Kabarettist Dieter Nuhr und Klimaaktivistin Greta Thunberg werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Das Drama nahm Ende September seinen Lauf, als Nuhr in seiner ARD-Sendung über die Anführerin der "Fridays For Future"-Bewegung unter anderem gescherzt hatte: "Ich bin gespannt, was Greta macht, wenn es kalt wird. Heizen kann es ja wohl nicht sein."
Klimaaktivisten warfen ihm anschließend vor, Hetze gegen Thunberg zu betreiben – doch die Anschuldigungen ließen ihn kalt. Mehr noch: Für seine bissigen Äußerungen rechtfertigte sich der Kabarettist anschließend. "Wenn ich den Witz mache, dass ich meine Tochter unterstütze und deshalb ihr Zimmer nicht heize, dann offenbart das den zentralen Konflikt, nämlich dass die meisten Kinder und Jugendlichen gar nicht abschätzen können, was eine Erfüllung ihrer Forderungen für sie ganz persönlich bedeuten würde", sagte er unter anderem dem "Münchner Merkur".
Am Ende seiner Anti-Greta-Gags war Nuhr aber noch lange nicht. Bei einem Auftritt in Erfurt teilte er erneut gegen sie aus. Auch in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" erklärte er, die letzten Scherze über Greta Thunberg würden erst gemacht werden, wenn "der lächerliche Personenkult abebbt".
Der fünfte AktNuhr vs. Thunberg folgte am Sonntagnachmittag, als das "RND" einen Artikel veröffentlichte, der innerhalb weniger Stunden viral ging und #DieterNuhr zum Trend-Thema unter anderem auf Twitter machte. Der "RND"-Text berief sich auf einen Artikel der "Kieler Nachrichten" über einen Auftritt Nuhrs in Kiel.
Vorab: Das Ganze hat sich mittlerweile zur Posse entwickelt – die Artikel des "RND" und der "Kieler Nachrichten" sind offline.
Was war passiert? Die "Kieler Nachrichten" hatten geschrieben, dass Nuhr in Richtung Publikum Greta Thunbergs Radikalität kritisierte, die die wirtschaftlichen Grundlagen der Menschheit zerstöre. Folgender Satz soll dabei gefallen sein: "Was sind schon Menschenleben, wenn es um die große Sache geht?" In der Konsequenz würde man da sogar an Hitler oder Stalin denken können, so hieß es in dem Bericht.
Dieter Nuhr hat mittlerweile bestritten, dass er Greta mit Hitler und Stalin vergleichen habe und die "Kieler Nachrichten" haben sich entschuldigt (siehe Update am Ende des Artikels).
Doch der Aufschrei war da schon längst erfolgt. Auf Twitter fragten einige User, wie lange Das Erste noch an Dieter Nuhrs Kabarett-Show festhalten wolle.
Was sagt Das Erste zur Kritik an dem Mann, dessen TV-Format es seit zehn Jahren ausstrahlt? Auf watson-Anfrage stellt sich der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), der die Sendungen mit Dieter Nuhr für Das Erste anbietet, hinter den Kabarettisten.
"Kritik gehört zum Geschäft", erklärte ein Sendersprecher. Dieter Nuhr sei ein "in der ARD wie im rbb hoch geschätzter Künstler". Seine Fähigkeit, durch Zuspitzung und Übertreibung Ungereimtheiten im gesellschaftlichen Diskurs offen zu legen, sei seit Jahren sein vielfach preisgekröntes Markenzeichen. Und weiter:
Dass Nuhr polarisiere, sei beim Sender bekannt – den rbb würden regelmäßig und zahlreich "zustimmende und ablehnende" Zuschauer-Zuschriften erreichen.
Mit ungewohnt deutlichen Worten stellt sich der Sender hinter Dieter Nuhr – "öffentlichen Reflexen" hin zu einer Absetzung der Show werde man nicht nachgeben. Konkret teilt der rbb mit:
Überlegungen, Nuhrs Sendung abzusetzen, würde es trotz der öffentlichen Kritik nicht geben. Denn bis es zu so einem drastischen Schritt kommen könnte, müsste schon einiges passieren, wie der Sprecher erklärt: "Eine Schwelle, die zu solchen Überlegungen führen könnte, wäre durch Strafgesetze, nicht durch Geschmack oder Auffassungen definiert."
Und fürchtet man bei der öffentlichen-rechtlichen Sendeanstalt einen Imageschaden durch den großen Diskurs, den Dieter Nuhr aktuell auslöst?
Der rbb antwortet auf watson-Nachfrage knapp – aber bestimmt: "nein". Wie heißt das alte Sprichwort so schön? "There is no such thing as bad publicity".