Vielleicht ist RTL kurz davor, sich den Raab-Fehler einzugestehen. Das wirkt erstmal wie eine eigenwillige Interpretation der am Samstagabend veröffentlichten Pläne für die kommende Woche. Aber je genauer man hinschaut, desto schlüssiger wird's.
Anfang der Woche hatte Raab das Rätsel höchstpersönlich aufgelöst. Auf seinem Instagram-Account hatte der Moderator tagelang kryptische Botschaften gepostet. Das nicht wirklich überraschende Ergebnis: Eine neue Raab-Show kommt. Der nicht wirklich originelle Titel: "Die Stefan Raab Show". Da weiß man wenigstens, was man bekommt.
Als Start wurde zunächst der kommende Dienstag ausgegeben. Schrittweise breitete RTL dann die Bühne aus. Erst drei, dann vier und nun fünf Shows erhält der Entertainer zum Start. Montag bis Freitag, jeweils 20.15 Uhr, gibt es eine neue Folge der "Stefan Raab Show".
"Ich bin hier jeden Abend der Woche am Start. Jeden verdammten Tag. Supergeil, oder?", fragt Raab in einem Trailer ein paar anzutragende Teilnehmer:innen eines RTL-Meetings. Der Kreis reagiert mit offensichtlich gespielter Begeisterung, was wahrscheinlich selbstironisch sein soll.
Aber vielleicht ist das gar nicht so weit von den wahren Verhältnissen innerhalb der RTL-Mauern in Köln entfernt.
Dort dürften die Zweifel an Raab in den letzten Monaten gewachsen sein. Raabs erstes wöchentliches Show-Projekt "Du gewinnst hier nicht die Million" hielt sich nicht lange. Die Quoten waren zu schwach, das Konzept zu sperrig, wie RTL selbst zugab.
"Du gewinnst hier nicht die Million" habe das TV-Publikum nicht ausreichend überzeugt, hatte Inga Leschek, Chief Content Officer bei RTL Deutschland, analysiert. Mischformate wie dieser Hybrid seien grundsätzlich schwer vermittelbar. Raab hatte einen Mix aus Quiz, Stand-up, Comedy und Gameshow entworfen.
Es war eine direkte, offene Kritik an den ja lange über jeden Zweifel erhabenen Urheber. "Der Raab-Deal ist das smarteste, was ich in meinem Leben gemacht habe", hatte Leschek kurz nach dem Raab-Comeback noch gejubelt.
Aus Euphorie wurde wohl Ernüchterung. Und nun Verzweiflung.
Von Montag bis Freitag wird RTL laut "DWDL" jeweils um 20.15 Uhr 15 Minuten lange Ausgaben von "Die Stefan Raab Show" senden. Bevor dann vermutlich langfristig immer Mittwochs die Show in ihrer eigentlichen Form laufen wird.
Die fünf 15-Minuten-Ausgaben sind also im Grunde Trailer für eine einzige, wöchentlich ausgestrahlte Show, über deren Inhalt man übrigens noch nichts weiß.
Mehr Werbung (75 Minuten zu allerbesten Sendezeit) geht nicht. Mehr Aufmerksamkeit kann ein TV-Sender einem Show-Master nicht schenken. Es ist die komplette Raab-Auffopferung, die man da kommende Woche erleben wird.
Warum tut RTL das?
Raab braucht den Erfolg. RTL braucht den Raab-Erfolg, denn der Sender hat sich dem Moderator mit Haut und Haaren verschrieben. Zumindest hat man sehr viel investiert und riskiert. Unbedingt wollte man offenbar ein Pendant zum Joko-und-Klaas-Cluster von ProSieben haben. Zentrale Sendergesichter, eine produktive Show-Schmiede, die regelmäßig originelle Ideen liefert. Nur ist Raab genau das offenbar nicht mehr.
Auch das einigermaßen erfolgreiche "Stefan und Bully" gegen irgendson Schnulli" ist nichts weiter als ein (verwässertes) "Schlag den Raab"-Remake. Angekündigt ist zudem "Die Unzerquizbaren", wo Raab und, ratet mal, Elton, gegen, ratet mal, Normalos in, ratet mal, Quizrunden antreten. Wow.
RTL und Raab versuchen es jetzt noch einmal zusammen. Sie setzen nochmal alles auf eine Karte. Weil sie es eben müssen. Und wenn das nicht funktioniert, dann weiß man aber auch ganz sicher, dass man nicht füreinander bestimmt ist. Es vielleicht nie war.
Exakt ein Jahr ist das Raab-Comeback nun her. Mit dem Boxkampf gegen Regina Halmich bescherte er RTL Traumquoten. Es war das TV-Event des Jahres. Weil die Verheißung so groß war, die Fantasie nach neun Jahren Raab-Abwesenheit blühte. Welche ausgefeilten Ideenpfeile mag das TV-Genie so im Köcher haben?
Inzwischen kennt man die Antwort. Die Zeichen verdichten sich, dass der Moment des Raab-Comebacks bereits der Höhepunkt des Raab-Comebacks war.