Am Mittwochabend stand "Stern TV" ganz im Zeichen des Israel-Gaza-Krieges. Das Anliegen der Sendung sei es, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer die "Gesichter hinter den Videoschnipseln und Schlagzeilen kennenlernen", sagte Moderator Steffen Hallaschka zur Begrüßung. Dafür betrieb die "Stern TV"-Redaktion großen Aufwand, besuchte von der Hamas angegriffene Orte in Israel und berichtete aus dem abgeriegelten Gazastreifen. Die Reporter sprachen mit so vielen Menschen, dass es nicht ganz einfach war, die einzelnen Geschichten auseinanderzuhalten und die Verwandten zuzuordnen. Die bedrückenden Bilder und die Schilderungen der betroffenen Menschen sprachen aber für sich.
Im Mittelpunkt stand zunächst Chanan Cohen aus dem Kibbuz Yi'ron im Norden Israels. Die Siedlung war von der Terrororganisation Hamas angegriffen worden und sechs Verwandte Cohens, darunter seine Schwester Margalit, wurden entführt. "Ich habe in den letzten Tagen fünf Kilo verloren. Meine Gürtel haben nicht genug Löcher. Es ist sehr schwer zu schlafen mit dem Wissen, dass meine Schwester in den Händen von Terroristen ist", erklärte Cohen: "Aber wir verlieren nicht die Hoffnung. Ohne Hoffnung kann man in diesem Land nicht leben. Das ist Teil unserer DNA."
Zwei "Stern TV"-Reporter besuchten den verlassenen Kibbuz, sie drehten Bilder von abgebrannten und verwüsteten Häusern. Mit einem Revolver am Hosenbund führte Cohens Neffe die Journalisten durch das Haus seiner Tante, die aus ihrem Schutzraum entführt worden war. Immer wieder brach seine Stimme, er kämpfte mit den Tränen und der Verzweiflung. Sogar die Haustiere wurden erschossen, auf den Kacheln am Boden waren Blutspuren zu sehen.
"Sie haben alles getötet, was am Leben war", sagte der Neffe. Cohens Tochter Efrat hatte mit ihrer Tante noch telefoniert, als diese sich schon in den Schutzraum zurückgezogen hatte. Sie habe nur noch geflüstert, erzählte Efrat, im Haus waren bereits die Eindringlinge zu hören. Seitdem gibt es kein Lebenszeichen mehr von der entführten Tante, ihr Schicksal ist ungeklärt.
Die Familie der Deutsch-Israelin Shani Louk hingegen hat mittlerweile die traurige Gewissheit, dass ihre Tochter und Schwester nicht mehr am Leben ist. "Wenn nachts um zwölf Uhr jemand von der Armee an die Tür klopft, ist das nie ein gutes Zeichen", berichtete Mutter Ricarda Louk im Gespräch mit "Stern TV" von dem schlimmen Moment, als sie vom Tod ihrer Tochter erfuhr. Shani Louk war am 7. Oktober von dem Supernova-Musikfestival im Süden Israels entführt worden.
Im Internet tauchten Bilder von ihrem leblosen Körper auf der Ladefläche eines Hamas-Jeeps auf, ihr Schicksal hatte große Anteilnahme hervorgerufen. "Man hat das Gefühl, dass viele Menschen auf der ganzen Welt Shani ins Herz geschlossen haben", sagte ihre Mutter, die davon ausgeht, dass ihre Tochter direkt auf dem Musikfestival erschossen wurde und nichts mehr von der Entführung mitbekam. Dies sei eine kleine Erleichterung, erklärte Ricarda Louk.
Nicht weniger erschütternd waren die Bilder aus dem abgeriegelten Gazastreifen, der derzeit von der israelischen Armee angegriffen wird. Zerstörte Häuser waren zu sehen, überfüllte Krankenhäuser, Kinder die aus Schutt geborgen wurden, verzweifelte und tote Menschen auf den Straßen. Es fehlt an Trinkwasser, Medikamenten, eigentlich an allem.
"Wenn man den Tag hier überlebt, ist das eine Leistung", erzählte der Deutsch-Palästinenser Zaki S. in einer Sprachnachricht, die er an die Redaktion schickte. Trotz seines deutschen Passes darf Zaki S. nicht ausreisen, er erlebt das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen hautnah mit.
Hallaschka ordnete das Geschehen im Anschluss mit der zugeschalteten Israel-Korrespondentin Raschel Blufarb und dem Politikwissenschaftler Prof. Peter Neumann ein. "Die Menschen werden von der Hamas in den Kämpfen benutzt, das macht für sie die Situation während der israelischen Angriffe unerträglich", berichtete die Journalistin. Es sei gar nicht so einfach, Hamas und Zivilisten zu unterscheiden, erklärte Neumann, Israel müsse nun der Welt zeigen, "dass der Krieg der Hamas und nicht den Palästinensern gilt".
Immer wieder hatte die Hamas in den vergangenen Jahren Israel mit Raketen angegriffen. "Man möchte das Israel reagiert und die Palästinenser trifft und nicht die Hamas", erläuterte der Politikwissenschaftler die von der Terrororganisation angestrebte Täter-Opfer-Umkehr. Mit einer kurzfristigen Lösung des Konflikts ist nicht zu rechnen, das wurde in den Gesprächen deutlich. Der Krieg und das mit ihm verbundene Leid werden so schnell nicht enden, so lautete das Fazit einer düsteren und beeindruckenden Folge von "Stern TV".