Zum zweiten Mal in Folge ereilt Sandra Maischberger das Krankheitspech bei ihren Gästen. In der vergangenen Woche musste die auf Corona positiv getestete Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht kurzfristig absagen, diesmal hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine starke Erkältung und kann nicht kommen. Und so diskutiert Maischberger die Themen der Woche mit folgenden Gästen:
Die Corona-Inzidenzen in Deutschland sind hoch wie nie. In Dänemark liegen sie aber vier- bis fünfmal höher. Trotzdem wurden dort gerade alle Corona-Einschränkungen abgeschafft.
Beim Streitgespräch um die Corona-Politik ist der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, für Karl Lauterbach eingesprungen. Und er füllt Lauterbachs Mahner-Rolle sehr viel besser aus, als er es tut, seitdem er Bundesgesundheitsminister ist.
Dahmen findet, man könne Dänemark und Deutschland nicht vergleichen, weil die deutsche Bevölkerung älter, weniger geboostert und wenigster getestet ist. Er geht auch davon aus, dass die Zahlen auf den Intensivstationen noch 30 Tage lang weiter ansteigen werden. Wenn vorschnell gelockert würde, gebe es möglicherweise wieder so starke Belastungen des Gesundheitssystems und der Intensivstationen wie bei der Deltawelle. Aber er findet auch: "Es gibt durchaus Anzeichen für Hoffnung." Die Maßnahmen hätten bisher vor einem zu starken Anstieg der Infektionen geschützt.
Deutschland befindet sich, wie so oft in der Pandemie, mal wieder an einem Punkt, wo die Meinungen auseinander laufen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt eigentlich ab 15. März. Aber die ersten Stimmen warnen, dass eine Umsetzung nicht möglich sein wird. Doch Dahmen ist sich sicher:
Eben diese Glaubwürdigkeit sehen allerdings auch einige gefährdet angesichts des Alleingangs, mit der in Deutschland der Genesenenstatus von sechs auf drei Monate verkürzt wurde.
Thomas Voshaar, Chefarzt der Lungenklinik Bethanien in Moers, fordert: "Der Genesenenstatus ist ein Musterbeispiel, dass man seine wissenschaftliche Arbeit nicht gut gemacht hat. Das muss auf der Stelle zurückgenommen werden." Denn nach Studien schütze "genesen" mindestens so gut wie "geimpft".
Der Mediziner vertritt die absolute Gegenposition zu Dahmens Vorsicht: "Man sollte die Situation auf den Intensivstationen nicht zum Maß aller Dinge machen." Überraschend spöttisch klingt es, wenn er nachlegt: "Alles richtet sich in diesem Land danach, ob Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger gerade noch entspannt sind oder nicht."
In seiner Klinik sei zur Zeit alles ruhig. Sie hätten derzeit nur zwei Covid-Patienten auf der Intensivstation, einer davon sei auf dem Weg der Besserung. Auf seiner Überwachungsstation lägen 15 Patienten, dort gebe es wöchentlich so viele Aufnahmen wie Entlassungen. Also alles stabil. Kurz gefasst könne man seine derzeit favorisierte Covid-Strategie mit "laufen lassen" zusammenfassen, bestätigt er Sandra Maischberger auf ihre Nachfrage.
Als Janosch Dahmen protestiert, kontert Voshaar: "Wir müssen Herrn Dahmen jetzt fragen, auf welchen Moment er eigentlich warten möchte?" Die No-Covid-Idee sei "definitiv gescheitert". "Einen Atemwegsvirus kann man nicht besiegen, es kommt immer wieder und wird mutieren." Das Ende einer Pandemie sei immer die Durchseuchung. Omikron sei infektiös, aber führe zu weniger schweren Verläufen.
Natürlich müsse man weiterhin die Impfung anbieten und das unbedingt klüger und direkter als bisher und auch Menschen mit Sprachbarrieren aktiv kontaktieren. "Wo sind denn die klugen, direkten Ansprachen?" Nur so könne man Ungeimpfte noch erreichen und nicht mit einer Impfpflicht.
Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) sorgte jüngst für Kopfschütteln, als er der Ukraine, an deren Ostgrenze der russische Präsident Wladimir Putin Truppen aufmarschieren und Geräte auffahren lässt, Säbelrasseln vorwarf. Wolfgang Ischinger, Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, betont, dass er unter Außenminister Joschka Fischer (Grüne) als Staatssekretär im Außenministerium auch mit Schröder gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet hat. Und doch sagt der Ex-Diplomat heute verhältnismäßig undiplomatisch:
Schröders Aussage hätte womöglich eher mit seinen Aufgaben zu tun. Ischinger spielt damit auf Schröders Funktion als Aufsichtsrat des Öl- und russischen Gaskonzerns Rosneft und sein Engagement bei der Betreibergesellschaft der Nord Stream-Pipeline an. "Wir haben natürlich auch Fehler im Umgang mit Russland gemacht", gibt Ischinger zu, aber die letzte Nato-Osterweiterung sei im Jahr 2004 erfolgt und es sei für ihn nicht nachvollziehbar, "wie das zur enormen Aufwallung" jetzt führt. Das russische Aufgebot an Soldaten und Kriegsgerät an der ukrainischen Grenze sei bedrohlich.
"Man muss Jahrzehnte zurückgehen, um seinen Aufmarsch in dieser Größenordnung zu finden." Er findet aber auch, dass Putin sehr geschickt mit dieser Drohgebärde sein politisches Ziel erreicht hat: den Westen zum Verhandeln zu bringen. Dass die USA nun zugesichert hätten, keine Truppen in der Ukraine selbst zu platzieren wertete er als "richtig dicke Friedenspalme". Er würde sich sehr wundern, wenn Putin sie nicht irgendwann annimmt. Aber für ihn steht fest:
Da muss sich der Westen wohl noch einig werden. Und so steht für Florian Harms, Chefredakteur von "t-online", fest, dass Putin der "Gewinner der Woche" ist, wenn nicht sogar des Jahres. Der russische Präsident habe vor einem halben Jahr noch in der Defensive festgehangen, innenpolitisch unter Druck. Nun habe er "eine internationale Krise angezettelt", um davon abzulenken. "Jetzt reden alle über die Ukraine und nicht über seine anderen Probleme." Alle anderen Politiker müssten nun "über das Stöckchen springen, das er hinhält".
Putin ist auch einer der wenigen internationalen Politiker, der die Olympischen Spielen in Peking nicht boykottiert, sondern hinreist, wenn sie am Freitag eröffnet werden. Harms findet, China sei zwar unzweifelhaft eine Diktatur, aber die Spiele böten Anlass, sich mit dem Land zu beschäftigen. Er hat beim Besuch einer chinesischen Universität festgestellt, dass die Studenten dort geschliffenes Deutsch sprachen. "Die wissen viel besser Bescheid über uns als wir über sie und das sollten wir mal anfangen zu ändern."
Boykottieren wird die Spiele der ehemalige ARD-Sportmoderator Gerhard Delling auch nicht, dazu sei er zu sehr "Junkie". Aber er findet, dass das, was Olympia ausmacht, nicht stattfindet, auch aufgrund der strikten Corona-Regelungen in China: das Zusammenkommen. Verschieben wäre "in diesem Jahr gut gewesen". Und auch politisch hat er Bedenken: 2008 hätten die Sommerspiele in Peking "ein bisschen was von Öffnung gehabt". Davon sei aber heute keine Rede mehr. Allerdings könne man auch nicht vom Sport erwarten, dass er das behebe, was sonst auch einfach so hingenommen wird. "Wir fahren da ständig hin und machen große Geschäfte."
"SZ"-Journalistin Cerstin Gammelin war früher Olympia-Fan, aber ihr ist die Lust vollständig vergangen.