Nach der Erdbebenkatastrophe am 6. Februar im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist zum Sendungszeitpunkt die Zahl der Todesopfer auf mehr als 3600 gestiegen. Diese Zahl wird vermutlich noch steigen. Mehr als 15.000 Menschen wurden nach bisherigen Informationen in der Türkei und in Syrien verletzt. Über dieses verheerende Ereignis und die nächsten Schritte spricht Louis Klamroth heute mit sechs Gästen.
Am 06. Februar im Studio anwesend:
Um ein besseres Verständnis für die Mechanismen eines Erdbebens zu erlangen, fragt Moderator Louis Klamroth bei Wissenschaftler Ranga Yogeshwar nach. Dieser erklärt: "Wenn die verschiedenen Erdplatten in der Türkei aneinander reiben, führt das zu einer Verschiebung von über 200 km. Somit wird eine Menge Energie freigegeben, was dafür sorgt, dass der Boden wackelt."
Das Nachbeben von Stärke 7,5 am Nachmittag zeige, wie massiv die Verschiebung der Erdplatten ist. Durch die extreme Kälte und den starken Wind in der Türkei werden die Bemühungen um die Bergung von Vermissten erschwert.
Gerd Friedsam, Leiter des Technischen Hilfswerks, beschreibt wie eine Bergung normalerweise abläuft. Die Faustregel lautet: 72 Stunden nach einem Erdbeben besteht die Chance, Menschen unter den Trümmern zu finden. "Es gibt aber auch Situationen, wo man Menschen nach fünf Tagen oder nach zwei Wochen gefunden hat. Da kommt es drauf an, wie verschüttet sie sind. Solche Wunder hat es in Vergangenheit gegeben", so Friedsam.
Die CDU-Politikerin Serap Güler hat heute mit vielen Menschen in der Türkei telefoniert und berichtet im Studio vom Leid der Betroffenen: "Wenn die Überlebenden ein Auto haben, was nicht kaputt gegangen ist, nutzen sie das zum Heizen. Diese Menschen sind obdachlos." Auch Journalist Felah Elias hat heute viel telefoniert. Zunächst hat er den ganzen Morgen versucht seine Eltern, die im syrischen Erdbebengebiet leben, zu erreichen. "Ich musste paar Stunden zittern, bis ich meine Eltern erreicht habe."
Er äußert Bedauern darüber, dass die syrische Bevölkerung nicht dieselben Fördermaßnahmen in Anspruch nehmen kann wie die türkische Gesellschaft: "Die Menschen im syrischen Gebiet kriegen keine Unterstützung." Besonders betroffen und vom Erdbeben beeinträchtigt sind Geflüchtete, die an der syrischen Grenze in prekären Zelten leben. Laut UNO Flüchtlingshilfe leben dort derzeit 1,7 Millionen Syrer, die auf der Flucht vor Assad sind.
Bundesminister Cem Özdemir ist zugeschaltet und sichert der Türkei internationale Hilfe zu. Vormittags hatte er sich auf Türkisch an die Bevölkerung gewandt.
In der Sendung spricht er auch der syrischen Bevölkerung diese Unterstützung zu. Plötzlich lenkt Moderator Louis Klamroth das Gespräch in Richtung Erdogan-Politik: "Es herrscht eigentlich gerade Wahlkampf in der Türkei. Setzt so eine Katastrophe ihn jetzt noch mehr unter Druck?", fragt Klamroth.
"Ach, das will ich nicht beurteilen. Während wir gerade hier reden, kämpfen Menschen um ihre Angehörigen", kontert der Politiker. "Es ist eines der härtesten Erdbeben, an die man sich erinnert. Deswegen will ich jetzt nicht in die Tagespolitik einsteigen", führt er weiter aus.
Für diese Frage von Louis Klamroth hagelt es Kritik im Netz:
Janine Wissler befindet sich gerade in der Türkei und war zum Zeitpunkt des Erdbebens in der betroffenen Stadt Diyarbakir. Um vier Uhr morgens sei sie vom Erdbeben geweckt worden und habe draußen viele verängstigte Menschen angetroffen. "Diese Menschen haben mit ihren bloßen Händen versucht, andere aus den Trümmern zu befreien", berichtet die Politikerin, "das Erdbeben hat lange gedauert, es fühlte sich ewig an".
Nach dem nächtlichen Erdbeben erschütterte am Mittag ein weiteres heftiges Beben mit der Stärke 7,5 die Region. "Viele Gebäude, die dem ersten Erdbeben noch Stand halten konnten, sind dann beim Nachbeben zerstört worden." Solche extremen Erdbeben habe es in diesem Gebiet noch nie gegeben, zitiert Wissler die Anwohner, mit denen sie sprechen konnte. Sie fordert schnelle und umfangreiche internationale Hilfe für das gesamte Gebiet, welches eine kurdische Hochburg sei und ohnehin von der türkischen Regierung vernachlässigt werde.
"Die Temperaturen sind eisig, es schneit die ganze Zeit. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: die Menschen werden nicht mehrere Nächte in den Trümmern überleben können, den es werden noch so viele Menschen vermisst." Das endgültige Ausmaß der Katastrophe in der Grenzregion ist weiter unklar. Zahlreiche Menschen werden unter den Trümmern vermisst, mehr als 15.000 wurden nach bisherigen Informationen verletzt und weitere Nachbeben sind nicht auszuschließen.