Jogginghose an, Kaffeemaschine auf Dauerbetrieb und die Haarbürste erst nach dem Feierabend benutzen: Für viele ist das Konzept von Homeoffice in den vergangenen drei Jahren zur Perfektion der Komfortzone geworden und wird auch nach pandemiebedingten Einschränkungen noch als praktisch und geradezu unabdinglich empfunden.
Doch auch nach vielen Monaten Praxistest und mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen zur Produktivität bei Remote-Arbeit hält sich die Kritik mindestens ebenso hartnäckig wie die Jubelrufe seiner Befürworter:innen.
Zuletzt sorgte der Chef des deutschen Traditionsunternehmens Trigema mit einer deutlichen Ansage zum Home-Office-Wandel für Aufsehen – jetzt erhält er allerdings Gegenwind von einem Experten aus der Arbeitswelt.
"Es zählt nicht die Zeit, die man am Schreibtisch sitzt, sondern das Ergebnis zum Schluss", stellt Unternehmer und TV-Star Carsten Maschmeyer klar. Er reagierte damit auf eine Aussage von Wolfgang Grupp, der bei Trigema vor allem die leitenden Mitarbeitenden zur Anwesenheit vor Ort verpflichtet sieht.
Polarisiert hatte Grupp vor allem mit dem Statement, dass remote arbeitende Menschen in seinen Augen komplett unwichtig für das Unternehmen seien. "Bei mir könnten sie sich dann auch gleich arbeitslos melden, weil sowieso keiner merkt, ob sie arbeiten oder nicht", erklärte der Trigema-Chef gegenüber dem "Tagesspiegel".
Dem hat der TV-Investor Maschmeyer allerdings eine Menge entgegenzusetzen. "Wenn du jemandem nicht zutraust, zu Hause zu arbeiten, hättest du ihn gar nicht erst einstellen sollen", konterte er die Grupp-Aussage in der "Bild"-Zeitung. In seinen Augen führt demnach eher die Kontrolle von oben zur Unproduktivität und nicht das Konzept Homeoffice an sich.
Zudem führt Maschmeyer an, dass eine gute Remote-Kultur nicht nur Vorteile für die Arbeitnehmende mit sich bringt, sondern eben auch für das Unternehmen und die gesamtgesellschaftliche Lage im Land. "Es steht zu viel auf dem Spiel", kommentiert er.
Hierbei nannte er zum einen das sinkende Verkehrsaufkommen durch die geringere Anzahl an Pendelnden, aber auch den frei werdenden Wohnraum in den Städten. "Smarte Arbeitgeber" würden heutzutage Verständnis dafür aufbringen müssen, dass eine Kombination aus Deep-Work-Phasen zu Hause und Kreativität im Büro der Schlüssel zum Erfolg sei.
Bei einer flächendeckenden Umsetzung dieses Konzepts könnte die Möglichkeit für Remote-Arbeit auch Deutschlands schwächelnder Wirtschaft helfen. "Wenn es eigentlich egal ist, ob der IT-Spezialist 8000 Kilometer oder acht Meter weiter sitzt, ergeben sich für Unternehmen ganz neue Möglichkeiten, ihre dringend benötigten Fachkräfte zu gewinnen", ergänzt Maschmeyer.
Die Studienlage zur Produktivität im Homeoffice bleibt bisher eher durchwachsen. Expert:innen erklären hierzu, dass die Effektivität bei Remote-Arbeit stets abhängig von der jeweiligen Tätigkeit, aber auch dem Charakter des Arbeitnehmenden sei.
Viele Menschen in Deutschland wünschen sich indes ausgeweitete Möglichkeiten für Homeoffice in ihrem Unternehmen. Mit durchschnittlich einem Remote-Tag pro Woche liegt Deutschland im europäischen Vergleich allerdings laut Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW bereits jetzt auf Platz zwei.