Achtung, es folgen Spoiler zur neuen Folge von "House of the Dragon"! Wer die Episode mit dem Originaltitel "The Princess and the Queen" noch nicht gesehen hat, sollte also vorsichtig sein.
Mit Folge sechs (Titel: "Die Prinzessin und die Königin") verlangt "House of the Dragon" den Fans einiges ab – denn gleich mehrere Stars, an die sich das Publikum gerade erst gewöhnt hat, werden ersetzt. Der Grund ist ein Zeitsprung von zehn Jahren, der die Serie zumindest gefühlt noch einmal von vorn beginnen lässt – der umfangreichen Vorlage von George R.R. Martin soll so Rechnung getragen werden. Ob dies der HBO-Adaption guttut, ist aber erst einmal sehr zweifelhaft.
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Mit Emily Carey und Milly Alcock werden in der aktuellen Episode zwei Hauptdarstellerinnen ausgetauscht: Olivia Cooke spielt nun Alicent Hohenturm und Emma D'Arcy schlüpft in die Rolle von Prinzessin Rhaenyra. Zwar machen die neuen Schauspielerinnen ihre Sache auch gut – sehr gut sogar –, doch das verhindert nicht, dass sich "Die Prinzessin und die Königin" wie ein negativer Einschnitt anfühlt, schließlich sind auch "Game of Thrones"-Fans Gewöhnungstiere.
In der Originalserie hatte es eine vergleichbare Besonderheit auch nicht gegeben. Vielmehr war hier gerade ein Reiz, den jüngeren Stars wie Maisie Williams und Sophie Turner beim Erwachsenwerden vor den Kameras zusehen zu können. Sie wuchsen mit ihrer jeweiligen Figur. Die Bindung an die Charaktere ergab sich für die Zusehenden daher beinahe von selbst. Doch "House of the Dragon" geht – wenn auch wohl eher erzählerisch notgedrungen – einen ganz anderen Weg und sorgt für einen harten Cut.
Hinzukommt: Das Publikum bekommt weiterhin komplett neue Figuren vorgesetzt. In der aktuellen Episode ist das ein ganzer Haufen an Targaryen bzw. Velaryon-Nachkommen, die in der Zwischenzeit gezeugt wurden oder mittlerweile fast erwachsen sind. Mit neuen Gesichtern verbunden sind wiederum auch neue Namen. Und mit eben diesen hadern "Game of Thrones"-Anhänger ohnehin seit jeher. Jacaerys, Lucerys, Aegon, Helaena, Aemont, Baela, Rhaena – wer soll da bitte den Überblick behalten? An der Stelle wird das Schauen der Serie zur Arbeit.
Berücksichtigt sind dabei noch nicht einmal die ganzen Konflikte, die "Die Prinzessin und die Königin" temporeich vorantreibt. Zwar hatte "House of the Dragon" einen Machtkrieg zwischen Rhaenyra und Alicent sauber vorbereitet, doch dass die Prinzessin mehrere Kinder von einem Mann austragen würde, der nicht ihr Ehemann ist, ist dann doch etwas viel auf einmal. Schließlich hatten Rhaenyra und ihr schwuler Gatte Laenor zuvor noch verabredet, zumindest ihre Pflicht der gemeinsamen Nachwuchszeugung zu erfüllen. Ganz nebenbei darf dann noch Rhaenyras einstige Affäre Ser Kriston Kraut seiner Frustration Luft machen.
Das Drehen am Star-Karussell bringt allerdings auch noch unschöne Nebenwirkungen mit sich, denn es offenbart das vielleicht größte Problem der Prequel-Serie: Es fehlt an allen Ecken und Enden ein sympathischer Charakter, an den Fans sich klammern können, wenn alles dem Untergang geweiht scheint.
In "Game of Thrones" erfüllte Tyrion Lennister diese Funktion. Seine Sprüche lockerten die Story immer wieder auf und führten letztlich dazu, dass nie der Eindruck entstand, "Game of Thrones" würde sich selbst zu ernst nehmen. Einen solchen Faktor lässt "House of the Dragon" bislang vermissen.
Zunächst schien es, als könne Daemon Targaryen die Rolle ausfüllen. Der ist zwar sicherlich kein Sympath im eigentlichen Sinne, aber überzeichnet genug, dass er eine Menge Spaß macht, oder machen kann. Jedoch war seine Bildschirmzeit in den vergangenen Episoden stark heruntergefahren und die Figur steht derzeit ein wenig zwischen den Stühlen.
Er ist irgendwie ein Bösewicht, dann aber auch wieder nicht so richtig. Die neue Folge beispielsweise zeigt ihn plötzlich in geradezu trauter Harmonie mit seiner neuen Frau Laena – bis sie einen geradezu pathetischen Tod stirbt. Sollte er als nächstes Trost bei seiner Nichte suchen, würde das zumindest wieder ordentlich Würze in die Geschichte bringen.
Derweil hat sich Otto Hohenturm als eine der größten bisherigen Enttäuschungen der Serie erwiesen. Nachdem er zunächst Anstalten gemacht hatte, in die Fußstapfen von "Game of Thrones"-Kleinfinger zu treten, sägten ihn die "House of the Dragon"-Macher nun recht gnadenlos ab. Den dummen König Viserys mag niemand und Alicent ist noch lange nicht fies genug, um auf einer Stufe mit etwa Cersei Lannister zu stehen.
Bleibt Prinzessin Rhaenyra, die auch nach sechs Folgen noch etwas unterkühlt wirkt. Ihre schwierige Situation ist rational verständlich, ihre Not aber nur bedingt nachfühlbar. Am Ende ist es vermutlich auch ihre Unberechenbarkeit, die den Zugang erschwert.
Bis jetzt ist "House of the Dragon" mehr oder weniger wie "Game of Thrones" – nur fast ohne Humor. Auf lange Sicht macht das die Show definitiv öde, doch wer weiß, was die Showrunner noch an neuen Figuren in petto haben ...