Bei seinem Besuch in Moskau hat der Bundeskanzler mit Russlands Präsident Waldimir Putin vier Stunden lang gesprochen. Ein erheblicher Anteil des Gesprächs dürfte sich um den Konflikt zwischen Ukraine und Russland gedreht haben. Aufmerksamkeit erregte dabei auch wieder Putins sechs Meter langer Tisch sowie der Ärger um Olaf Scholz' Corona-Test. Markus Lanz stellt bespricht das mit diesen Gästen:
Scholz sollte nach Willen der russische Seite einen Corona-Test von russischen Medizinern vornehmen lassen. Der vor der Abreise bereits mehrfach getestete Bundeskanzler entschied sich jedoch dafür, sich lieber von der Ärztin aus der deutschen Botschaft testen zu lassen. Der FDP-Fraktionsvize und Außenpolitik-Experte Alexander Graf Lambsdorff ist voller Zustimmung für diese Entscheidung.
"Völlig richtig gemacht vom Bundeskanzler wie auch von Emmanuel Macron zuvor – dass sie gesagt haben: 'Das machen wir nicht mit.' Umgekehrt würde sich Wladimir Putin auch keine deutschen Stäbchen in die Nase rammen lassen. Und auch das ist richtig so."
Nun lassen sich Millionen Schüler und erwachsene Bundesbürger mehrmals in der Woche die Woche das Stäbchen in die Nase stecken zum Corona-Test, aber auch wenn es in der Formulierung so klang, ging es Lambsdorff wohl nicht um Verletzungsgefahr oder Ähnliches, sondern um symbolhaftes Verhalten: Nicht den Spielchen von Wladimir Putin beugen. Kolportierte Vermutungen, dass Scholz seine DNA nicht in russische Hände gelangen lassen wollte, sieht Lambsdorff als weniger schlüssig an: Dazu würde schließlich schon eine Kaffeetasse reichen, an der der Kanzler genippt hat.
Offiziell aus Vorsicht nahmen Schulz und Putin am sechs Meter langen Tisch Platz, an dem zuvor auch schon Emmanuel Macron gesessen hatte.
Für die Politikwissenschaftlerin Daniela Schwarzer ist dieses ganze Verhalten "eine Form von Machtdemonstration – das ist nicht die Angst vor Bakterien". Der von Scholz verlangte Test mit russischen Medizinern sei "eine Art Schikane". Putin sei bekannt dafür, "Gesprächspartner, mit denen man eigentlich verhandeln wollte, öffentlich vorzuführen".
Umso erstaunlicher, dass das Gespräch zumindest auf den ersten Blick mit guten Ergebnissen zu Ende ging: Scholz zog ein positives Fazit, außerdem wurde bekannt, dass bereits einzelne russische Truppen abgezogen werden. "Hier werden Signale der Entspannung gesendet, die Frage ist nur: Ist es belastbar, ist es von Dauer?", fragt Lambsdorff. Die Politikwissenschaftlerin Schwarzer sieht es weniger positiv:
Michael Bröcker, Chefredakteur von "The Pioneer" findet, dass Scholz, der bei der Pressekonferenz mit Putin völlig untypisch über die lange Amtszeit des russischen Präsidenten scherzte, "seine beste Szene als Kanzler bisher" hatte.
Bröcker hat gerade noch Ex-Kanzler Gerhard Schröder in Hannover besucht. Markus Lanz möchte von ihm wissen, was sich Schröder bei seinen Jobs für russische Energieunternehmen denke. Und Bröcker attestiert dem Alt-Kanzler in diesem Punkt eine ganz andere Wahrnehmung: "Es ist eine komplett andere Welt." Schröder finde es vollkommen in Ordnung, dass er damit viel Geld verdient und er verweist immer darauf, dass das, stünde er bei einem amerikanischen Konzern unter Vertrag, niemanden interessieren würde. Außerdem sei Schröder immer der Meinung, dass es auch für Europa besser sei, man würde im System mit Russland arbeiten als außerhalb des Systems gegen Russland.
Für Andrij Melnyk, Ukrainischer Botschafter in Deutschland, ist Schröder ein Tuch so rot wie die auffällige Hose, die er bei Lanz im Studio trägt. Er wirft dem "früheren Politiker" vor, er sei "der Inbegriff, warum in Osteuropa manche Deutschland nicht trauen können", der Ex-Kanzler habe dem Image Deutschlands Schaden zugefügt.
Wirklich neu ist die Kritik am Russland-Engagement Schröders nicht. Vom Botschafter eines anderen Staates vorgebracht, hört man es allerdings sonst nicht. Melnyk jedoch reist seit einigen Wochen durch die Talkshows und dreht sprachlich oft eher undiplomatisch an der Erregungsschraube. Für Erleichterung angesichts der Truppenabzüge sei es "noch zu früh. Es könnte auch ein Täuschungsmanöver sein, ein Hütchenspiel, Katz und Maus". Aber es sei immerhin "kein schlechtes Signal", wohl "ein Geschenk an den neuen Bundeskanzler" von Putin, mutmaßt er leicht spöttisch. Doch für ihn steht fest: "Der Krieg ist noch lange nicht gebannt."
Nun weicht der Botschafter der Ukraine mit seinem Kurs deutlich von dem seines Präsidenten und Außenministers ab. Dmytro Kuleba hatte am Tag der Sendung gesagt: "Es ist uns und unseren Verbündeten gelungen, Russland von einer weiteren Eskalation abzuhalten." Lanz fragt ihn dazu. Aber Melnyk besteht darauf, dass es da keinen Unterschied in ihren Meinungen gebe.
Ob er bei seiner Aussage von vor einigen Tagen bleibe, dass die Kriegsgefahr 99,5 Prozent betrage, fragt ihn Lanz mehrfach. Die Antwort lautet nach einer ganzen Weile schließlich: "Es bleibt dabei, aber vielleicht nicht morgen." Es werde "ein Blitzkrieg", vermutet der Botschafter. Putin habe "Wahnvorstellungen" und wolle als eine Art zweiter Peter der Große in die Geschichte eingehen.
Ob es denn Dialog zwischen der Ukraine du Russland gebe, will Lanz wissen.
Sein Präsident würde sich, wo immer Putin will, mit ihm treffen, aber der russische Präsident nehme nicht einmal den Hörer ab.
Melnyk hat in den vergangenen Wochen immer wieder Deutschland aufgefordert, der Ukraine Waffen zu liefern, und das tut er nun auch wieder. "Die Liste ist offen und bekannt." Markus Lanz wendet ein, dass mehr Waffen eine eventuelle kriegerische Auseinandersetzung wohl nur um wenige Tage verlängern und verlustreicher machen würden und ob nicht eine diplomatische Lösung viel besser wäre. Aber Melnyk setzt aufs Prinzip Abschreckung. Für Deutschland gehe es darum, "dass man ein bisschen Solidarität zeigt, nicht nur mit schönen Worten", damit die Ukraine "fähig und bereit ist, sich zu schützen".
Das Ende der Sendung will Markus Lanz dann versöhnlich gestalten. Aber er scheitert, als er Melnyk fragt, ob es aus seiner Sicht denn ein guter Tag war.