Sieben Jahre lang war es still um die Beatsteaks. Jetzt kommt alles auf einmal: Das neue Album "Please" ist da, gleich zwei Tourneen begleiten es, und ein klares Statement richtet sich gegen das Ergebnis der Europawahl.
Aber eigentlich ist das viel mehr als nur ein Statement. Es ist eine große Aktion, die etwas bewegen soll. Denn bevor die Beatsteaks an diesem Wochenende zweimal vor 17.000 Menschen in der Berliner Wuhlheide spielen, zogen sie im Juni durch diverse kleine Jugendzentren. Und zwar nur in östlichen Gegenden Deutschlands.
Es sind die Orte, die die Musiker als politische Brennpunkte sehen, in denen der Rechtsruck besonders sichtbar ist. Sie wollen ein Zeichen setzen und hoffen auf Nachahmung.
Darüber, und über das neue Album, hat watson mit Gitarrist Bernd Kurtzke, Schlagzeuger Thomas Götz und Bassist Torsten Scholz gesprochen.
watson: Eure Juni-Tour richtete sich klar gegen rechts. Wie nehmt ihr die aktuelle Lage wahr?
Thomas Götz: Es ist verstörend. Wir finden es erschütternd, dass es diese Entwicklung nochmal geben kann, obwohl das Land doch was gelernt haben sollte. Offenbar blicken die Leute nicht auf die Vergangenheit zurück.
Konzerte in Jugendzentren zahlen euch weder die Miete, noch trifft eure Botschaft damit die breite Masse. Warum gerade dort?
Torsten Scholz: Die alternativen Jugendzentren sind die Orte, wo wir selber früher gespielt haben, deswegen gibt es diese Verbindung eh schon. Es ist aber auch einfach die Jugendkultur, die den jungen Leuten eine Alternative zur Alternative für Deutschland bietet. Den Leuten, die dort arbeiten und sich Tag für Tag den Arsch abrackern, wollen wir damit zeigen: Ey, das ist geil, was ihr macht. Ihr seid damit nicht allein.
Also ein Signal für die Jugendzentren selbst. Aber glaubt ihr, auch beim Publikum etwas bewegen zu können? Denn es kommen ja Leute zu euch, die eure Haltung ohnehin schon teilen, nicht die, die dagegen sind.
Torsten Scholz: Naja, natürlich spielen wir jetzt nicht vor irgendwelchen Faschisten und hoffen, dass die ihr Kreuz wegen unserer Musik dann doch woanders machen. Ich finde auch nicht, dass man mit Faschisten diskutieren muss, deswegen würde ich nie im Leben mit meiner Band auf einer AfD-Demo spielen. Nein, wir gehen zu den Leuten, die die Unterstützung gebrauchen können. Und wenn dann noch ein paar Kids aus dem Dorf oder der Kleinstadt denken: Cool, da geh’ ich doch lieber hin, als zur AfD-Hüpfburg oder der verkackten Bratwurst, die es da gibt – umso besser.
Thomas Götz: Vielleicht gibt es ja auch diese eine Person, die für gewöhnlich nicht in das Jugendhaus geht, und deren Freunde vielleicht auch irgendwie rechts sind, die aber mal ein Beatsteaks-Lied im Radio gehört hat und das gut fand. Vielleicht will er oder sie es sich dann doch mal angucken.
Bernd Kurtzke: Das sind halt diejenigen, die dazwischenstehen: die ihr Kreuz da eigentlich machen würden, durch so ne Veranstaltung aber vielleicht doch merken, dass das Quatsch ist. Und: Was den Club angeht, spricht es sich ja rum. Wenn das Ding voll war und Spaß gemacht hat, wird es bei der nächsten Veranstaltung vielleicht wieder voll sein.
Auf die Tour-Ankündigung auf Instagram haben die Leute ausschließlich lobend reagiert. Dabei gibt es auf Social Media eigentlich immer Gegenwind. Musstet ihr Kommentare löschen, oder ist das die antirechte Bubble, die ihr euch geschaffen habt?
Torsten Scholz: Bei Facebook habe ich schon ein oder zwei fehlgeleitete Kommentare gesehen, ansonsten war alles positiv. Nein, wir haben da nichts dran gemacht. Offenbar haben wir uns über die Jahre als linksversiffte Band durchgesetzt, obwohl wir das ja eigentlich nie so mit dem Zeigefinger gemacht haben. Hier und da lief mal ein Song auf einer Demo, aber dann war auch wieder Ruhe. Offenbar ist das schon Statement genug.
Vielleicht gehört das dazu, wenn man zwischen Bands wie Die Ärzte und Die Toten Hosen groß geworden ist. Immerhin wart ihr 2003 noch deutlich kleiner, als es in dem Ärzte-Hit "Unrockbar" hieß: "Wie kannst du bei den Beatsteaks ruhig sitzen bleiben?" Es heißt, allein diese Erwähnung hat euch damals größer gemacht. Stimmt das?
Bernd Kurtzke: Inwieweit sich das in Zahlen messen lässt, können wir nicht sagen, aber es hat sich schon ausgewirkt.
Thomas Götz: Glaub ich auch. Das war aber auch einfach der richtige Moment: Die Ärzte haben uns in ihrem Hit erwähnt und gleichzeitig haben die Hosen unser "Hand in Hand" für ihr Unplugged-Album gecovert.
Torsten Scholz: Wir sagen immer noch lieb Danke, wenn wir Jan sehen (Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist Jan Vetter, bekannter als Farin Urlaub von Die Ärzte). Von uns kommt dann immer: "Ihr wisst schon, was das damals mit uns gemacht hat?" Aber Jan winkt immer nur ab und sagt: "Ja ja, Papperlapapp."
Jetzt, rund 20 Jahre später, bringt ihr euer neuntes Album raus. Davor gab es aber sieben Jahre Funkstille – was war da los?
Bernd Kurtzke: Wenn man als Band so lange unterwegs ist und sich um Zwischenmenschliches nicht wirklich kümmert, dann schleichen sich irgendwann Dinge ein, die bei manchen Bands dazu führen, dass es kracht. Wir waren schlau genug, um das rechtzeitig zu merken, und haben uns eine Pause genommen und einfach mal geredet.
Was waren das für Dinge?
Bernd Kurtzke: Dass wir musikalisch und persönlich in verschiedene Richtungen steuerten, über die wir uns einig werden mussten. Oder dass sich unbewusst Hierarchien in die Band geschlichen haben. Was die Gespräche aber vor allem deutlich gemacht haben, ist, dass dieser und jener nicht nur der Typ links von der Bühne ist, sondern ein Mensch mit Stärken, Schwächen, Bedürfnissen, Wünschen.
Es haben sich Hierarchien gebildet? Wie sahen die aus und wie hat sich euer Sänger, Arnim Teutoburg-Weiß, darin eingeordnet?
Thomas Götz: Arnim zieht immer nach oben und wir nach unten, links und rechts. Arnim hat eben wirklich immer alles gemacht: sich um Merch gekümmert, alle Interviews geführt, geguckt, wie es auf der Bühne aussieht und so weiter. Irgendwann hat er gemerkt, dass das alles zu viel ist und er da nicht mehr rauskommt. Jetzt haben wir uns aber neu sortiert und sind gerade auf einem sehr guten Weg.
Und die musikalischen Differenzen?
Torsten Scholz: "Please" ist ein Neustart. Die Songs sind sehr verschieden und wir haben zudem mit Olaf Opal einen neuen Produzenten ins Boot geholt. Er hat unseren Sound aufgefrischt, uns mit Ideen überrascht und wir sind alle sehr glücklich mit dem Album.