es schützt uns davor, in einer isolierten Rockstar-Blase zu verblöden. In meinem Telefonbuch sind Leute aus der Musikszene, die ich vor 14 Uhr gar nicht anrufen muss, weil sie da noch gar nicht am Leben teilnehmen. Wir wissen, was in diesem Bereich manchmal vor sich geht. Gleichzeitig wissen wir, dass es was ganz Besonderes ist, durch andere Länder touren zu dürfen, auf der Bühne stehen und auch unsere Meinung dort sagen zu können.

05.08.2023, Schleswig-Holstein, Wacken: Metal-Fans feiern die Bühnenshow der Band "Heaven Shall Burn" vor einer der beiden Hauptbühnen. Foto: Axel Heimken/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
So sieht ein Konzert von Heaven Shall Burn aus. Bild: dpa / Axel Heimken

Und das tut ihr. Euer neues Album heißt "Heimat". Eigentlich ein neutraler Begriff. Aber irgendwie auch nicht.

Überhaupt nicht. Unsere Challenge ist immer, uns aus der Komfortzone herauszubegeben. Und mehr Diskomfort, als den Begriff "Heimat" in die linke Blase reinzuknallen, gibt's ja fast gar nicht. Heutzutage verursacht der ja bei unserem Publikum und auch uns selbst echtes Halskratzen.

Was stört dich an dem Begriff "Heimat"?

Dass bestimmte politische Kreise ihn auf einen Thron heben und völlig fehlinterpretieren, während andere Kreise ihn überhaupt nicht mehr verwenden. Weil er schon komplett gekapert ist. Das ist ein sehr ungesundes Gleichgewicht. Es ist nie gut, einen Begriff völlig auszublenden, jedenfalls nicht, wenn es sich um einen genuinen Begriff der deutschen Sprache handelt.

In der Vergangenheit konnten sich Heaven Shall Burn bereits gegen Pietro Lombardi durchsetzen.

Wie meinst du das?

Ich rede nicht von Begriffen wie Remigration. Den würde ich mir nie zu eigen machen, weil es ein genuin rechter Begriff ist. Aber der Begriff "Heimat", mit dem schon Heine gearbeitet hat, sowie Generationen von Dichtern und Philosophen zuvor, den sollte man schon mal freimachen von den rechten Ketten, die ihm angelegt wurden.

Dann fangen wir mal an: Was bedeutet Heimat?

Da könnte jeder Mensch zu einem anderen Schluss kommen. Für den einen ist es einfach der Planet Erde. Für den anderen die Blumenstraße in Bielefeld. Heimat kann aber auch für Menschen, anstatt für Orte stehen.

"Es ist interessant, dass dieses 'Lasst uns unpolitisch sein' immer von Leuten kommt, die mit rechts kein Problem haben."

Ihr lebt in Thüringen. Du hast eben vom missbräuchlichen Nutzen des Begriffes "Heimat" durch die rechte Szene gesprochen, die ja dort sehr präsent ist. Fühlt es sich da noch nach Heimat an?

Da setzt du ja schon voraus, dass der Ort für uns Heimat bedeutet. Für mich ist Heimat aber vor allem auch eine geistige Heimat.

Wie meinst du das genau?

Ich meine die Haltung, die ich habe. Man könnte sagen: der moralische, politische Kompass, entstanden aus der eigenen Sozialisation, meinen Wurzeln, meiner Entwicklung. Ein System, das dir wieder Orientierung gibt, wenn du in Konfliktsituationen nicht weiter weißt. Deswegen Heimat: weil du immer wieder dahin zurückkehren kannst.

Deine räumliche Herkunft siehst du also nicht als Heimat?

Doch, natürlich auch. Da, wo ich lebe, fühlt es sich schon sehr nach Zuhause an. Sonst würden mir Wahlergebnisse, wie die letzten, keine Schmerzen bereiten.

"Es klingt immer so, als würden wir in einem Schlammloch sitzen. Wir haben in Thüringen ein wunderschönes Leben, mit tollen Menschen!"

Ändert das etwas an eurem Zuhause-Gefühl?

Es nur deswegen nicht mehr meine Heimat zu nennen, wäre ein total ungesunder Prozess des Wegbewegens – eine Flucht, wie es viel zu viele machen. Es ist ja auch ein Statement von uns, dass wir hier bleiben. Wir könnten natürlich auch nach Hamburg in eine Blase ziehen, wo die Umfragen erfreulicher aussehen, aber dann würden ganz viele Leute, mit denen ich täglich rede, niemals die Dinge hören, die ich dazu äußern möchte.

Außerdem: Es klingt immer so, als würden wir hier in einem Schlammloch sitzen, wo wir uns jeden Tag dagegen wehren müssen. Wir haben hier in Thüringen immer noch ein wunderschönes Leben mit tollen Menschen!

Kriegt ihr viel Gegenwind für das, was ihr als Band macht?

Der häufigste Gegenwind ist die Forderung, unpolitisch zu sein, teils auch aus der Szene selbst. Denn auch wenn die Musik- und Kulturszene eher links ist, gibt es auch einen recht großen "unpolitischen" Teil. Da halten wir aber deutlich gegen.

Warum ist es falsch, unpolitisch zu sein?

Es ist interessant, dass dieses "Lasst uns unpolitisch sein" immer von Leuten kommt, die mit rechts kein Problem haben. Meist richtet es sich also gegen links. Dabei hat unsere antifaschistische Haltung erstmal gar nichts mit links sein zu tun. Jeder Mensch bis zur rechten Mitte sollte antifaschistisch sein. Das ist für mich nur die Definition von jemandem, der demokratisch denkt und sollte selbst auf jeden Konservativen zutreffen.

Bei eurer Haltung ist es wohl auch kein Zufall, dass eines eurer Release-Konzerte in Themar stattfindet?

Es ist einerseits einfach unsere Heimat. Wir gehen nicht als Erstes in eine große Stadt wie München, sondern wir spielen da, wo wir hingehören. Aber ja: Das Konzert in Themar dient auch als Empowerment für die Leute, die dort sind und Konzerte veranstalten. Außerdem richtet es sich an unsere Fans, aber auch an Leute, die das erste Mal auf ein Konzert gehen und in ihrer politischen und kulturellen Sozialisation noch nicht festgelegt sind. Da ist es ja besser, dass sie zu uns kommen, statt auf ein Rechtsrockkonzert zu gehen.

Noch 4 Tage bei Amazon Prime: Thriller mit gnadenlosem Psycho-Krieg
In diesem Film wird gezeigt, was passiert, wenn Grenzen überschritten werden und brutale Methoden Menschen brechen. Schon bald verschwindet der Psycho-Thriller bei Amazon Prime.

Der Thriller "Whiplash" von Damien Chazelle ("La La Land") wurde gleich für mehrere Oscars nominiert. J. K. Simmons bekam die Trophäe als Bester Nebendarsteller, Tom Cross für den Besten Schnitt, auch gab es für den Besten Ton den berühmtesten Filmpreis der Welt.

Zur Story