Luke Mockridge steht, wieder einmal, in der Kritik.Bild: IMAGO/Bonn.digital
Meinung
"Alle Jahre wieder", möchte man fast schreiben, wenn es nicht so zynisch wäre. Luke Mockridge war für eine Weile von der Bildfläche verschwunden, kroch verbal zu Kreuze und war plötzlich beliebter denn je. Sein neues Programm trägt den Titel "Funny Times", und was "funny" ist, liegt natürlich im Auge des Betrachters.
Dennoch: Mit seinen jüngsten Bemerkungen zu den Paralympics bestimmt Mockridge wieder einmal die Schlagzeilen, und wieder einmal aus zweifelhaftem Grund. Im Podcast "Die Deutschen" äußerte er unter anderem: "Es gibt Menschen ohne Beine und Arme, die wirft man in ein Becken – und wer als Letzter ertrinkt, der hat halt gewonnen."
Auch mit folgender Aussage machte er sich über die Idee hinter den Wettbewerben lustig: "Abgefahren: Der Erste, der ein anderes Land angerufen hat und gesagt hat: 'Ey, du kennst doch die Olympischen Spiele. Ich habe eine ähnliche Idee. Ihr habt doch auch Behinderte in eurem Land. Sollen wir mal schauen, wer Schnellere hat?'"
Luke Mockridge hat anscheinend nichts gelernt
Der mediale Aufschrei war so groß wie erwartbar, mit Kristina Vogel (Olympiasiegerin im Bahnradfahren) und Louisa Dellert (Moderatorin) brachten auch Prominente die neueste Mockridge-Entgleisung in den Fokus.
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Es ist das alte Dilemma: Einerseits sollte der Comedian für so etwas nicht auch noch zusätzlich Aufmerksamkeit erhalten (denn am Ende hilft ihm jede Form der Aufmerksamkeit), andererseits muss er spüren, dass seine "Witze" für andere verletzend sind. Doch das Besondere bei Mockridge: Er macht sowieso weiter. Früher oder später.
Ein kurzer Blick zurück. Anfang 2024 gibt Luke Mockridge dem "stern" ein Interview, in dem er sich selbstkritisch über seinen Umgang mit Frauen in der Vergangenheit äußert. "Ich hatte eine fast sportliche Motivation, Frauen aufzureißen", gesteht er hier. Gerne auch habe er Frauen etwas "vorgegaukelt". Er sei ein "Arschloch" gewesen, habe aber aus seinen Fehlern gelernt.
Zuvor waren schwere Vorwürfe gegen ihn laut geworden, was Sat.1 dazu veranlasste, alle für 2022 geplanten Shows mit ihm als Moderator abzusagen. Parallel dazu fasste der Komiker auch selbst den Entschluss, sich für eine Weile zurückzuziehen und zu reflektieren.
Wer aber auf Karriere-Ende spekulierte, war auf dem Holzweg, und zwar sowas von. Gar nicht allzu lange Zeit später warb er auch schon wieder für eine Tour ... und viele wollten ihn sehen. Die vielfach bei Social Media geäußerte Forderung "Konsequenzen für Luke" realisierte sich allenfalls für eine gefühlte Sekunde.
Luke Mockridge entschuldigt sich – wieder einmal
Auch im TV sollte der Comedian wieder stattfinden, das Quiz "Was ist in der Box?" war für den 12. September angesetzt. Die neueste Kontroverse um ihn könnte daher kaum ungünstiger kommen, und tatsächlich hat Sat.1 wieder reagiert. Der Sender-Sprecher Christoph Körfer erklärt bei "Bild":
"Die Aussagen zu behinderten Menschen und Para-Sportlern, über die sich viele Menschen zu Recht empören, passen nicht zu unseren Werten."
"Was ist in der Box?" flimmert nun doch nicht über die Bildschirme. Doch wie lange hält Sat.1 diesmal an dem Abschied von Mockridge fest?
Womöglich wird die Distanzierung auch jetzt schnell verpuffen, obwohl Luke Mockridge wieder einmal erkannt hatte, dass es an der Zeit ist, zur Abwechslung den good guy zu geben. Noch am Abend des 7. September hatte er ein reumütiges Statement bei Instagram zum Paralympics-Thema ab.
"Selbstverständlich war es nie meine Absicht, Menschen mit Behinderung ins Lächerliche zu ziehen", stellt er klar. Die Jokes habe er sogar mit einem paralympischen Sportler und Comedian erarbeitet. Allgemein habe er bei Behinderten einen "scharfen, schwarzen Humor erlebt", den wiederum er mit seinem Gag im Podcast zelebrieren wollte.
"Dass es mir nicht gelungen ist, das richtig zu vermitteln, und dass ich Menschen verletzt habe, tut mir wirklich leid", schreibt er. Bemerkenswert an der Stellungnahme ist vor allem auch folgender Satz:
"Gags, die man erklären muss, sind handwerklich nicht gut."
Luke Mockridge gesteht also, dass er kein guter Comedian ist. Zwar bezieht er sich nur auf diesen Einzelfall, doch die Feststellung ist durchaus auch allgemeingültig (Ob diese Erkenntnis auch noch eines Tages folgt?).
Ein Problem nämlich zieht sich durch seine gesamte Karriere: Er provoziert, ähnlich wie sein Kollege und Kumpel Oliver Pocher, nur um des Provozierens Willens. Daher ist sein Humor plump, dumm und von vornherein für eine toxische Bubble interessant.
Das Meckern über die "Cancel Culture", die gar nicht funktioniert
"Cancel Culture". Ein beliebtes Schlagwort, auf das vor allem prominente alte Männer zurückgreifen, wenn sie plötzlich für Aussagen Kritik bekommen, mit denen sie vor 30 Jahren noch durchkamen (hallo, Thomas Gottschalk!)
Auch Luke Mockridge ist auf diesen Zug aufgesprungen. Im Oktober bewarb er die Doku "Trippy – Comedy Comeback statt Cancel Culture". Auf der einen Seite tut ihm alles sehr leid, aber diskriminieren möchte er auf der Bühne schon weiterhin gerne.
Wie zum Beispiel 2019 bei der "Luke! Die Greatnightshow", als er sich darüber lustig machte, dass Leichtathletinnen bei der WM nicht aus bestimmten Perspektiven gefilmt werden wollten. "Nicht, dass man dann bei der Kugelstoßerin die Hoden sieht."
Daher sollte absolut niemand über seine Einlassungen zu den Paralympics verwundert sein. Luke Mockridge weiß, dass der Shitstorm kommt, und er weiß auch, dass er ihn überstehen wird. Aus Erfahrung.
Gerne wäre er die deutsche Antwort auf Ricky Gervais, doch der Brite hat den großen Vorteil, abseits der Kameras nie ein "Arschloch" gewesen zu sein. Er beherrscht auch den Spagat zwischen edgy und ehrverletzend, weshalb er weltberühmt und Luke Mockridge nur ein deutsches Problem ist. Immerhin ein kleiner Trost, wenn Sat.1 demnächst das nächste Format mit Luke Mockridge ankündigt.
Die romantische Komödie "Nobody Wants This" trifft bei Netflix einen Nerv und schoss nicht nur in Deutschland direkt in die Serien-Top-Ten. Auf Social Media wird häufig lobend erwähnt, wie angenehm untoxisch sich die Beziehung zwischen den Hauptcharakteren entfaltet. Allerdings lässt die erste Staffel Fragen offen.