Ach wie gut, dass niemand ahnt, wer mir meinen Scheitel bahnt. Aber – halt – die Zeiten der illegalen Schnitte oder des fragwürdigen Frisen-Tourismus nach Luxemburg sind bald vorbei! Auch Oliver Welke freute sich in der "heute-show" (ZDF) über die "einzige konkrete Entscheidung, die in der über fünfstündigen Bund-Länder-Debatte" getroffen wurde: Ab 1. März sind Bad-Hair-Days Geschichte, die "Dauerwellendealer" (Welke) dürften wieder öffnen.
Dem Rest, Gastronomen oder Einzelhändlern mit Hygienekonzepten etwa, stehen dagegen die Haare weiterhin zu Berge. Erst wenn die Inzidenz stabil unter 35 bleibe, so Welke, dürften "auch Nichtfriseure vielleicht irgendwann irgendwas wieder öffnen".
Die zweite konkrete Entscheidung der Elefantenrunde war: Jedes Bundesland macht in Sachen Schulen das, was es will. Deshalb hatte Welke folgenden Vorschlag: "Wie wäre es mal mit zero Föderalismus statt zero Covid?" Der Föderalismus könne doch mal Pause machen bis "Inzidenz 10." Ist der Föderalismus ein Auslaufmodell?
Da wäre er in guter Gesellschaft der Corona-Warn-App. Die, vor Jahresfrist als Wunder-Tool gepriesen, wird jetzt totgeschwiegen. Das meldete zumindest "Onkel Dietmar Wischmeyer" aus seinem App-Store für "total sinnlose Apps, die keiner mehr haben will". Den Brass gegen die App findet er ungerecht. Die Entwicklung habe nur 20 Millionen gekostet, also auch nicht mehr als ein Schützenpanzer Puma. "Und der steht ja auch nur nutzlos rum."
Lobbyismus ist dagegen gar nicht nutzlos. Eher sinnlos scheinen aber die Bemühungen, das "seit zehn Jahren von der Bundesregierung versprochene verbindliche Lobby-Register" zu verwirklichen. Welke: "Bürger sollen wissen, welche Lobbyisten welchen Einfluss auf welche Entscheidungen nehmen." Es sei Transparenz geboten – sie werde aber nicht geboten.
Als Beispiel ("Na, jetzt raten sie mal, bei wem das so überhaupt nicht funktioniert") wurde Julia Klöckner, Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, ausgemacht. Die "Möhrenministerin" (Welke) wurde gerade von FoodWatch auf die Preisgabe ihrer Lobbyistenkontakte verklagt. Hintergrund: Klöckner trifft sich wohl sehr regelmäßig mit Vertretern der Wirtschaft (Nestlé, Mars) und weniger bis gar nicht mit Verbraucher- oder Naturschutzverbänden. Welke: "Klar, die einen bringen pralle Geschenkkörbe, die anderen nur schlechte Laune und Vorwürfe."
Klöckner hat sich einmal als "Lobbyistin für die Landwirte" bezeichnet. Da stimmte ihr Welke zu und zählte böse ihre Entscheidungen im Sinne der Bauern auf: Die Pflanzenschutzmittelverordnung zögerte sie um anderthalb Jahre hinaus – und die Pfandpflicht für Milch komme – wenn überhaupt – frühestens 2024.
"Lobbyismus an sich ist in Ordnung und gehört dazu", meinte Welke. Aber: "Der Lobbyismus muss raus aus der Schmuddelecke!" In die er auch geriet, wie Welke in Erinnerung rief, weil CDU-Mann Philipp Amthor letztes Jahr "durch falsche Freunde auf die schiefe Lobbybahn geriet". Oder, weiteres Negativbeispiel: "Jetzt ist ja wieder Wirecard-Untersuchungsausschuss." Man möge doch mal googeln, "wie viele Ex-Politiker für diese Verbrecher lobbyiert haben."
Ganz anders denkt der Karnevalsverein "Die fidelen Lobbbyisten". Dort hob Vorsitzender Martin Klempnow ("Ein dreifach 'Lobby, Lobby, Alaaf'!") zur Ehrung in Reimform für "dat Klöckner Julschen" an.
"Willst du Einfluss in Berlin, bei ihr bekommst du nen Termin. Ob Bauer, Winzer, Wurstbaron, ein jeder von uns war da schon. Ruf Julia an, ei bissche schwätze, schon macht sie dir Top-Gesetze. Der Laie fragt sich, ja, was kann die? Ist die noch schlechter als Scheuer-Andi? Ob Essensampel, Zuckersteuer, das wird doch alles viel zu teuer. Dat stoppt dat Julschen stets adrett – und unsre Kinder bleiben fett." Tusch, tärä!
Ein Loblied müsste man auch auf den Recycling-Kompromiss singen, der in Sachen Bauen und Bauschutt – nach 15 Jahren Streit – geschlossen wurde. Aber das wäre verfrüht, denn Bundesbauminister Horst Seehofer ("Old Schutterhand") bremste die vom Bundesrat abgesegnete Verordnung aus – weil die Bayerische Bauwirtschaft dagegen ist. Welke: "Hätte man da nicht den Lobbyisten aus der Heimat widerstehen können?" Aber er musste selbst lachen.
Bauschutt, so Welke, mache 60 Prozent unseres Abfalls aus – "Und wir diskutieren über Strohhalme." Aus Klimaschutzperspektive komme man am Bausektor nicht mehr vorbei. Man müsse künftig sicher anders bauen. Trotzdem bezeichnete er die Tatsache, dass der grüne Bezirksleiter in Hamburg-Nord keine Genehmigungen mehr zum Bau von Einfamilienhäusern erteilt, einen "mutigen grünen Move im Super-Wahljahr". Denn: "Wenn du wirklich gehasst werden willst, dann verbiete den Deutschen 1) das Einfamilienhaus, 2) ihren Köter und 3) das Grillen."
Zement sei das Geschäft der Gegenwart und ein riesiger Umweltfeind. Die Zementindustrie produziere jährlich 3,3 Milliarden Tonnen CO2 und damit "mehr als der gesamte Flugverkehr und alle Rechenzentren der Welt". In Deutschland gibt es 40 Zementwerke, die mittlerweile fast alle die Erlaubnis hätten, bis zu 100 Prozent Müll zu verbrennen. "Wir haben ne Sondergenehmigung", grinste Zementwerkbesitzer Christian Ehring, "wir verfeuern alles". Auch Schädliches? Ehring: "Ich wohne privat natürlich nicht neben meinem Werk."