The 1975 haben vergangene Woche in Malaysia einen Skandal ausgelöst. Nach nur wenigen Liedern sorgte Sänger Matty Healy mit einer flammenden Rede für Aufsehen. Er sei heute nicht in Stimmung, verkündete der Frontman und machte seinem Ärger anschließend deutlich Luft. Der Auftritt in Kuala Lumpur sei ein Fehler gewesen. "Ich verstehe den verdammten Punkt nicht. Ich verstehe nicht, warum man The 1975 in ein Land einlädt und uns dann sagt, mit wem wir Sex haben können."
Nachdem er anschließend auch noch über die in seinen Augen unfaire Behandlung seiner Person in den sozialen Netzwerken hergezogen war, fuhr er fort: "Ich bin verdammt wütend. Und das ist nicht fair euch gegenüber, weil ihr nicht für eure Regierung steht. Weil ihr junge Leute seid und ich bin mir sicher, viele von euch sind schwul und progressiv und cool."
Zum Ende hinstellte er an die malaysische Regierung gerichtet noch klar: "Wenn ihr mich hierhin einladet, um aufzutreten, könnt ihr euch verpissen. Ich nehme euer Geld, ihr könnt mich ausschließen, aber ich habe das schonmal gemacht."
Anschließend küsste er Bassist Ross MacDonald leidenschaftlich für ganze 20 Sekunden. Wenige Minuten später musste die Band ihr Konzert abbrechen. Das Festival, auf dem sie gespielt hatten, wurde abgesagt. The 1975 bekamen daraufhin viel Zuspruch von Fans. Kritiker:innen dagegen warfen Healy vor, die Situation von Mitgliedern der LGBTQ+-Community im Land verschlimmert zu haben, da die dortige Regierung nun mit harten Repressalien gegen sie vorgehen würde.
Der Vorwurf des "White Saviorism" stand ebenfalls im Raum. Der Begriff beschreibt ein Phänomen, wonach weiße Menschen sich berufen fühlen, in Ländern des globalen Südens Hilfs-, Entwicklungs- und Aufklärungsarbeit zu leisten, dabei jedoch die Ursachen für die Missstände außer Acht lassen.
Healy selbst hat sich seitdem nur sehr knapp und wenig ernsthaft zu der Kontroverse zu Wort gemeldet. Umso überraschender war, dass er sich jetzt doch noch einmal dazu äußerte.
Der britische "Guardian" veröffentlichte ein langes Stück des Menschenrechtsaktivisten Peter Tatchell zu dem Thema. Tatchell erklärt darin, dass er die "White Saviorism"-Vorwürfe gegen Healy für unbegründet hält. "Soweit ich das sehe, wollte er nur Solidarität mit der unterdrückten Queer-Community von Malaysia demonstrieren", schreibt der Aktivist in seinem Text.
Anschließend stellt er klar, dass die Kritik an der Band, die in den letzten Tagen aufkam, nur von dem ablenken würde, was wirklich wichtig sei. Die malaysische Regierung müsse kritisiert werden, weil sie die LGBTQ+-Community im Land unterdrücke.
"Queere Menschen in Malaysia leiden schon genug unter Verfolgung, die von religions-inspirierter, staatlich-unterstützter Homophobie geleitet wird, nicht von den pro-LGBTQ+Kommentaren westlicher Popstars", schließt Tatchell seinen Text ab.
Der Artikel bekommt seit seiner Veröffentlichung jede Menge Aufmerksamkeit – schließlich auch von Healy selbst. Unter Tatchells Post zu dem Artikel schreibt er:
Dass der Sänger sich nun ausgerechnet dieses Stück aussucht, um sich persönlich bei dem Autor zu bedanken, ist auffällig, passt aber zu Healys Verhalten in den letzten Tagen. Der Sänger hat offenbar kurz nach dem Vorfall beschlossen, lieber andere für sich sprechen zu lassen.
So hatte er kurz nach dem Auftritt in Malaysia seinem Instagram-Profil den Link zu seinem Wikipedia-Eintrag hinzugefügt. Dort sind neben seiner Biografie und seinen musikalischen Errungenschaften auch sein bisheriges Engagement für LGBTQ+-Rechte und die Kontroversen rund um seine Interviews und Bühnenshows aufgeführt. Fans werteten das als Statement des Sängers, dass sein Verhalten auf der Bühne, für das er zuletzt so kritisiert wurde, keine Überraschung für irgendwen sein könne.
Healys Kommentar auf Instagram ist auch deswegen besonders auffällig, weil der Sänger zuvor auf die Diskussion um seine Aktion vor allem mit Spott reagiert hatte.
Als wenige Stunden nach dem Auftritt der Band bekannt wurde, dass das gesamte Good Vibes Festival nun abgesagt werde, postete Healy das Statement der Verantwortlichen in seiner Instagram-Story. "Ok, warum versucht ihr nicht mal, 20 Jahre lang nicht mit Ross rumzumachen? Nicht so einfach, wie es aussieht", bemerkte der Sänger dazu sarkastisch.