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Sterne-Koch Tim Raue über TV-Jobs: "Da gehen bei mir die Warnlampen an"

ARCHIV - 26.11.2019, Berlin: Tim Raue, Koch, aufgenommen bei einem Pressetermin anlässlich der Vorstellung des Programms des Feinschmeckerfestivals "eat! Berlin". Beim Weihnachtsessen gibt T ...
Tim Raue hat nicht nur ein neues Menü in seinem Berliner Restaurant, sondern auch eine neue Staffel seiner TV-Serie "Herr Raue reist!".Bild: dpa / Christoph Soeder
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Sterne-Koch Tim Raue: "Da bin ich ganz entspannt. Ich sage einfach: Verpiss dich"

16.09.2023, 10:40
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Mit links das Handy ans Ohr gepresst, mit rechts ein kurzer, fester Händedruck. Dann eine Andeutung, in welche Richtung es weitergeht. Man solle ihm folgen.

"Es gibt diese Tage", sagt Tim Raue dann vor dem Interview entschuldigend. Er hat gleich mehrere Restaurants, er ist regelmäßig im TV zu sehen (aktuell in "Herr Raue reist!“, MagentaTV). Aber an diesem Tag wird deutlich: Auch er als Spitzenkoch mit zwei Sternen kann sich nicht vierteilen.

Trotzdem gibt es zur Show auch noch ein Kochbuch ("Herr Raue reist", Callwey-Verlag). Nebenbei hat er ein komplett neues Berliner Menü auf die Speisekarte seines Kreuzberger Restaurants genommen. Und das nächste Großprojekt ist natürlich schon in Planung.

Im Interview mit watson spricht Tim Raue über das Fluchen im TV, einen wertvollen Rat von Tim Mälzer und seine Gang-Vergangenheit.

watson: Italienische Küche ist bekannt und beliebt, japanische auch. Aber die deutsche wird oft noch verschmäht. Zu Unrecht?

Tim Raue: Eigentlich steht es um die deutsche Küche so gut wie noch nie. Und trotzdem: Du kannst im tiefsten Estland sein oder im südchinesischen Chengdu – du wirst immer irgendwo eine Pizzeria finden, außer in den muslimischen Ländern findest du Schwein süß-sauer und inzwischen findest du auch Sushi überall. Das sind große Weltküchen, da werden wir uns mit der deutschen Küche so nie einordnen können. Aber wir haben so viele Restaurants mit Sternen in Deutschland wie noch nie zuvor. Das heißt, dass wir immer mehr das Bewusstsein haben, gut essen zu gehen. Und dass wir uns besser ernähren als noch vor ein paar Jahren.

Wie gesund ernähren Sie sich denn?

Ich bin sozialisiert worden mit purer industrieller Kost. Und ich bin ein Stressesser. Wenn ich Stress habe, denke ich nicht daran, mich gesund-vegan zu ernähren. Dann esse ich kein sautiertes Gemüse, sondern Döner oder Currywurst mit Pommes. Aber worauf ich hinaus wollte …

Bitte.

Der Ruf des deutschen Essens hat zu tun mit den Gräueltaten in der Vergangenheit. Nach dem Krieg haben wir versucht, unsere nationale Identität so weit wie möglich von uns zu schieben. Wir sehnen uns nach etwas und sind nicht zufrieden mit dem, was wir haben.

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Sie bieten jetzt auch ein Berliner Menü an. Aber davor haben Sie nicht deutsch gekocht.

Ich habe 20 Jahre lang mit Fernweh gelebt. Und genau das hat mich auch erfolgreich gemacht: als kleiner dicker Weißer asiatisch zu kochen. Ich habe durchaus diesen Widerspruch bemerkt, aber es war mir immer auch klar: Da geht noch was.

Gibt es auch ein typisch deutsches Gericht, das Sie gar nicht runterkriegen?

Das einzige, was ich wirklich hasse, weil es die Strafarbeit in meiner Ausbildung war, sind Nierchen. Danach haben meine Hände gestunken, als hätte ich im Pissebad rumgepfuscht.

Bei typischem Berliner Essen auf gehobenem Niveau musste ich direkt an den Adlon-Döner für 29 Euro denken. Haben Sie den schon mal probiert?

Nein. Und ich spreche ungern über andere. Aber es ist so, dass es Gerichte gibt, da kannst du was interpretieren. Und es gibt Sachen, die würde ich nicht anfassen. Dazu gehört die Currywurst mit Pommes. Daraus irgendwas anderes zu machen, finde ich sehr, sehr schwierig. Und beim Döner ist es ähnlich. Wenn das Adlon damit Gäste glücklich macht, ist alles legitim. Ich glaube nur, dass etwas mit Blattgold zu bewerfen oder mit Kaviar auszuschmücken, nicht entscheidend ist. Das habe ich selbst gemacht, Senfeier mit Kaviar. Das würde ich heute nicht mehr machen. Wichtiger ist, wie du mit dem Ei umgehst. Oder mit der Soße.

In diesem Video bekommst du einen exklusiven Einblick in die neue Staffel von "Herr Raue reist!":

Gibt es etwas, was Berlin nicht kann?

Ich finde schade, dass es in Berlin immer noch kein gutes casual Restaurant für Berliner Essen gibt. Deswegen überlegen wir, hier noch mal ein ganz neues Restaurant aufzumachen. Ich wollte immer ein Restaurant haben, das sieben Tage die Woche mittags und abends aufhat. Sowas wie das Grill Royal – nur mit Königsberger Klopsen. Das ist allerdings ein Langzeitprojekt, also ein Ding, mit dem ich alt werden will.

Sie denken aber nicht über eine Schließung Ihres Restaurants nach?

Nein. Gerade haben wir ein absolutes Hoch. Aber da muss man mit der Zeit gehen. Deshalb haben wir unser veganes Menü, deshalb kommt jetzt das Berliner Menü.

In Kopenhagen wird demnächst eines der besten Restaurants der Welt, das Noma, schließen: Der Chef sagt, Sterne-Restaurants lohnen sich nicht mehr.

Er mag einer der besten Köche der Welt sein. Aber die Zeit der Sterne-Restaurants ist nicht vorbei. Natürlich gibt es ganz viele, die mit dieser Art der Gastronomie kein Geld verdienen. Denn der Einsatz der Mitarbeiter und die Top-Produktqualität kosten unfassbar viel Geld.

Die erste Frage, die mir vorgeschlagen wird, wenn ich Ihren Namen google, ist: Ist Tim Raue Millionär?

Also Steuern habe ich in hoher Millionen-Höhe gezahlt. Definitiv.

Verdient man mit Restaurants mehr Geld oder mit TV?

Die mediale Arbeit ist viel, viel einträglicher. Aber das ist etwas ganz anderes. Wenn ich "Herr Raue reist!" drehe, dann kannst du mit einem durchschnittlichen Acht-Stunden-Tag nicht viel machen. Da arbeite ich 14 bis 15 Stunden am Stück.

"Mein Vater war ein Riesen-Arschloch, der mich nie unterstützt hat. Der mich verprügelt hat. Ich hatte nie das Gefühl, dass mir zugehört wurde."

Wenn man an Sie denkt und an Berlin, dann denkt man auch an die Zeit mit Ihrer Gang. Inwiefern spielt das heute noch eine Rolle?

Meine Zeit bei den "36 Boys", das muss so von 15 bis 17 gewesen sein. Das ist also jetzt 32 Jahre her. Das wäre schlimm, wenn ich mich seitdem nicht weiterentwickelt hätte. Die Zeit ist heute kein Teil meines Lebens mehr. Was mich schon geprägt hat, ist der Umgang, den ich damals erlebt habe. Das war das erste Mal, dass ich wirklich Freunde hatte. Keine Ahnung, wie oft ich zwischen 9,5 und 14,5 Jahren zwischen meinen Eltern hin und her geschickt wurde.

Mein Vater hat mehrfach geheiratet. Immer wenn die Frauen sagten, sie wollen ein Kind, wurde ich hergeholt. Immer wenn sie als Nächstes sagten, sie wollen was Eigenes, wurde ich wieder weggeschickt. Mein Vater war ein Riesen-Arschloch, der mich nie unterstützt hat. Der mich verprügelt hat. Ich hatte nie das Gefühl, dass mir zugehört wurde. Mit der Gang hatte ich zum ersten Mal eine Runde von Jungs, zu denen ich mich zugehörig fühlte, die neben mir standen. Das hat mir geholfen.

Kommt Ihr Hang zu teils deutlichen Worten noch aus dieser Zeit – oder was ist das?

Ich verstecke mich nicht mehr. Es gab Zeiten, in denen ich Anzug und Krawatte getragen und versucht habe, alles zu kontrollieren. Aber das sorgte leider auch für Aggressionen. Irgendwann ist mir in einer Talkshow der Kragen geplatzt. Da habe ich zu einem Typen gesagt: "Halt doch mal die Fresse, du Wichser." Aber ich habe für mich gemerkt: Ich habe mich frei gefühlt. Meine PR-Frau achtet darauf und streicht mir "Scheiße" und andere Worte immer weg aus Interviews. Aber mich stört das nicht, weil es ein Teil von mir ist.

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Tim Raue (links) mit seinem Kumpel Tim Mälzer.Bild: imago images / Christoph Hard

Ist denn dieses "frei raus" nicht auch ein Grund Ihres medialen Erfolgs?

Tim Mälzer hat mir mal einen guten Rat gegeben, als er mich ins Fernsehen gebracht hat. Er hat gesagt: Mach nie, was dir ein Regisseur oder Realisator sagt. Die kommen dann an und sagen: Frag doch noch mal nach, was mit der Mama von dem Kind ist – weil da irgendein schweres Schicksal hintersteckt. Und da gehen bei mir schon die Warnlampen an. Denn das hat doch nichts zu tun damit, dass ich hier zum Kochen bin.

Wie reagieren Sie dann darauf?

Da bin ich ganz entspannt. Ich sage einfach: Verpiss dich! Im Normalfall merkt man natürlich vorher, dass man nicht zusammenpasst. Und da sind wir dann wieder bei der Frage von Google: Ich bin unabhängig. Ich muss mir nicht die Frage stellen: Brauche ich das? Muss ich das machen? Und das hilft ungemein. Ich bin frei.

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