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Emilia Schüle: "Gibt ganz viele Baustellen, wo wir noch ranmüssen"

BERLIN, GERMANY - FEBRUARY 20: Emilia Schuele arrives for the opening ceremony and "My Salinger Year" premiere during the 70th Berlinale International Film Festival Berlin at Berlinale Palac ...
Emilia Schüle: Die Schauspielerin hat bereits in über 50 Filmproduktionen mitgewirkt. Bild: Getty Images/ Gina Wetzler
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Emilia Schüle kritisiert Filmbranche: "Es gibt ganz viele Baustellen, wo wir noch ranmüssen"

18.09.2020, 10:58
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Emilia Schüle zählt zu den erfolgreichsten Schauspielerinnen Deutschlands. Im Laufe ihrer Karriere hat die heute 27-Jährige allein in über 50 Kino- und TV-Produktionen mitgewirkt. 2006 war sie erstmals in einer Hauptrolle zu sehen. Schnell folgten Kinofilme wie "Freche Mädchen", "Smaragdgrün" oder "Traumfabrik". Nun ist Emilia an der Seite von Alicia von Rittberg, Edin Hasanovic und Tim Oliver Schultz in der Kinokomödie "Hello again – ein Tag für immer" zu sehen, die am 17. September startet. Darin spielt sie Franziska, die ihren Verlobten kurz vor der Hochzeit betrügt.

Im Interview mit watson spricht Emilia über den peinlichsten Moment am Set, ihre Erfahrungen mit Mobbing sowie ihre mögliche Hollywood-Karriere. Zudem erklärt sie, was in der Filmbranche schiefläuft und dringend geändert werden muss.

watson: Das Motto deines neuen Films lautet "Freundschaft ist Gold, Beziehung ist Blech!" Wie stehst du dazu?

Emilia Schüle: Es ist die große Frage im Leben, wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Klar ist eine Freundschaft wichtig, zerbricht aber auch, wenn sie in eine Beziehung übergeht. Danach ist es nicht mehr so wie vorher. Man sollte trotzdem den Mut haben und sich trauen, denn wer weiß, was man in der Beziehung verpasst.

In dem Film kommt es zu peinlichen Situationen. Deine Rolle Franziska wird beim Fremdgehen erwischt, die Hochzeit wird ruiniert. Bei welchem Ereignis wärst du persönlich am liebsten im Erdboden versunken?

An dem Tag, als meine Rolle Franziska von Zazie auf frischer Tat beim Fremdgehen erwischt wird, wäre ich am liebsten im Erdboden versunken. Der Moment, als sie sich im Flur begegnen, wäre für mich das Peinlichste. So etwas hatte ich zum Glück noch nicht im Leben.

Nach der Szene kam es im Film auch zu körperlichen Auseinandersetzungen. Was wäre die ideale Reaktion auf so ein Verhalten?

Es gibt keine ideale Reaktion auf diese absurde Situation. Es ist schon peinlich genug.

In dem Film spielt der "Murmeltiereffekt" eine bedeutende Rolle. Welchen Tag würdest du am liebsten immer wieder erleben wollen, wenn du müsstest?

Ich würde sagen, dass das einfach nur ein schöner Sommertag ist, an dem man mit Freunden im Cabrio an den See fährt, den Tag genießt und keine Verpflichtungen hat. Ein Horrortag wäre für mich, wenn ich meinen Flug verpasse, den Text vergesse. Also das bedeutet, wenn ich den Hänger des Jahres am Set habe. Das will man wirklich nicht erleben.

"Ich habe schon so früh, mit elf Jahren, angefangen zu spielen, da war gar nicht viel Raum, von etwas anderem zu träumen."

Bei "Hello Again" können Entscheidungen im Nachhinein geändert werden. Wenn du könntest, was hättest du in deinem Leben anders gemacht, auf welche Abzweigung hättest du am liebsten verzichtet?

Wenn ich die Schauspielerei für mich nicht entdeckt hätte, würde ich sagen, dass ich definitiv nichts Kreatives beruflich gemacht hätte, da ich aus einer Akademikerfamilie komme. Bei uns ist es gang und gäbe, etwas Solides zu studieren. Ich glaube, ich hätte einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Was ich studiert hätte, das weiß ich nicht. Ich habe schon so früh, mit elf Jahren, angefangen zu spielen, da war gar nicht viel Raum, von etwas anderem zu träumen.

Darum geht es in "Hello again – ein Tag für immer"

Kinostart: 17. September 2020
Zazie (Alicia von Rittberg) wohnt mit ihren Freunden Patrick (Samuel Schneider) und Anton (Edin Hasanovic) in einer WG. Plötzlich erhält sie eine Einladung zur Hochzeit von ihrem ehemals besten Freund Philipp (Tim Oliver Schultz) und ihrer Rivalin Franziska (Emilia Schüle). Ihre Mission lautet: Die Hochzeit muss unter allen Umständen verhindert werden. Doch dank des "Murmeltiereffekts" erlebt sie den Tag immer wieder neu.

Kannst du dir vorstellen, heute noch ein Studium aufzunehmen?

Ja, aber dann wäre es auch schwer zu entscheiden, was ich mache. Früher dachte ich immer, ich interessiere mich für Geschichte, aber ich interessiere mich auch für Literatur oder Nachhaltigkeit. Für Sprachen interessiere ich mich auch. Also ich habe viele Interessenfelder.

Für deine Rollen schreckst du nicht davor zurück, extreme Verwandlungen auszuprobieren. Du hast dir auch die Haare abrasiert und davor gesagt, dass es etwas ist, was du schon immer mal machen wolltest. Was kommt als Nächstes?

Was meine Rollen betrifft, bin ich offen für Veränderungen. In meinem Privatleben würde ich gerne mal Kitesurfen. Das ist nichts wahnsinnig Spektakuläres, aber ich bin kein Wassermensch und für mich wäre es schon eine Leistung und Überwindung. Etwas Krasseres habe ich jetzt nicht auf dem Zettel, aber ich habe auch schon viele extreme Sachen gemacht. Ich war in Patagonien auf dem Gletscher unterwegs und 2018 in Nepal, wo ich die Wiederaufbau- und Katastrophenschutzprojekte nach dem Erdbeben vor Ort besucht habe.

"Man muss nicht mehr nach Hollywood gehen, um an einer internationalen Produktion teilnehmen zu können."

Nach "Berlin Station" und "Treadstone" wird immer wieder über deine mögliche Hollywood-Karriere spekuliert. Was sagst du dazu?

Ich glaube nicht, dass es nötig ist, ins Ausland zu gehen, um international arbeiten zu können. Beide internationalen Projekte, an denen ich mitgewirkt habe, wurden in Berlin oder in Europa gedreht. Gerade jetzt, auch durch Streamingdienste wie Netflix, hat sich der Fokus verschoben. Man muss nicht mehr nach Hollywood gehen, um an einer internationalen Produktion teilnehmen zu können. Ich habe bezüglich dessen keine weiteren Bestrebungen. Im digitalen Zeitalter kann ich ganz viele E-Castings von zu Hause aus machen. Das heißt, ich reiche online mein Vorstellungsvideo ein. Wenn ich in die engere Auswahl kommen sollte, werde ich dann ausgeflogen.

Apropos Streaming: Siehst du besondere Veränderungen aufgrund der Corona-Pandemie und wie hast du die letzten Monate erlebt?

Es ist alles anders. Man weiß nicht, ob es jemals wieder normal wird. Ich fange jetzt erst wieder an, für die dritte Staffel "Ku’damm 63" zu drehen, die Anfang nächsten Jahres kommt. Es ist mein erster längerer Dreheinsatz seit Beginn der Corona-Krise. Bis Oktober werde ich dann wieder vor der Kamera stehen. Dort gibt es auch ganz viele Sicherheitsvorkehrungen, die jetzt getroffen werden müssen. Es wird nun dort auch alles anders sein. Vier Monate stand ich nicht mehr vor der Kamera. Ich habe die letzte Zeit für mich genossen, genutzt und all die Dinge gemacht, die ich liegengelassen habe.

Du hast mit 27 Jahren bereits ein umfassend großes Repertoire an über 50 Kino- und TV-Produktionen wie "Tatort", "Traumfabrik", "Charité". Für was möchtest du deine große Reichweite nutzen?

Ich habe mir vor ein paar Jahren Themen gesucht, die mich interessieren und mit denen ich mich identifizieren kann. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit der Kinderhilfsorganisation Plan. Ich bin als privilegierte Frau in Europa in einem sehr sicheren Land aufgewachsen, sodass ich es wichtig finde, mich als Frau für Mädchen und junge Frauen weltweit einzusetzen, die unter anderen Bedingungen groß werden. Dann habe ich vor ein paar Jahren den Film "LENALOVE" gedreht, der Cybermobbing behandelt.

"Ich erlebe für mein Engagement sehr viel Solidarität."

Tatsächlich noch immer ein sehr aktuelles Thema.

Nach wie vor finde ich, dass Cybermobbing sehr viel präsenter geworden ist, weil Hetze im Internet nach wie vor immer schlimmer wird und sich sogar Terror im Internet organisiert. Das ist ein Thema, für das ich mich nach wie vor einsetze und auch Präventivgespräche mit Schülern führe. Jetzt finde ich gerade aktuell spannend, wie die sozialen Netzwerke, beispielsweise Instagram, wahnsinnig politisch werden. Es geht um Gleichstellung, Gleichberechtigung, strukturellen Rassismus und die EU-Außengrenzen. Diese Punkte sind mir genauso wichtig. Leider Gottes gibt es da viel Nachholbedarf.

Hast du Angst, mit deinem Einsatz auch mal anzuecken?

Nein, bisher eigentlich nicht. Ich erlebe für mein Engagement sehr viel Solidarität. Das ist ganz schön zu beobachten.

In jungen Jahren wurdest du gemobbt und hast inspiriert von dem Film "LENALOVE" einen Verein gegen Cybermobbing gegründet. Was war deine Motivation dahinter und was hast du aus der Arbeit gelernt und für dein Leben mitgenommen?

Ich habe ein paar Monate eine Form von Ausgrenzung erlebt. Zu dem Zeitpunkt war ich 14 Jahre alt. Eine der Hauptmotivationen für Mobbing oder Ausgrenzung ist Langeweile. Darüber sprechen wir auch mit den Schülern. Das sagt eigentlich alles aus. Es gibt oft keine Gründe, die das Verhalten oder die Ausgrenzung durch das Mobbing rechtfertigen.

"Mädchen aus meiner Klasse und meinem Jahrgang haben über viele Monate hinweg nicht mit mir gesprochen."

Und wie kam es dann zu dem Verein?

Die Hauptmotivation, den Verein zu gründen, kam durch den Film und durch die Produzentin Tatjana Bonnet, mit der ich nach wie vor befreundet bin. Sie hat schon extrem früh, vor fast zehn Jahren, dieses Thema erkannt und überhaupt den ersten Film über das Thema Cybermobbing gemacht. Mein Einsatz für dieses wichtige Thema ist eine Kombination aus unserem gegenseitigen Engagement, ohne sie wäre ich dem nicht so stark nachgegangen.

Wie hat sich das Mobbing bei dir bemerkbar gemacht?

Ich wurde ausgegrenzt. Mädchen aus meiner Klasse und meinem Jahrgang haben über viele Monate hinweg nicht mit mir gesprochen. Und dann gibt es die gefährlichen Mitläufer, die mitmachen, aber eigentlich kein Problem mit dir haben. Die adressieren wir auch immer bei den Gesprächen.

"Ich bin mir sehr wohl dessen bewusst, dass es viel weniger Stoffe für Frauen gibt als für Männer."

Hast du Mobbing auch in deinem jetzigen Beruf festgestellt und was muss sich diesbezüglich in der Filmbranche auch in Bezug auf Gleichberechtigung ändern?

Ich bin mir sehr wohl dessen bewusst, dass es viel weniger Stoffe für Frauen gibt als für Männer. Es gibt auch Statistiken, die anzeigen, dass der Redeanteil von Männern höher ist als der von Frauen. Die Bezahlung ist nicht gleichwertig. Es gibt ganz viele Baustellen, wo wir noch ranmüssen. Es ist gut, dass es auch gerade wieder im öffentlichen Fokus ist und dass man immer wieder guckt, wo wir stehen und was wir noch machen können.

Welche nächsten Projekte stehen für dich an?

Im Dezember kommt der neue Film "Wunderschön" von Karoline Herfurth. Dort geht es um Body Positivity. Dafür habe ich mir die Haare vor der Kamera selbst abrasiert. Im Moment lasse ich meine Haare noch nicht wieder lang wachsen und schneide sie immer wieder ab. Ich weiß noch nicht, wann der Schritt kommt, ich mag die Frisur momentan noch.

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