Mit der verstärkten Einführung von 2G-Regelungen und einer Debatte um eine allgemeine Impfpflicht häuften sich in den vergangenen Wochen auch die Proteste von Bürgerinnern und Bürgern gegen die Corona-Politik, die immer häufiger auch gewaltvoll enden. Zur gleichen Zeit finden Fackelmärsche statt und in sozialen Netzwerken werden Mordpläne explizit geschmiedet. Telegram ist hier das Stichwort.
Bei "Maybrit Illner" forderte der neue SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil die harte Hand des Rechtsstaates gegen gewaltbereite Gruppen und Akteure bei den Protesten und in Chat-Gruppen. Friedrich Merz wollte sorgfältig trennen zwischen besorgten Bürgern und rechtsradikalen Gruppen.
Mit Blick auf die Kommunikation in einzelnen Telegram-Chatgruppen müssen Politikerinnen und Politiker sich dieser Tage immer häufiger fragen: Ist das noch Kritik an der Corona-Politik oder rechte Hetze?
Mit Bezug auf die Mordpläne gegen Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, die aus solchen Chats in den vergangenen Tagen öffentlich geworden sind, ist Lars Klingbeils Antwort auf diese Frage eindeutig.
Der jüngste Parteivorsitzende in der Geschichte der SPD forderte: "Wenn jemand mit Fackeln vor die Wohnhäuser von Politikern marschiert, wenn jemand versucht, politische Konkurrenz einzuschüchtern, wenn jemand Mordpläne schmiedet, dann braucht es eine harte Hand des Rechtsstaates."
Der 43-Jährige sprach von einer kleinen, sich radikalisierenden Gruppe, die gezielt die Corona-Pandemie nutze, um gegen "das Gemeinwohl und den Zusammenhalt in diesem Land" zu agieren. "Und da darf es kein falsches Verständnis von Zuneigung oder Verständnis geben", so Klingbeil.
Während Friedrich Merz (CDU) sehr stark daran gelegen war, die Demonstrierenden nicht mit Pegida in einen Topf zu werfen und pandemiemüde Menschen von Rechtsradikalen zu unterscheiden, verwies Bettina Schausten auch auf die Eigenverantwortung der Protestierenden. Die stellvertretende ZDF-Chefredakteurin stellte klar:
Schausten schloss sich bei der Einschätzung der Demonstrierenden als gesellschaftliche Gruppe und mögliche politische Gefahr dem Urteil des neuen Bundeskanzlers Olaf Scholz an, das dieser vor wenigen Tagen im Bundestag preisgab: "Das ist keine gesellschaftliche Spaltung in dem Sinne, dass wir ein Verhältnis von 50 zu 50 hätten. Das ist in der Tat eine Minderheit."
Daniel Cohn-Bendit, deutsch-französischer Publizist und langjähriger EU-Abgeordneter für Bündnis ´90/Die Grünen, erkannte eine Impfskepsis nicht allein unter rechts gesinnten. Diese Ansichten bestünden auch unter Linken und Esoterikern. "Es sind unterschiedlich ideologisch Eingemauerte", stellte Cohn-Bendit fest.
Der Politiker und Publizist zeugte nicht nur Verständnis für die Pandemie-Müdigkeit vieler Menschen, sondern auch für all diejenigen, die die Diskussionen mit Impfskeptikern und Corona-Leugnern satt hätten.
Eine allgemeine Impfpflicht könnte laut Daniel Cohn-Bendit in der aktuellen Situation auch helfen. "Die Impfpflicht ist auch etwas, womit der Staat, wissenschaftlich, evidenzbasierte Politik durchsetzt. Mit der Impfpflicht sagt man: Ende der Debatte. Man kann es nicht mehr infrage stellen." – so wie man heute auch nicht mehr infrage stellen könne, dass Krebs heilbar sei.
Ob Cohn-Bendit mit dieser optimistischen Einschätzung zur möglichen Einführung einer allgemeinen Impfpflicht recht behält, dies könnte sich schon im kommenden Frühjahr zeigen.