Der Herbst steht bevor und die Energiepolitik ist gerade wichtiger denn je. Was wird sich für den Normalbürger ändern? Kann mit weiteren Entlastungen gerechnet werden? Und weshalb empören sich Bürger:innen lieber über triviale Dinge und nicht über die wirklichen Skandale? Diese Fragen bespricht Markus Lanz heute mit drei Gästen.
Heute im Studio anwesend:
Ein Bild und eine riesige Diskussion. In dem Flugzeug des Kanzleramtes tragen alle Anwesenden keine Maske und sitzen nah beieinander. Auf Twitter hat jenes Bild für Massenentsetzen gesorgt. Grund dafür: Vor kurzem wurden strengere Regeln für den Luftverkehr beschlossen. Statt den medizinischen Masken müssen alle Passagiere ab Oktober FFP2-Masken tragen.
In diesem Kontext ist so ein Bild aus der Kanzlermaschine verheerend. Dieser Meinung ist auch die Journalistin Eva Quadbeck, die tatsächlich Passagier in dieser besagten Maschine war. "Das Bild muss man aber erklären", steuert sie bei. Um für maximale Sicherheit im Flugzeug zu sorgen, habe es eine PCR-Test-Pflicht gegeben. Somit mussten keine Masken getragen werden. Im normalem Luftverkehr seien keine PCR-Tests notwendig. Die verschärfte Maskenpflicht soll diese Sicherheit kompensieren. FDP-Politiker Wolfgang Kubicki hat dazu eine andere Meinung.
Als bekannter Gegner der Coronamaßnahmen nennt er die neuen Regeln und den maskenfreien Flug eine "elitäre Doppelmoral". "Das sagt der Richtige", wirft Quadbeck ein. Moderator Markus Lanz richtet sich an Anton Hofreiter, Politiker der Grünen, und fragt nach der Kommunikation innerhalb der Ampelregierung. "Kommunikativ kann man das auch einfach 'scheiße' nennen", antwortet ihm Hofreiter und sogt für Lacher im Studio. Dabei wirkt er selbst sehr ernst und wirft den Kollegen aus der FDP sogar Nähe zur populistischen Schiene vor:
Es sei verantwortungslos, ein populistisches Ding daraus zu machen. Außerdem wüssten alle in der Politik, dass PCR-Tests für Dienstflüge gemacht werden müssen. Für den normalen Luftverkehr wäre das gar nicht möglich und für die meisten Menschen nicht finanzierbar, fügt Quadbeck noch hinzu.
Interessanterweise sprechen viele im Land gerne über die banalsten Dinge und stellen die wirklich skandalösen Geschichten nicht in den Mittelpunkt. Eine Debatte über den Cum-Ex-Betrug wird in Deutschland kaum wahrgenommen. "Weil es sehr kompliziert ist", begründet der Autor Ferdinand von Schirach diesen Umstand. Allein die juristischen Seiten rund um die Angelegenheit werden nur von den Wenigsten verstanden.
"Jemand sagt 35 Mal: 'Ich kann mich nicht erinnern', aber sagt auch: 'Ich erinnere mich genau, dass ich alles richtig gemacht habe.' Sowas geht nicht." Dabei bezieht er sich auf die Aussagen des Bundeskanzlers vor dem Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft. Olaf Scholz ist Zeuge und ist zur Wahrheit verpflichtet, kann sich jedoch an nichts mehr erinnern. Zur Wahrheit sei er auch politisch verpflichtet, findet von Schirach. Er habe nun einmal eine gewisse Vorbildfunktion, welcher er nachgehen müsse: "Da kann man nicht einfach nichts sagen."
Genau das mache er aber, wirft Markus Lanz ein. Die Anwesenden sind geeinter Meinung, dass Olaf Scholz nicht korrupt sei. "Trotzdem sollte man auf keinen Fall hinter verschlossenen Türen irgendwelche E-Mails schreiben", schließt von Schirach die Thematik ab.
Journalistin Eva Quadbeck erläutert die Gründe der Reise nach Kanada und lobt dabei die Bundesregierung. Dieser Besuch solle in den nächsten drei oder vier Jahren die Energie in Deutschland sichern. Dafür soll das Gas in Kanada eingekauft werden. Das wäre eine politische Handlung, die sich weiter in die Zukunft ziehen würde. Meistens agieren Politiker nur in der Spannbreite der eigenen Legislaturperiode und nicht darüber hinaus. Als ökologisches Aushängeschild habe man Robert Habeck mitgenommen.
Er stehe für Glaubwürdigkeit, so Quadbeck. Bei diesem Gas handelt es sich aber um Fracking-Gas, welches ökologisch kritisch zu betrachten ist, da es für Umweltbeeinträchtigungen sorgen kann. Markus Lanz wartet auf eine Reaktion des Grünen-Politikers Anton Hofreiter, der neben ihm etwas angespannt auf den Boden schaut. "Ich finde es problematisch, aber wir sind auch in einer problematischen Situation", äußert er letztendlich dazu. Die Grünen seien wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine zu Entscheidungen gezwungen, die sie früher so nicht getroffen hätten, so Hofreiter. Die grundlegenden Ziele der Grünen haben sich jedoch nicht geändert:
Dass große Konzerne sich an der Krise bereichern, während Bürger:innen Angst vor der nächste Strom- und Gasabrechnung haben, bleibt ein großes Problem. Die Rede ist von zwölf Unternehmen, die mit der Gasumlage von deutschen Steuergeldern subventioniert werden sollen. Zugunsten der Versorger und zu Lasten der Verbraucher hat der Bund beschlossen, mehr Geld für die Kilowattstunde Gas zu berechnen.
"Das ist kein Zufall, sondern eine systemische Frage", stellt Markus Lanz fest. Dem stimmt Ferdinand von Schirach zu: "Niemand hat es beabsichtigt, einem reichen Konzern noch mehr Geld zu geben." Wieso ist die Marktwirtschaft so flexibel, wenn es um diese reichen Konzerne geht? Anton Hofreiter hofft auf eine Übergewinnsteuer. Diese Krise müsse bezahlt werden und zwar von denen, die von dieser Krise profitieren. "Man muss sich dringend in der Ampel darum kümmern, dass die Firmen, die erhebliche Gewinne einfahren und die Gasumlage nicht brauchen, diese Gasumlage auch nicht kriegen", fügt Hofreiter hinzu. Wie die Ampel genau damit umgehen werde, bleibt ungeklärt.
Eines ist jedoch klar: Es bleibt moralisch nicht vertretbar, dass Unternehmen ihre Umsätze verdreifachen und millionenhohe Gewinne machen, während bis zu 60 Prozent der Bürger:innen in Deutschland nicht mehr sparfähig sind.