In einem Einzelgespräch war am Mittwochabend Joachim Gauck zu Gast bei "Markus Lanz". Neben einigen thematischen Abschweifungen fand der Bundespräsident a.D. in anderen Momenten besonders klare und treffende Worte.
Unter anderem äußerte Gauck explizit Kritik an gesellschaftlichem Pazifismus und kritisierte die Ampel-Regierung für ihr zögerliches Handeln. Die Unterstützung Deutschlands für die Ukraine müsse stärker sein, ebenso die Waffen, die geliefert werden.
In seiner Karriere als Bundespräsident hatte Joachim Gauck nicht nur einmal die Gelegenheit, Wladimir Putin persönlich zu treffen. Mit Kritik an der politischen Führung hatte sich Gauck auch bei diesen Treffen nie zurückgehalten. Einige Video-Einspieler bei "Markus Lanz" zeigten: Frühere Reden Gaucks klingen heute wie düstere Prophezeiungen auf den Ukraine-Krieg.
Gauck habe nach eigener Aussage immer ein recht klares Bild von Putin gehabt. Dennoch habe er bis vor Kurzem gedacht: "So dumm wird er ja nicht sein."
Im Gespräch über die neue Bereitschaft der Deutschen zur Landesverteidigung fragte Markus Lanz seinen Gast, ob auch er selbst im Fall eines Krieges zur Waffe greifen würde. Gauck, der lange als Pfarrer tätig war, antwortete ohne zu Zögern:
Der pazifistische Ansatz, so der 82-Jährige, sei ehrenvoll im persönlichen Leben, generell jedoch führe er nicht zum Guten. Stattdessen würde er "die Dominanz der Bösen, der Verbrecher und der Unmenschlichen zementieren".
Auch Angela Merkel hätte früh bemerkt, dass Wladimir Putin nicht immer die Wahrheit über seine politischen Ziele gesagt hatte. "Bei Merkel ist es so, dass sie genau wusste, dass er log", offenbarte Gauck.
Dennoch sei die ehemalige Bundeskanzlerin dem Gebot der Demokratie gefolgt, mit jedem zu reden. Merkel habe als Regierungschefin mehr die Dinge im Auge haben müssen, die trotzdem gehen.
Aus Sicht Gaucks ist das nur teilweise verständlich. "Das kann man zum Teil nachvollziehen, aber irgendwo ist die Grenze", so der 82-Jährige. So hätte man auch einsehen müssen, dass Nordstream 2 keinesfalls nur ein privatwirtschaftliches Unternehmen gewesen sei.
Grundsätzlich müsse auch das Handeln der Ampel-Regierung stärker die Sicht auf die Opfer in der Entwicklung des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine bestimmen.
"Ich glaube, dass wir die Ukraine stärker unterstützen müssen, als wir es jetzt tun", war Joachim Gauck sich sicher. Der frühere Bundespräsident forderte dazu auf, "schneller und intensiver" zu handeln – "auch mit Waffen, die denen wirklich helfen", so Gauck.
Das geringe Maß unserer aktiven Hilfe müsse stärker von dem eben erwähnten Perspektivwechsel geprägt sein. Joachim Gauck war sich sicher: "Da muss noch was geschehen."