Die heutige "Lanz"-Sendung thematisiert die Energieversorgung und das dazugehörige Krisenmanagement der Bundesregierung. Dabei wird die Berliner Landespolitik näher betrachtet. Für diese Debatte wurden die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey sowie drei weitere Gäste eingeladen.
Heute im Studio anwesend:
Eine jüngste Umfrage in Berlin verdeutlicht die Unzufriedenheit der Bürger:innen mit der Berliner Landespolitik. Die anwesende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey, nimmt die Umfrage ernst, möchte sich aber nicht weiter darüber ärgern: "Man kann darüber klagen. Man kann aber auch die Aufgaben, die jetzt anstehen, anpacken."
Sie plädiert für "echte Entlastungen", die schnelle Maßnahmen für die Risikogruppen der heutigen Krise bringen. Berlin sei der Vorreiter in der Entlastungspolitik, erläutert die Bürgermeisterin. Berlin muss sich in naher Zukunft jedoch noch einem weiteren Problem stellen: Die Entscheidung um Neu- oder Nachwahlen.
Am 26. September 2021 waren Bundestagswahlen und in Berlin gab es große Schwierigkeiten mit der Organisation in den Wahllokalen. Es muss geprüft werden, ob die Wahlen nach demokratischen Regeln abgelaufen sind. Diese Entscheidung würde jedoch erst im März eintreffen, so Giffey. Daher sei es vorerst wichtiger, die heutige Problematik anzugehen:
Dabei bezieht sie sich insbesondere auf die mittelständischen Unternehmen, die derzeit mit Existenzängsten zu kämpfen haben. Das Bundesland Berlin habe in der Corona-Krise bereits schnelle und wirksame Finanzhilfen bereitstellen können. "Das werden wir in dieser Krise auch machen", versichert Giffey.
Das könnte über die Investitionsbank Berlin umgesetzt werden und den Bürger:innen in Berlin einen Entlastungsbeitrag von bis zu 1,5 Milliarden Euro zusichern. Beim Berichten diese Pläne lobt sie ihr Bundesland und führt aus, dass andere Bundesländer noch nicht so weit seien.
Das Gesamtproblem würde die Berliner Landespolitik jedoch nicht lösen. Man müsse bundesweit einen Energiepreisdeckel einführen, meint Giffey. Auf Dauer würden die kleinen und mittleren Betriebe die Energiepreise nicht mehr stemmen können. Ihre Gewinne würden die hohen Preise nicht ausgleichen. Somit solle der Preis auf ein bestimmtes Niveau abgestimmt werden und alle weiteren Kosten für die Betriebe müssten vom Staat übernommen werden. "Können Sie das garantieren?", fragt Markus Lanz bei Giffey nach.
"Das kann ich nicht", entgegnet sie ihm, "und das wissen Sie auch". Diese Entscheidung müsse bekanntlich auf Landesebene getroffen werden. Am 28. September. findet die nächste Ministerpräsidentenkonferenz statt und da solle diese Maßnahme diskutiert und bestenfalls beschlossen werden.
Guter Dinge ist der Journalist Hajo Schumacher nicht. Er sieht den Nutzen der geplanten Ministerpräsidentenkonferenz aus einem skeptischen Blickwinkel. Angesichts der anstehenden Landtagswahl in Niedersachen würden maßgebliche Entscheidungen der Energiepolitik auf Bundesebene blockiert werden, ist sich Schumacher sicher:
Im Anbetracht der vielen Atomkraftgegner in Niedersachsen werde Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen sicherlich kein Atomkraftwerk weiterlaufen lassen. Ebenso werde der Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP nicht vor der Wahl in Niedersachsen das Aussetzen der Schuldenbremse verkünden, so Schumacher.
Moderator Lanz fragt bei Giffey nach, ob sie die Analyse von Schumacher teile. "Das spielt natürlich eine Rolle", räumt Giffey ein. Der Gründungsmythos der Grünen sei nun einmal der "Kampf gegen die Atomkraft" und Lindner beabsichtige, die Schuldenbremse vor der Wahl nicht auszusetzen, so Giffey.
Die Bauingenieurin Lamia Messari-Becker versteht nicht, wieso die Atomkraftwerke nicht weiterlaufen. Akute Krisen würden nun einmal akute Lösungen brauchen und dafür wären die Atomkraftwerke ein wirksamer Lösungsansatz. Denn Strom brauchen wir – und zwar ganz viel davon. Die Professorin beschäftigt sich mit allen verbindlichen Nutzfaktoren von Strom: "Wir brauchen Strom an Stellen, wo wir es uns nicht vorstellen können."
Selbst eine Ölheizung brauche Strom und auch das Trinkwasser aus dem Wasserhahn würde nicht ohne Strom funktionieren. "Irgendwo im Hintergrund braucht es eine Hebepumpe, die Strom benötigt", erklärt Messari-Becker. Ohne Strom würde das ganze Bahnnetz zusammenbrechen und im Falle einer Notsituationen könnten keine Menschen evakuiert werden, erläutert die Bauingenieurin weiter. Sie fordert die Kommunen dazu auf, Notfallpläne und Krisenmanagements auszuarbeiten.
Bei den multiplen Krisen, die wir derzeit als Gesellschaft erfahren, muss die Bewahrung des sozialen Friedens in den Vordergrund gestellt werden. Die Leute würden zwischen Unbestimmtheit und einer Angst vor dem "Blackout" – also Stromausfällen im Winter – stehen. Um den gesellschaftlichen Druck und die Angst zu bewältigen, sei Solidarität unter den Bürger:innen besonders wichtig, sagt der Psychologe Stephan Grünewald.
Schlussendlich lässt sich sagen: Das heutige Energieproblem ist kein Schicksal, sonders politisch selbstverschuldet. Die Regierung muss schnellstmöglich effektive Maßnahmen liefern, die ernsthaft auf das Wohle der Bevölkerung ausgelegt sind und nicht auf Ergebnisse von Landtagswahlen.