Relativ überraschend hat Tommi Schmitt erst kürzlich das Ende seiner ZDF-neo-Show "Studio Schmitt" verkündet. Seit April 2021 wurde die Late-Night-Comedy wöchentlich am Donnerstagabend gesendet. Insgesamt 61 Folgen in fünf Staffeln. Am Abend des 1. Juni war es schon so weit: die letzte Folge. Als Studiogast bei "The Final Issue": Model und Choregraf Jorge González.
"Hier ist der Vater von Wilson", witzelt Schmitt zur Begrüßung von Jorge und spielt damit auf die ungewöhnlichen Vornamen des Uwe-Ochsenknecht-Sohns Wilson Gonzales an. Sein Wunsch an die Zuschauenden zum Feiern der letzten Folge: "Machen Sie eine Polka auf dem Fliesentisch und schnüren Sie ein letztes Mal die Salsa-Schuhe zusammen. Hier ist Jorge González!"
Ein paar Tanzschritte probiert der kubanische Choreograf mit Schmitt. Doch der nörgelt schnell: "Ich kann das nicht."
Lieber geht es direkt in die "schnellen Fragen im Stehen": Jorge hat Atomnuklearökologie studiert und ist mit diesem Wissen eindeutetig gegen Atomkraft, wie er verrät. Außerdem zieht er seine Havanna "natürlich" seinem Wohnort Hamburg vor. Auf eine Insel würde er von seinen "Let's Dance"-Kolleg:innen lieber Motsi Mabuse als Joachim Llambi mitnehmen. "Ich nehme Motsi, da habe ich Ruhe", radebrecht er im Jorge-Style. Aber eigentlich würde er gern beide mitnehmen. Sein absolut unschlagbarer Tipp gegen Hangover: "Nicht trinken!"
Aber er selbst scheint diese Regel nicht wirklich immer zu beherzigen. Denn Schmitt erinnert sich an einen privat mit Jorge verbrachten Party-Abend, bei dem Jorge ihn zu fortgeschrittener Stunde einen verqueren Ratschlag gab: "Jetzt kein Bier – jetzt Campari Soda – jetzt wird gefährlich." Wenn er Tommi Schmitt komplett umstylen müsste, "was wäre deine Vision?", will Schmitt wissen. Jorge zögert keine Sekunde. "Nackt."
Dann geht es um das Leben des Kubaners. Wir erfahren, dass er gern Bananen isst, am liebsten die kleinen kanarischen, weil die süßer sind. Und auch an die Schulzeit erinnert er sich:
Als er beginnt, über sein Aufwachsen auf Kuba zu erzählen, wirft er scherzhaft ein: "Ich bin homosexuell – hat man nicht gemerkt, oder?"
Aber Schwulsein auf Kuba ist nicht wirklich zum Lachen, wie Jorge erzählt: Auf der Karibikinsel war Homosexualität in seiner Jugend grundsätzlich verboten. Und er habe schon mit vier Jahren gewusst, dass er schwul ist. Die Begründung: Er trug schon mit dreieinhalb Jahren die High-Heels seiner Oma. Sein Vater wollte allerdings, dass er Boxer oder Baseball-Spieler wird. "Er war ein Macho." Aber die beiden haben sich trotzdem gut verstanden, bis der Vater mit 99 Jahren gestorben ist.
Mit elf Jahren ging Jorge aufs Internat, dann mit 17 zum Studium mit Stipendium in die damalige Tschechoslowakei nach Bratislava. Ein ungewöhnliches Ziel, aber ihn zog es dort hin. Weil seine Großmutter ihm alle Romane von Kafka vorgelesen und von der Tschechoslowakei erzählt hat. Da dachte er sich: "Ok, ich schaue, was gibt es dort." Er wählte Atomnuklearökologie als Studienfach, weil er es interessant fand.
Neben dem Studium war für ihn vor allem der offene Umgang mit Homosexualität ein Erweckungserlebnis. "Als ich gemerkt habe, es ist erlaubt, habe ich mich total wohl gefühlt, frei." Und so blieb er einfach in der Tschechoslowakei.
Zu seiner Familie konnte er danach keinen Kontakt halten, denn die bekam nach seinem Fernbleiben Besuch vom kubanischen Geheimdienst. Das erste Lebenszeichen seinerseits für seine Familie war, als eine Kubanerin mit einer Zeitschrift mit einem Artikel über ihn nach Kuba gereist ist.
Er wiederum entdeckte seine Leidenschaft für Deutschland. Erst anhand eines Fotos. "Ein toll aussehender Mann, blond mit Lederhose" – euphorisiert nur von diesem Bild, fuhr er spontan mit dem Zug von Prag nach Garmisch-Partenkirchen für einige Tage. Nach der Rückkehr von seiner Stippvisite verliebte er sich in Prag in einen Deutschen und kam 1990 mit 23 Jahren nach Deutschland. Da blieb er, denn für ihn stand fest. "Hier kann ich viele Sachen lernen."
Gern hätte man mehr im Gespräch mit Jorge erfahren. Doch in der Show drängt die Spielrunde "Wer kann was?" – eine Art heiteres Talente-Raten.
Acht nicht prominente Menschen sind im Studio und Schmitt und Jorge müssen raten, wer eine Bierflasche mit den Zähnen öffnen kann (die junge Frau), wer auf Bulgarisch fluchen kann (die andere junge Frau), wer einen Kolkraben nachmachen kann (der mittelalte Mann) und wer Breakdance kann (der Mann, über dessen Bauch das Shirt spannt).
Wer besser geraten hat? Keine Ahnung, spielt aber auch keine Rolle. Denn das Ende der Sendung ist nahe und es wird alles überstrahlt von der Ankündigung Tommi Schmitts. "Das war die vorerst letzte Folge", sagt er. Die Begründung klingt relativ lapidar:
Der Podcaster erzählt von seinen guten Erinnerungen an die Show, wie er zuerst "nur mit drei Kameraleuten" während der Pandemie im Studio stand. "Völlig absurd." Er lobt sein Team und glaubt, dass er "erst in ein paar Jahren realisieren werde", was genau die Sendung für ihn war. Mehrmals ist seine Stimme am stocken. Aber er fängt sich immer wieder. Seine Bilanz: "Es ist ein gutes Gefühl, dass man nicht abgesetzt wird, sondern dieses Projekt aus freien Stücken beenden kann."
Was er weiterhin plant? "Ich bleibe dem ZDF erhalten, ich mache weiter Fernsehen." Sein Rat ans Publikum zum Abschied: "Seien Sie lieb zu einander, wir gehen jetzt einen trinken."
(Ark)