Taylor Swift spielt 2024 sieben Konzerte in Deutschland.Bild: IMAGO/ZUMA Wire
Meinung
Taylor Swift ist aktuell wahrscheinlich der weltgrößte Popstar. Gefühlt ganz Deutschland war in Aufruhr, als am Mittwoch der Presale für die Shows in Gelsenkirchen, Hamburg und München über die Bühne ging. Jede:r kennt zumindest irgendjemanden, der eine Karte gekauft hat – oder beim Versuch gescheitert ist.
Doch dann soll es ja auch noch Menschen geben, die mit der Sängerin überhaupt nichts anfangen können und von dem ganzen Hype sogar genervt sind. In sozialen Netzwerken stellen das nicht wenige aggressiv zur Schau, denn seien wir ehrlich: Manchmal macht es Spaß, dagegen zu sein.
Ich mag eigentlich keine Popmusik und "müsste" mich dieser Rebellion insofern anschließen – doch auch mich hat die Faszination um Taylor Swift gepackt, und das ist vollkommen in Ordnung.
Taylor Swift: Der Hype erklärt
Die 33-Jährige ist eine sehr gute Sängerin, ihre Stimme ist allerdings nicht so markant wie die von Céline Dion, Whitney Houston oder Tina Turner. Daran liegt es also schon einmal nicht. Ihre Bühnen-Show ist, was spektakuläre Einlagen betrifft, auch nicht das allergrößte Highlight. Und dennoch hat sie sich mehr als jede andere eine Marke geschaffen.
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Das liegt einerseits an ihren Songs, die vor allem, aber nicht nur bei jungen Menschen einen Nerv treffen. Natürlich, der Aufbau ihrer Lieder ist nicht sehr komplex, am Ende des Tages ist es eben Pop-Musik.
Aber: Taylor Swift ist eine meisterhafte Lyrikerin, und das meine ich vollkommen ernst in einer Welt, in der viele Pop-Stars ihre Songs nach wie vor nicht einmal selbst schreiben. Nicht umsonst jedenfalls bieten mehrere US-Universitäten Kurse über ihre Diskographie in literarischen und gesellschaftspolitischen Kontexten an.
Wenn sie beispielsweise über die Liebe singt, fördert sie weit mehr zutage, als einfach nur "crazy in love" oder "dangerously in love" zu sein. Sie schreibt über Enttäuschungen, Verständigungsschwierigkeiten, aber auch Reifeprozesse. Phasenübergreifend hadert sie mit der eigenen Identität, frönt manchmal sogar offen dem Selbsthass – Taylor Swift, der millionenschwere Superstar, dem es doch eigentlich an nichts mangeln kann.
Taylor Swift spricht Fans aus der Seele
Die Songs der Sängerin sind eingängig, aber nicht zwangsläufig oberflächlich. Sehr gut lässt sich beobachten, wie sie als Songwriterin von Album zu Album reift.
Ihre ganz große Gabe besteht darin, (auch komplizierte) Gefühle so zu beschreiben, dass sehr viele Menschen denken: "Ja, so ist das, kenne ich!" Ihre Sprache ist mal sehr direkt, mal bildhaft, mal beschreibend, vor allem ihre neueren Lyrics besitzen kein Gramm Fett.
Der Hype um Taylor Swift kennt momentan kaum Grenzen.Bild: AP / Ashley Landis
Ihre Lieder wirken simpel, weil sie in erster Linie rund sind. Würde man aber versuchen, Taylor Swifts Stil zu parodieren, stieße man schnell an seine Grenzen – weil genau in dieser Einfachheit auch die Genialität liegt.
Auf Tiktok und Instagram kursieren tausende Videos, die zeigen, wie circa 95 Prozent der Fans bei den "Eras"-Konzerten in den USA absolut jede Zeile lauthals mitsingen, denn so ist das nun einmal, wenn einem jemand aus der Seele spricht.
Ja, ich mag Taylor Swift!
Zugegeben: Es gibt Aspekte an diesem Hype, auf die ich verzichten kann. Dazu zählt zum Beispiel die geradezu wahnhafte Suche nach versteckten Botschaften, Hinweisen und Querverweisen in ihren Texten, oder natürlich auch der permanente Trubel um ihr Privatleben (ich möchte wirklich nicht mit Taylor Swift tauschen, auch wenn ich dann ihr Talent und ihr Geld hätte). Das Fandom neigt ins Toxische.
Als Künstlerin steht Taylor Swift für mich jedoch meilenweit vor allen anderen Sängerinnen ihrer Generation – und das sage ich als Person, die in erster Linie Rock- und Metal-Musik hört. Ich bin kein Super-Fan, der für Taylor Swift über Leichen geht, freue mich aber sehr auf das zweite Gelsenkirchen-Konzert im nächsten Juli, für das ich eine Karte bekommen habe. Und ja, ich nehme in Kauf, dafür aus "meiner" Bubble in den nächsten Monaten Spott und ungläubige Blicke zu kassieren.
Zu meiner "Verteidigung" werde ich dann anbringen, dass ich vier Tage vorher bei Metallica bin. Diese Kombination ist nicht nur möglich, sondern großartig.
Langeweile, große Konkurrenz oder am Ende schlicht die veränderte Mediennutzung? Egal, bei "The Voice of Germany" läuft es einfach nicht mehr. Die einstige gute Seele der Casting-Shows tritt nicht nur auf der Stelle, sie bewegt sich in Richtung eines Abgrunds.