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Düstere Prognose von Sigmar Gabriel bei "Markus Lanz": "Käuflichkeit der Politik"

Sigmar Gabriel sorgt sich wegen einer potenziell schwachen USA, "das hätte verheerende Auswirkungen".
Sigmar Gabriel sorgt sich wegen einer potenziell schwachen USA, "das hätte verheerende Auswirkungen".Bild: ZDF
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Sigmar Gabriel prognostiziert düstere Zukunft bei "Markus Lanz": "Wir haben gerade eine Phase ohne Weltordnung"

05.01.2022, 12:40
katharina holzinger
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Am 6. Januar jährt sich zum ersten Mal der Sturm auf das US-Kapitol – Anhänger des früheren US-Präsidenten Donald Trump drangen gewaltsam in das Gebäude ein, während der Kongress tagte, um den Sieg von Joe Biden bei der Präsidentenwahl zu bestätigen. Lanz nimmt das zum Anlass, um in der ersten Sendung im Jahr 2022 über die jetzige Lage in den USA zu sprechen und die Frage zu diskutieren, wie gespalten das Land ist und wie es zu dem Vorfall kommen konnte.

Der Talk schließt an die Doku "Markus Lanz – Amerika ungeschminkt" an, in der Lanz mit Menschen in den USA über ihre Wünsche und Ängste sprach. Die Talk-Runde sieht besorgniserregt in die Zukunft, die Historikerin Annika Brockschmidt spricht davon, dass die USA auf dem Weg hin "zu einem autoritären Staat" sei. Außerdem geht es um die Rolle der USA in der Weltordnung und wie diese Deutschland jetzt und in Zukunft beeinflusst. Es waren zu Gast:

  • Sigmar Gabriel, Außenminister a.D. und Ex-Vize-Kanzler
  • Annika Brockschmidt, Historikerin und Journalistin
  • Johannes Hano, Journalistin, ZDF-New-York-Korrespondent

Was der "American Dream" heute bedeutet

Vom Tellerwäscher zum Millionär ist das bekannte Narrativ, das den "American Dream" symbolisieren soll – Annika Brockschmidt sagt, dass man dabei differenzieren müsse, für wen dieser Traum überhaupt in der Vergangenheit zugänglich war. Marginalisierte Gruppen seien davon oftmals ausgeschlossen gewesen, strukturelle Hindernisse gebe es für diese auch heute noch. Die USA stehe vor der Frage, was für ein Land es überhaupt sein wolle. Sie sieht: patriarchale Strukturen versus pluralistische Demokratie – zwei sich gegenüberstehende Lager.

In ihrem Buch "Amerikas Gotteskrieger – Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet" beschäftigt sich Annika Brockschmidt mit den Strukturen von Religiösen Rechten in den USA.
In ihrem Buch "Amerikas Gotteskrieger – Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet" beschäftigt sich Annika Brockschmidt mit den Strukturen von Religiösen Rechten in den USA.Bild: ZDF

Lanz benutzt heruntergebrochen für diese zwei Pole das Wort "Kulturkampf" und fragt nach den Erfahrungen von Johannes Hano, der als Korrespondent des ZDF in New York lebt. In New York spüre er davon nichts, aber das Phänomen des American Dreams fällt auch ihm auf, vor allem bei Einwanderern, die sich daran klammern. Ganz ohne das Thema Corona kommt die Runde aber nicht aus, Hano resümiert: "Durch Corona ist die Spaltung noch größer geworden." Das Thema werde instrumentalisiert, um Leute weiter auseinander zu bringen, es gebe eine klare Unterscheidung zwischen republikanisch und demokratisch geprägten Staaten.

"Maske tragen ist eine politische Frage geworden."
Johannes Hano

Sigmar Gabriel erzählt von einer Reise, die er durch West Virginia machte, kurz nachdem Trump gewählt worden war und den Staat für sich gewonnen hatte. Die teils skurrilen Leute, die in Aufnahmen zum Sturm auf das Kapitol zu sehen sind, seien nicht repräsentativ für Trump-Wählerinnen und Wähler, bei seinen Begegnungen seien das "ganz normale Menschen" gewesen, "durchaus gebildet". Eine Sache einte sie aber: "der Hass und Zorn auf die Eliten." Die Wahl sei eine Protestwahl gewesen, um sich Gehör zu verschaffen.

Brockschmidt bringt Fakten aus bisherigen Untersuchungen zu den Verfahren bezüglich des Kapitol-Vorfalls mit ein: Die Leute, die am Sturm auf das Kapitol teilgenommen hatten, seien im Durchschnitt älter gewesen als es Menschen sind, die normalerweise in extremistische Gewalttaten verwickelt sind. Das seien Personen gewesen, die es sich leisten konnten, nach Washington für einen Tag anzureisen und die nicht unbedingt dem Bild entsprechen, wie man sich vielleicht typische Extremisten vorstelle.

"Das sind nicht alles laut kreischende Verrückte in irren Kostümen."
Annika Brockschmid

Lanz wirft die Frage nach der Identität auf, um die es vielen Leuten gehe. Hano spezifiziert das: Das sei das Narrativ, das absichtlich benutzt wird, man gebe den Leuten eine Identität – als politisches Mittel. Gabriel pflichtet ihm bei. Die Frage nach der Identität und die Antwort darauf wird benutzt, um materielle und soziale Themen und Probleme in den USA zu überspielen. Gabriel sieht eine allgemeine Unzufriedenheit bei den Leuten bezüglich der Frage, wie ihr Land regiert wird, die Aufstiegschancen seien zum Beispiel sehr schwach. Sowas "frisst sich tief rein". Den Unmut der Leute kann er deshalb verstehen. Als Folge davon bespricht die Runde die Opioid-Krise, womit der starke Anstieg von Drogenabhängigen und Todesfällen im Zusammenhang mit Opioid-Schmerzmitteln gemeint ist.

Besorgniserregende Opioid-Krise in den USA

Ein Grund dafür sei auch, dass die Pharma-Lobby so stark ist. Hano sagt: "Die Käuflichkeit der Politik ist das Grundübel", diese sei sehr abhängig von Geldspendern, weshalb deren Interessen auch so präsent seien, zum Beispiel sichtbar bei dem Verschreiben von legalen Drogen wie Opioiden. Brockschmidt gibt immer wieder wissenschaftliche und historische Einordnungen, Hano schildert seine Erlebnisse von Drehs in den USA und Gabriel lässt seine politischen Erfahrungen und Erlebnisse in die Runde einfließen.

Johannes Hano sieht die Käuflichkeit von Politikerinnen und Politiker als Grundübel in den USA.
Johannes Hano sieht die Käuflichkeit von Politikerinnen und Politiker als Grundübel in den USA.Bild: ZDF

Sie sind sich einig in der Diagnose: Die zwei Parteien, Republikaner und Demokraten, haben sich noch stärker in zwei Lager entwickelt. Brockschmidt sieht als einen Hauptgrund dafür folgendes Narrativ, das von Republikanern benutzt wird: "Demokraten wollen das Land in den Abgrund bringen", womit jegliche politische Diskussion für viele der Anhänger zweitrangig werde. In den Identitätsfragen sieht Gabriel ein Ablenkungsmanöver, nicht nur von Parteien, sondern auch von großen Unternehmen. Nach sehr viel Düsternis will Hano etwas positiv erwähnen: Die Wahl von Biden habe einen Gegentrend gezeigt. Aber Lanz lässt das nicht durchgehen und kommt nochmal auf die prekäre Armutssituation und die vielen Drogenabhängigen im Land zu sprechen, während Reiche immer reicher werden würden. "Natürlich ist das Beschiss an den Menschen", stimmt ihm Gabriel zu.

Die aktuelle Stellung des US-Präsident Joe Biden

Gabriel wirkt so, als ob er eine Verteidigungsrede für Biden halten will. Dieser spreche das Armutsproblem an, im Gegensatz zu Trump, und habe schon mehr geschafft als Obama. Lanz sieht das anders, er habe das Gefühl, dass die Euphorie verflogen ist. "Das war eine Anti-Trump-Koalition", sagt Hano. Diese würde jetzt an der Realität zerbröckeln, weil die Meinungen der verschiedenen Lager doch sehr unterschiedlich seien.

Maßnahmen bei Wahlen in den USA

Ein weiteres Thema sind die Maßnahmen der Parteien, um Bundesstaaten bei Wahlen für sich zu gewinnen, zum Beispiel mit taktischen Neugrenzziehungen von Wahlbezirken, um möglichst erfolgreich abzuschneiden. Eigentlich ist das verboten, aber es werde von Republikanern und Demokraten eingesetzt, schildern Hano und Brockschmidt. Das schade der amerikanischen Demokratie, denn nicht die Mehrheit der Stimmen zählt, sondern die Anzahl der gewonnen Staaten, was dadurch manipuliert wird.

Diese Runde diskutierte am Dienstagabend über die Lage der USA, ein Jahr nach dem Sturm auf das Kapitol.
Diese Runde diskutierte am Dienstagabend über die Lage der USA, ein Jahr nach dem Sturm auf das Kapitol.Bild: ZDF

Zum Ende hin wird die Fragestellung nochmal allgemeiner: "Wo will die USA hin?" Gabriel sieht die derzeitige Lage als "Phase ohne Weltordnung". Die USA wolle sich jetzt auf einzelne Bereiche konzentrieren und zum Beispiel "nicht mehr Weltpolizei sein". Ein Machtverlust Amerikas hätte verheerende Auswirkungen auf die Welt und auf Deutschland, sagt er, denn die Abhängigkeit sei groß.

"Wenn der Sheriff die Main Street verlässt, kommen die Gangster."
Sigmar Gabriel

Gabriel schildert das wie ein außenstehender Beobachter, deshalb gibt Hano das einzige Mal an diesem Abend Kontra: "Sie waren lang genug selbst Politiker." Gabriel bleibt beschwichtigend, man habe lange zugeschaut, weil es dem Land so gut ginge und man nicht dazu gezwungen war, jetzt müsse man aber stärker über solche Fragen nachdenken. Am Ende gibt es noch Promo für die Dokus von Hano über das Wettrüsten in der Arktis. Russland, China und die USA seien dort in einem Wettstreit – ein weiteres besorgniserregendes Thema, diagnostiziert die Runde und beendet mit diesem letzten Punkt die Talkstunde.

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