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"Lanz": Herbert Reul verärgert ZDF-Zuschauer – ein Jahr nach Flutkatastrophe

Herbert Reul schiebt die Verantwortung für die Flutkatastrophe bei "Lanz" von sich.
Herbert Reul schiebt die Verantwortung für die Flutkatastrophe bei "Lanz" von sich.Bild: ZDF screenshot
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Ein Jahr nach Flutkatastrophe: Herbert Reul verärgert Zuschauer mit Auftritt bei "Lanz"

15.07.2022, 06:24
daniel guggeis
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Wie es dazu kommen konnte, dass am 14. Juli 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz insgesamt 184 Menschen bei einer Flutkatastrophe sterben mussten, ist das große Thema der Sendung von Markus Lanz, bevor seine Sendung für mehrere Wochen in die Sommerpause geht. Der Talkmaster stellt die Frage in den Raum, was das Land aus dieser Katastrophe gelernt hat.

Die Sendung beginnt mit emotionalen und schockierenden Bildern von der Flut, beispielweise aus Erftstadt. Dort sind mehrere Häuser in eine Kiesgrube hinabgestürzt, dazu kommen Ausschnitte aus dem Ahrtal – hier konnten selbst über 200 Jahre alte Brücken den Wassermassen nicht mehr Stand halten.

Das waren die Gäste bei "Markus Lanz" am 14. Juli 2022:

  • Herbert Reul: Seit 2017 Innenminister (CDU) des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Peter Wohlleben: Förster und Bestsellerautor
  • Maria und Thomas Dunkel: Betroffene von der Flutkatastrophe 2021 in Erfstadt (NRW)
  • David Fuhrmann: Feuerwehrmann, Stellvertretender Bürgermeister in Dernau im Ahrtal

Lanz: Es geht nicht um Schuld, sondern um Fehler im System

Lanz geht nach den schwer zu fassenden Aufnahmen von der Flut zuerst auf die Betroffenen ein, schließlich sitzen mit Maria (Mutter) und Thomas Dunkel (Sohn) Gäste in der Show, die die Naturkatastrophe hautnah miterlebt haben. Ihr Haus war in unmittelbarer Nähe zu der Abbruchkante in Erftstadt, ein Bild, das um die Welt ging. Ebenfalls direkt vom Gastgeber angesprochen wird der Feuerwehrmann David Fuhrmann. Der stellvertretende Bürgermeister von Dernau im Ahrtal war auch unmittelbar betroffen und bringt nochmal die wichtige Nähe zu den unmittelbaren Abläufen vor Ort in die Sendung hinein.

Der ZDF-Moderator begrüßt Innenminister Herbert Reul direkt mit einem für den Politiker unangenehmen Videoausschnitt. Reul spricht darin von Katastrophen, die nicht vorhersehbar sind. Doch in dieser Sendung soll es darum gehen, dass die Flut absehbar und die Menschen hätten gewarnt werden können. Von Beginn an gerät der CDU-Politiker unter Druck und begibt sich auch selbst direkt in den Verteidigungs-Modus. Obwohl Markus Lanz betont, dass es zum schmerzlichen Jahrestag der Flut nicht um Schuld geht, schmeißt der Innenminister selbst mit Schuldzuweisungen um sich. Das kommt bei den Zuschauern gar nicht gut an:

Herbert Reul war als Innenminister für den Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen zuständig, doch statt sich mit Fehlern auseinanderzusetzen, sieht er die Informationen der Wetterdienste als Problem. Auf die Frage, was im Vorfeld zur Flut schiefgelaufen sei, mit einem Jahr Abstand, antwortet der Politiker: "Ganz sicher weiß ich das immer noch nicht."

Flut-Opfer Maria Dunkel: "Ich kann nachts nicht mehr schlafen"

Im Fokus der Sendung sollen nicht nur politische Entscheidungen stehen, sondern vor allem die Betroffenen der Flut. Maria Dunkel erzählt lebhaft von ihren Erlebnissen in Erftstadt, wie sie nachts kein Auge mehr zudrückt, sobald es anfängt zu Regnen und auch durch die Baustelle vor der Kiesgrube im Ort ständig an die Ereignisse dran erinnert wird.

Maria Dunkel und ihr Sohn sind direkt betroffen.
Maria Dunkel und ihr Sohn sind direkt betroffen.Bild: ZDF screenshot

Ihr Sohn Thomas Dunkel, welcher während der Katastrophe nicht im Haus war, kritisiert unter anderem, dass seine Eltern nicht gewarnt worden sind. Noch treffender beschreibt es die Hausbewohnerin selbst, welche nach ihren Aussagen der Bundeswehr bei der Evakuierung erklären musste, dass im Ort noch viele Menschen auf Hilfe warten, während die örtliche Rettungseinheit dachte, schon alle Bürger evakuiert zu haben.

Auch der Feuerwehrmann David Fuhrmann beschreibt eindrücklich die Lage vor der Flut im Ahrtal und kann nicht fassen, das bis zur Evakuierung eines weit entfernten Campingplatzes und der Überschwemmung in seinem Ort Dernau über fünf Stunden lagen und trotzdem niemand richtig gewarnt wurde. Es gab für ihn einfach eine unzureichende Kommunikation.

Fuhrmann bemängelt die unzureichende Kommunikation bei Katastrophenfällen in Deutschland.
Fuhrmann bemängelt die unzureichende Kommunikation bei Katastrophenfällen in Deutschland.Bild: zdf screenshot

Fehlende Alarmsysteme als Problem für Deutschland

Warnsysteme sind bei Naturkatastrophen ein sehr wichtiges Thema. Innenminister Reul möchte beispielswiese wieder vermehrt Sirenen im Bundesland aktivieren, dazu wird im Bund aktuell noch eine weitere Warn-App neben der bekannten NINA-App entwickelt. Peter Wohlleben wirft ein, dass bei dieser Flut wohl auch Sirenen gefehlt haben und erläutert, wie Alarm-Meldungen im Ausland funktionieren.

Anekdotisch erzählt der Autor über einen Ausflug in die rumänischen Karpaten, als plötzlich alle Handys der um ihn herumstehenden Personen schrill läuteten, die Information war ein frei rumlaufender Bär. Wohlleben: "Der Alarm war so laut, ich dachte, ein Atomkraftwerk ist in die Luft gegangen, jedenfalls waren dann wirklich alle in der Umgebung sensibilisiert."

Die Sensibilisierung spricht auch der stellvertretende Bürgermeister von Dernau an, denn drei Tage nach der Flut gab es Sirenen-Geheul in seiner Stadt, die Bevölkerung suchte sofort Schutz in höheren Regionen und war vorbereitet. Auch wenn es hier kein weiteres böses Erwachen gab, merkte David Fuhrmann schnell, wie die Thematik nun in den Köpfen steckt. Die Menschen waren vorgewarnt, in den Tagen zuvor hat für ihn das System aber versagt.

Wohlleben: Wälder sind wichtig, um Hochwasser einzudämmen

Einen wichtigen Punkt in die Diskussion bringt Autor Peter Wohlleben ein. Der Förster wird zunächst mit einem kurzen Videoclip vorgestellt, denn in der Flutnacht stellte er schon fest, wie ungewöhnlich stark der Regen ist. Auch die Vorhersagen, u.a. vom Wetterdienst von Jörg Kachelmann, warnten sehr früh. Herbert Reul widerspricht dem kurz und betont, der Deutsche Wetterdienst hätte kurzzeitig von einer verbesserten Lage gesprochen und zweifelt zugleich an den Vorhersagemethoden. Dem widerspricht Wohlleben entschieden.

Peter Wohlleben erklärt, das Wälder Hochwasser bremsen können.
Peter Wohlleben erklärt, das Wälder Hochwasser bremsen können.Bild: ZDF screenshot

Eine bisher kaum bekannte Problematik in Flutgebieten ist die Versiegelung von Flächen und Abholzung von Wäldern für den Autor. Der in Bonn geborene Förster preist Wälder klar an als Bremser für Hochwasser. Katastrophen komplett zu verhindern ist schwierig, aber intakte Wälder sind ein wichtiger Faktor, um Schlimmeres abzuwenden. Böden arbeiten für ihn wie Schwämme und sind sehr aufnahmefähig für Wasser, allerdings ging diese Aufnahmefähigkeit durch Landwirtschaft und Abholzung massiv verloren.

Insgesamt betrachtet müsse mehr auf die Natur um die Flüsse geachtet werden. 300 Jahre Land- und Forstwirtschaft lassen sich aus Sicht des Bestseller-Autors nicht gänzlich zurückdrehen, dennoch will er keine Verschlimmerungen sehen.

Bürokratie auf dem Weg zur Entschädigung lässt Bürger verzweifeln

Zum Ende der Sendung wird auch noch auf die bisher kaum abgerufenen Gelder aus dem Wiederaufbau-Fonds des Landes NRW eingegangen. Viele Betroffene haben sich unbürokratische Hilfen erhofft, stattdessen müssen die Flutopfer Anträge stellen, für die sie laut Thomas Dunkel mindestens vier Stunden Zeit investieren und auch ein gewisses Know-How besitzen müssen, um das hinzubekommen.

Mit 80 Prozent Schadensübernahme durch den Staat ist die Hilfe für Betroffene sehr gut geregelt. Problematisch ist aus Sicht von David Fuhrmann nur, dass der Weg bis zum Geld sehr schleppend verläuft. Das frustriert die Menschen. Allein in seinem Ort Dernau waren 540 von knapp 600 Häusern von der Flut betroffen. Dazu kommen Probleme wie Handwerker-Mangel und die aktuelle Inflation, insbesondere auch bei Baustoffen.

Eingangs hatte Markus Lanz die Frage gestellt, was das Land aus dieser Katastrophe gelernt hat. Die Sendung lieferte leider den Eindruck, dass noch nicht viel dazu gelernt wurde, wir aber durch Personen wie Peter Wohlleben sicherlich noch einiges mehr wissen könnten.

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