Die ARD hatte die Trauerfeier für Queen Elizabeth II. ab neun Uhr morgens den ganzen Tag übertragen. Erst um 18.05 Uhr kehrte der Sender mit der Quiz-Show "Gefragt gejagt" ins normale Programm zurück. Doch die Pause war kurz. Um 20.15 Uhr kam die Zusammenfassung zur Queen-Beerdigung und dann diskutiert auch noch Frank Plasberg bei "Hart aber fair" über das Thema "Der Queen-Abschied: Warum immer noch der Kult um Königshäuser?" mit folgenden Gästen:
Wer den Autor Sascha Lobo zur Diskussion um Königshäuser und die Queen einlädt, erwartet keine salbungsvollen Worte von ihm, Lobo soll ein bisschen zündeln. Und das tut er auch. Der Autor mit dem pinkfarbenen Irokesen-Schnitt als Markenzeichen ist kein Fan der Königin. "Ich bin nicht wirklich gerührt, ich habe keine emotionale Beziehung zu ihr", gibt er zu. In die Trauer-Übertragung habe nur nur "zur Vorbereitung dieser Sendung" hineingeschaut.
Er kritisiert, dass sich viele der rund 4 Milliarden TV-Zuschauenden weltweit der Monarchie "so unkritisch" näherten. Es sei eine Monarchie, "die auch immer positiv auf Massenmörder sieht". Er meint damit Rassismus und die Verbrechen in der Zeit des Kolonialismus. "Trotzdem kann ich verstehen, wenn Menschen emotional betroffen sind", räumt er dennoch ein.
Sein größter Kritikpunkt: Queen Elizabeth II. habe sich in 70 Jahren für keine der im Namen der britischen Krone begangenen Verbrechen entschuldigt. "Dann halte ich das nicht für eine Lebensleistung, die man feiern soll, sondern für das größte Versäumnis überhaupt."
Er verstehe nicht, wie man "so vorbehaltlos" sein könne, angesichts einer Monarchin und "Sklaverei und Menschenhandel, den ihr Haus mit auf den Weg gebracht hat. Wenn man tiefer reinschaut, wird es immer schlimmer."
Bertram Graf von Quadt zu Wykradt und Isny, SWR3-Redakteur und Präsentator, stammt selbst aus einer adeligen Familie und übernimmt in der Runde die Verteidigung. "Hat sie überhaupt die Möglichkeit, sich maßgeblich zu entschuldigen?", nimmt er die Queen in Schutz. Schließlich habe sie nur im vom Parlament vorgegebenen Rahmen politisch agieren dürfen. "Sie war durchaus jemand, den ich sehr bewundert habe", gesteht er.
Das versteht Lobo natürlich nicht. Er hat genauso wenig für König Charles III. Zickereien bei seinen ersten Amtshandlungen als König angesichts eines leckenden Füllers übrig. "Das macht er nicht zum ersten Mal", stellt Lobo fest, das sehe man am Zusammenspiel mit den Menschen um ihn herum:
Für Lobo sind die Queen und auch Charles alles andere als nur Rädchen im politischen Getriebe: "Die Frau hatte Macht und sie hat die Macht in anderen Bereichen ausgespielt." Als Beispiel führt er die Zahl von 160 Gesetzen an, von denen die Queen auf ihr Betreiben "zum eigenen ökonomischen Vorteil" ausgenommen wurde. Umweltschutzauflagen hätten nicht für sie gegolten und die Polizei habe ihren Grund nicht betreten dürfen.
Kritische Töne zur Queen sind äußerst selten. Und so berechtigt sie sein mögen, am Tag der Beerdigung entsprechen sie sicherlich auch nicht den normalen Gepflogenheiten. Die Zuschauer nehmen Lobo seine Kritik jedenfalls durchweg sehr übel.
Die Queen war eben eine Konsens-Königin, so beliebt wie sonst wohl kein Staatsoberhaupt oder Herrscher. ARD-Moderatorin Mareile Höppner habe das bei ihren Drehs in Großbritannien immer wieder bemerkt:
Mit Charles werde sich das Amt nun wandeln. Er hat bereits angekündigt, die Monarchie zu verschlanken und zugänglicher zu machen. Ein Teil des Buckingham Palace soll für Besucher geöffnet werden. Höppner sagt, dass König Charles III. selbst auch eine Menge Einsparpotential biete: Er sei von der königlichen Familie immer mit dem meisten Personal gereist.
Katarina Barley, SPD, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. ist Halb-Britin. Es habe sie "schon überrascht" wie emotional berührt sie gewesen sei angesichts von Elizabeths Tod. Sie habe viel Respekt für "Pflichtbewusstsein und Würde" angesichts von "70 Jahre Knochenjob". Die Europa-Politikerin gibt zu, dass sie sich gewünscht hätte, dass die Queen sich öffentlich gegen den Brexit positioniert hätte.
In Schottland steht in einem Jahr womöglich ein Referendum an, bei dem über den Eintritt Schottlands in die EU abgestimmt wird. Das allerdings müsse die Regierung in London erst erlauben. "Ich bin skeptisch, ich glaube nicht, dass es dazu kommen wird."
50 Prozent aller Briten sollen angesichts des Todes der Monarchin geweint haben. Der britische Schriftsteller James Hawes gehörte nicht dazu. Aber er glaubt:
Es sei jetzt keine Frage, ob die Monarchie weiterbestehe, sondern eher, "König von was" Charles denn am Ende werde. "Von Schottland nicht mehr lange", mutmaßt der Schriftsteller die Abspaltung von Schottland aus dem UK herbei.
Auch wenn es schlüssig klingt: Sachlich richtig ist es nicht. Charles bliebe selbst nach einer Abspaltung Schottlands König des Landes.
Großbritannien sei es ein "Vielvölkerstaat", sagt Hawkes. "Schotten, Waliser, Iren sind völlig verschiedene Völker.“ Elizabeth II. habe das Reich mit ihrer Persönlichkeit zusammengehalten. Charles werde aber wohl nie "dasselbe Ansehen" erreichen wie seine Mutter. "Weil wir zu viel über ihn wissen." Von den Wortprotokollen der Sex-Telefonate mit seiner damaligen Geliebten Camilla, die heute seine Frau ist, bis zur unglücklichen Ehe mit Lady Diana.
Großbritannien stehe nun an einem historischen Entscheidungspunkt: "Wir sind wie die Russen, die glauben, dass ihnen irgendwie zu Unrecht irgendeine Sonderberechtigung in der Weltgeschichte geraubt wurde." Er sieht darin eine Chance des einstigen Empire, die heutige Realität anzuerkennen:
(Ark)